Missing Link: Nachhaltige Hard- und Software - für eine bessere (IT-)Welt

Seite 5: Politische Gestaltungsoptionen für nachhaltige Hard- und Software

Inhaltsverzeichnis

Gestaltungsoptionen für nachhaltige Hard- und Software

(Bild: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung)

Die Umweltwirkungen und sozialen Implikationen, die mit Produktion, Betrieb und Entsorgung von Hardware und Software verbunden sind, ergeben sich somit in einem vielschichtigen Zusammenspiel verschiedener Einflussgrößen. Die politische Gestaltung sollten diese zielgerichtet in den Blick nehmen:

"Right to Repair": Das Recht auf Reparatur muss gesetzlich verankert werden und umfasst die verpflichtende Veröffentlichung aller für die Reparatur relevanten Informationen sowie ein diskriminierungsfreier und dauerhafter Zugang für alle (gewerblichen) Werkstätten und Endnutzer*innen zu allen für die Reparatur relevanten Mitteln und Werkzeugen. Vollständige Nutzungsrechte sowie Gewährleistung müssen erhalten bleiben – auch wenn die Reparatur durch freie zertifizierte Reparaturbetriebe erfolgt und dabei alternative Software oder Betriebssysteme zum Einsatz kommen.

"Lizenzierung von Hard- und Software": Die Nutzungs- bzw. Eigentumsrechte für Bauanleitungen und Ersatzteile sollen nach Produktionsende für die Allgemeinheit zugänglich unter Freier Lizenz veröffentlicht werden, damit Nutzer*innen und Werkstätten Ersatzteile selber nachbauen können. Um zugehörige Software-Obsoleszenz zu vermeiden gilt es zudem, eine verpflichtende Veröffentlichung von Source Code unter Freier Lizenz nach Supportende einer Software oder eines Elektrogerätes einzuführen sowie das ungehinderte Aufspielen alternativer Software und Betriebssysteme zu ermöglichen.

"Transparente und geschlossene Produktkreisläufe": Für Herstellung von Hardware braucht es transparente Lieferketten sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und faire Löhne über den gesamten Herstellungsprozess. Unternehmen sollten gesetzlich verpflichtet werden, Transparenz in den Lieferketten zu gewährleisten und menschenrechtliche sowie umweltbezogene Sorgfalt walten zu lassen. Es braucht ein funktionierendes Recyclingsystem, um die wertvollen Inhaltsstoffe der digitalen Geräte weiterzuverwenden. Für eine transparente Entwicklung von Software soll die Versionsgeschichte des ursprünglichen Quellcodes mit allen Änderungen öffentlich nachvollzogen werden können. Eine freie Lizenzierung von Quellcode ermöglicht eine Verwendung für alle (auch für geschäftliche) Zwecke.

"Energie- und Ressourcensparsamkeit": Effizienzmaßnahmen digitaler Technik müssen durch Konsistenz- und Suffizienzstrategien flankiert werden, um Rebound-Effekten vorzubeugen. Es müssen verpflichtende Vorgaben eingeführt werden, energie- und ressourcensparsame Software so zu gestalten, dass der Strom- und Ressourcenbedarf in der Nutzungsphase minimiert wird. Ansatzpunkte dafür sind bereits im Blauen Engel für Software vorgelegt worden. Modularisierung und Standardisierung von Hardware trägt zur Vermeidung von Elektroschrott und zur Ressourcensparsamkeit bei. Dies kann auf EU-Ebene durch verpflichtende Vorgaben zur Standardisierung von Elektronikzubehör (unter anderem Ladekabel) und Elektronikbestandteilen erreicht werden.

"Public Money – Public Code": Um öffentliche und nachhaltige digitale Infrastrukturen zu fördern braucht es eine rechtliche Verpflichtung, dass mit öffentlichen Geldern entwickelte Software unter einer Freie-Software- und Open-Source-Lizenz veröffentlicht werden. Von der Allgemeinheit bezahlte Anwendungen sollten allen zur Verfügung stehen. Der offene Code ermöglicht sowohl die nachhaltige Gestaltung und lange Nutzung von Software als auch der verwendeten Hardware.

"Security by transparency": Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien für die öffentliche Hand sollen so gestaltet werden, dass sowohl Freie und Open-Source-Software als auch Geräte bevorzugt werden, die offene Schnittstellen und modulare Designs bereitstellen. Die Verwendung offener Standards muss in allen öffentlichen Dienstleistungen verpflichtend werden und noch ausstehende Regulierungen und Standardisierungsprozesse von öffentlicher Hand unterstützt werden. Gerade auch im Bereich der kritischen Infrastruktur gilt es einen Paradigmenwechsel hin zu Freier und Open-Source-Software anzustreben.

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(bme)