Missing Link: Vor 150 Jahren – die Tage der Kommune gehen zu Ende

Seite 3: "Wiederherstellung der Ordnung"

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Am 21. Mai tagt der Rat der Pariser Kommune zum letzten Mal. Die Truppen des Regimes in Versailles erobern die Stadt, es gibt Barrikaden und erbitterte Häuserkämpfe. Bei den Kämpfen um Montmartre beginnen die Soldaten mit den Massenerschießungen, dort, wo mit der versuchten Entführung der Kanonen die Kommune ins Leben gerufen wurde. Heute steht hier Sacré-Cœur, eine Kirche, die zur Abbüßung der Verbrechen der Kommune entstanden ist. Doch was sind die Verbrechen? Auf die Massenerschießung von Hunderten von Frauen, Kindern und Geiseln antwortet die Kommune am 26. Mai mit der Erschießung von 50 Geiseln, damit das Blutbad gestoppt wird. Es sollte nichts nutzen. Am 28. Mai werden die letzten führenden Kommunarden erschossen und die "Wiederherstellung der Ordnung" verkündet. Nach heutigen Berechnungen bezahlten 7000 Kommunarden die 72 Tage der Kommune mit ihrem Leben.

In seinem Bericht für die I. Internationale zieht Karl Marx ein bitteres Fazit: "Das Paris der Arbeiter, mit seiner Kommune, wird ewig gefeiert werden als der ruhmvolle Vorbote einer neuen Gesellschaft. Seine Märtyrer sind eingeschreint in dem großen Herzen der Arbeiterklasse. Seine Vertilger hat die Geschichte schon jetzt an jenen Schandpfahl genagelt, von dem sie zu erlösen alle Gebete ihrer Pfaffen ohnmächtig sind."

Im deutschen Kaiserreich sieht die Sache etwas anders aus. Der Friedensvertrag ist ratifiziert und das Frankreich der III. Republik beginnt sofort mit seinen Reparationszahlungen. Schließlich war die Bereitschaft der Sieger ausschlaggebend, die französischen Kriegsgefangenen wieder auf freien Fuß zu setzen, damit sie gegen die Franzosen in Paris kämpfen konnten. Der konservative Publizist Egon Friedell zog in seiner Kulturgeschichte ein ganz eigenes Fazit der Episode: "Deutschland hingegen bekam seine fünf Milliarden, eine für damalige Geldbegriffe unvorstellbare Summe, Deutschland, das Land der frugalen Kleinbürger und Offiziere, verträumten Professoren und Musikanten, wurde reich!

Infolgedessen gab es einen ungeheueren Börsenkrach. Jener neunte Mai des Jahres 1873, der ihn brachte, der Finanzwelt in ähnlich schreckhafter Erinnerung wie den Serben die Schlacht auf dem Amselfeld und den Römern Cannä, führte den Namen 'der schwarze Freitag'. Denn man beschäftigte sich damals mit nichts als Gründungen. Jede Woche brachte neue Konsortien, Sozietäten, Syndikate, Aktienunternehmungen. Die Aktie, die 'abwesende Arbeitgeberin', ist die modernste und mächtigste Form des Kapitalismus."

(bme)