Missing Link: Lithium-Ionen-Batterien – Ein Fundament der digitalen Ära

Seite 2: Lithium-Ionen-Batterien

Inhaltsverzeichnis

Chemische Elemente lassen sich beliebig zu elektrochemischen Energiespeichern kombinieren. Dabei bestimmen die elektrochemische Spannungsreihe und die Atommasse Spannung und spezifische Kapazität und somit die maximal speicherbare Energie. Elemente wie Lithium oder Fluor sind aufgrund ihres geringen Gewichts und der gleichzeitig niedrigen beziehungsweise hohen elektrochemischen Potentiale sehr interessant. Nachteilig bei ihrer Nutzung ist ihre hohe Reaktivität im elementaren Zustand, weshalb selten die Reinform (z. B. metallisches Lithium) zum Einsatz kommt, sondern die Speicherung in einer Matrix (Interkalation) oder in anderen chemischen Formen (Konversion) bevorzugt ist. Dies reduziert zwar die Energiedichte, steigert aber die Sicherheit und Langlebigkeit beträchtlich. In bahnbrechender Weise ist das bei der Lithium-Ionen-Batterie gelungen.

Materialien für Lithium-Ionen-Batterien
Bezeichnung Materialien
Stromableiter Kupfer (negative Elektrode) bzw. Aluminium
Neg. Aktivmaterial, Anode Graphit, Graphit+Silizium, Lithium-Titanat
Elektrolyt Lithiumsalz (z. B. LiPF6) in org. Lösemitteln
Separator Polymere (z. B. Polypropylen, Polyethylen und Kombinationen)
Pos. Aktivmaterial, Kathode Metallmischoxide (z. B. Ni-Co-Mn), LiFePO4
Für die einzelnen Elemente der Lithium-Ionen-Batterie können verschiedene Materialien zum Einsatz kommen.

Die Lithiumionen (grün) lagern sich in graphitischen (a) bzw. oxidischen Strukturen (b) ein. Dazwischen befindet sich der Separator in der Lithium-Ionen-Batterie (c). Der Elektrolyt tränkt beide Elektroden und den Separator.

(Bild: Physik-Journal)

In ersten Arbeiten zeigte Stanley Whittingham in den 1970er-Jahren am Beispiel von TiS2, dass sich Lithium reversibel und mit hoher Effizienz einlagern lässt. Sie waren richtungsweisend für die weitere Entwicklung. Whittingham prägte auch die Abgrenzung der Begrifflichkeit von Interkalations- und Konversionsmaterialien. Analog dazu identifizierte John Goodenough mit TiS2 ein Material, das Lithiumionen bei sehr hohen Potentialen in seine Struktur reversibel einbauen kann und heute in Milliarden von Batteriezellen verbaut ist. Die Entwicklungen von Whittingham und Goodenough ließen die Aktivitäten zur Entwicklung von Kathodenmaterialien förmlich explodieren.

Zu der Zeit gingen die Forscher allerdings noch davon aus, dass Lithiummetall die ideale Anode wäre und sich auch für wiederaufladbare Batterien stabilisieren ließe. Nach einem spektakulär gescheiterten Kommerzialisierungsversuch der Firma MoliEnergy wurde die Entwicklung einer Lithium-Metall-Batterie aber weitgehend eingestellt. Damit war die intensive Suche nach einem alternativen Anodenmaterial eröffnet. Sie führte zu Graphit als Material der Wahl. Allerdings hat es einige Jahre gedauert, um geeignete Elektrolytmischungen zu finden. Die Herausforderung dabei war, dass organische Lösungsmittel bei den sehr niedrigen elektrochemischen Potentialen nicht stabil sind. Die Entdeckung, dass bestimmte organische Elektrolyte eine Passivierungsschicht bilden, die den weiteren Abbau des Elektrolyten stoppt und gleichzeitig eine genügend hohe Ionenleitfähigkeit besitzt, brachte den Durchbruch.

Letztlich war es eine Arbeitsgruppe um den Japaner Akira Yoshino bei der Firma Asahi Kasei, welche die verschiedenen gefundenen Komponenten zu einer modernen Lithium-Ionen-Batterie zusammenfügte. Lithium-Ionen-Zellen zeichnen sich durch die sehr hohe Spannung aus, die von der niedrigen Potentiallage von Lithium in Graphit herrührt. Das ist einerseits ein großer Vorteil, da die Potentialdifferenz zur Gegenelektrode – die Spannung – so maximiert wird. Allerdings bedeutet dies gleichzeitig, dass durch unerwartete Überspannungen schnell ein Wert von Null und niedriger erreicht wird: Dabei bildet sich thermodynamisch bevorzugt metallisches Lithium anstelle der Interkalation. Dies kann die Energiedichte verringern und birgt die Gefahr von Kurzschlüssen.

Dieses Problem kann zum Beispiel durch Kombination von hohen Ladeströmen und niedrigen Temperaturen auftreten, weshalb die Ladeströme bei Elektrofahrzeugen im Winter begrenzt werden. Einzelne Batteriezellen lassen sich zusammenschalten, um größere Energieinhalte, Spannungen und Ströme zu realisieren. Dabei ist wichtig, dass jede einzelne Zelle möglichst identische elektrische Eigenschaften aufweist, um die Belastung gleichmäßig zu verteilen. Hierin besteht eine der großen Herausforderungen der Batterieproduktion.

Eine weitere wichtige Eigenschaft von Batterien ist ihre Ruhespannung abhängig von der Lithiumaufteilung auf die Elektroden beziehungsweise vom Ladezustand. Dieser Zusammenhang zwischen Klemmspannung, der Anzahl der Lithiumionen auf der jeweiligen Elektrode und dem Ladezustand ist für die Diagnostik wichtig. Entscheidend ist vor allem das Kathodenmaterial an der positiven Elektrode, da dieses häufig variiert. Auf der negativen Elektrode werden fast immer Graphit mit Zusätzen oder Titanate eingesetzt. Für das Kathodenmaterial Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4) ist es diagnostisch herausfordernd, die Spannung eindeutig einem Ladezustand zuzuordnen, da der Potentialverlauf hier sehr flach ohne besondere Merkmale ist. Weit verbreitete Oxide wie Nickel-, Mangan- oder Kobaltoxid zeigen hingegen eine ausgeprägtere Steigung, sodass Spannung und Ladezustand oft eindeutig zusammenhängen.

Da sich der Zusammenhang mit der Alterung teilweise stark verändert, ist es schwierig, den Ladezustand allein anhand der Batteriespannung über die gesamte Lebensdauer einzuschätzen. Ein Beispiel für diese Problematik ist der Handyakku. Oft verzichten Hersteller auf komplexe Diagnostik, was mit der Zeit zu einer zunehmenden Fehleinschätzung des Ladezustands führt: So schaltet sich ein mehrere Jahre altes Mobiltelefon bereits bei vermeintlich 30 Prozent Ladezustand ab. Das ist für Elektrofahrzeuge und die Frage nach Restreichweite nicht akzeptabel und erfordert daher entweder eine dedizierte Implementierung vieler Messdaten oder die Nachführung des Batteriezustands mit Diagnostikalgorithmen und Simulationen.

Da sich die Entwicklung der Batterien immer an den Anforderungen der Anwendung ausrichtet, kommen die führenden Unternehmen aus der Elektronik-Industrie, wo die Batteriekompetenz eine erfolgreiche Produktentwicklung bedingt. Die akademische Forschung zielt neben der Entwicklung neuer Materialien und Systeme auch darauf ab, Degradationsmechanismen aufzuklären und Batterien theoretisch zu modellieren. Dies dient dazu, die Eigenschaften der Batterien über die Lebensdauer exakt zu beschreiben.

Grundsätzlich wird an allen Komponenten der Lithium-Ionen-Batterie intensiv geforscht mit folgenden Schwerpunkten: Entwicklung von Lösemittel-freien Elektrolyten, Ersatz von Kobalt in der Kathode und Steigerung der Kapazität der Anode durch hochkapazitive intermetallische Materialien. Zudem wird mit hohem Einsatz an Alternativen zum Lithium durch leichter verfügbare Elemente geforscht. Diese Techniken stehen aber noch am Anfang, sodass noch unklar ist, ob sie kommerziell wettbewerbsfähig sein können.

Die Entwicklung von festen Elektrolyten für Lithium-basierte Batterien hat in den letzten Jahren eine sehr hohe Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion und in der Wissenschaft erhalten. Festkörperelektrolyte bieten mehr Sicherheit und die Möglichkeit, bestimmte Elektrodenanordnungen mit hoher Energiedichte einfacher zu konstruieren. Das Argument der Sicherheit wird maßgeblich "befeuert" durch Berichte zu explodierenden Smartphones, brennenden Elektrofahrzeugen oder Vorfällen in anderen Anwendungen. Ein Beispiel ist der Batteriebrand im Boeing Dreamliner vor einigen Jahren.

Bei der Beurteilung ist aber zu berücksichtigen, dass mehrere Milliarden Lithium-Ionen-Zellen im Markt sind und die Anzahl der Vorfälle im Verhältnis dazu verschwindend gering ist. Als Festkörperelektrolyt kommen organische Polymere, die Lithiumionen leiten, oder Keramiken infrage. Polymere lassen sich vergleichsweise einfach herstellen und verarbeiten. Allerdings ist ihre Ionenleitfähigkeit so begrenzt, dass sie den Anforderungen an die Leistungsdichte nur bei erhöhten Temperaturen genügt. Während für tragbare Elektronikgeräte die Ionenleitfähigkeit bisweilen ausreichen würde, sind für automobile Anwendungen höhere Temperaturen nötig, die einen breiten Einsatz momentan verhindern. Batterien dauerhaft auf über 50 °C zu beheizen, ist konstruktionstechnisch schwierig und der Energieeffizienz des Fahrzeugs abträglich.

Die Leitfähigkeit klassischer Flüssigelektrolyte (blau), Polymerelektrolyte (orange) und keramischer Festelektrolyte (rot) hängt von der Temperatur ab.

(Bild: Physik-Journal)

Festelektrolyte auf keramischer Basis werden sehr intensiv erforscht und konnten in den letzten Jahren einige wissenschaftliche Durchbrüche verzeichnen. Dabei stand insbesondere die Ionenleitfähigkeit im Vordergrund, die sich durch neue Strukturen um einige Zehnerpotenzen steigern ließ. Für bestimmte Sulfide und Thiophosphate (Li7P3S11 und Li10GeP2S12) bewegt sich die ionische Leitfähigkeit in der gleichen Größenordnung wie bei Flüssigelektrolyten.

Als Achillesferse hat sich allerdings die thermodynamische Instabilität der Keramiken gegenüber Lithiummetall erwiesen. Denn Keramiken sind nicht per se thermodynamisch stabil, sodass Zwischenschichten notwendig scheinen, um sie zu stabilisieren. Dies ist eine der Hürden, welche die kommerzielle Nutzung von Batterien auf Keramikbasis in den nächsten Jahren verhindern dürfte. Weitere Schwachstellen von Keramiken sind die mechanische Stabilität der Grenzschichten zum Metall und die anspruchsvolle Verarbeitung.