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Missing Link: Weltuntergang war schon - SF kann mehr als die Zukunft vorhersagen

Dietmar Dath
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(Bild: voyata/Shutterstock.com)

Science Fiction hat auch Debatten in der Pandemie vorweggenommen. Sie kann aber viel mehr – zumindest seit die "erste Science Fiction" zu Grabe getragen wurde.

Im FrĂŒhjahr 2020, als die SARS-CoV-2-Pandemie noch niemandem erzĂ€hlt hatte, dass sie ĂŒberhaupt nicht mehr aufhören will, berichtete ich einem Journalistenkollegen von einem Science-Fiction-BĂŒhnenprojekt, mit dem ich damals befasst war. Inzwischen sitzt dieses Projekt mit langem Gesicht auf einer noch lĂ€ngeren Bank, neben tausend anderen Vorhaben. Damals aber stand ich vor der Frage, wie man eigentlich von einem völlig verwandelten Leben erzĂ€hlt. Die zentrale dramaturgische Idee bestand in einer Mischung von Szenen aus der verwandelten Welt einerseits mit knappen RĂŒckblickmomenten andererseits. Umrisshaft sollte ein Katastrophengeschehen erkennbar werden, das die Verwandlung des Lebens bewirkt hatte.

"Missing Link"
Missing Link

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt hĂ€ufig die Zeit, die vielen News und HintergrĂŒnde neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Über den Autor

Dietmar Dath, Schriftsteller (unter anderem „Die Abschaffung der Arten“, 2008, „Neptunation“, 2019), Filmkritiker und Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist auch Autor der fast tausendseitigen historischen und theoretischen Untersuchung der Science Fiction „Niegeschichte. Science Fiction als Kunst- und Denkmaschine“ (2019).

Der Kollege fand das reizvoll: „Es klingt wie das Gegenteil von dem, was wir im Journalismus machen – du nimmst dir nicht tausend kleine Nachrichten vor, in China ein Virus, in Amerika eine Demokratiekrise, auf der ganzen Welt wirtschaftliche Lieferketten, und versuchst im Laufe der Berichterstattung einen Sinn oder ein Muster oder einen Trend zu erkennen, sondern du hast umgekehrt eine einzelne, große, knallige Idee, vielleicht: Das WWW bricht zusammen, oder: Ein Meteorit schlĂ€gt ein. Und dann malst du dir die Konsequenzen aus.“ Ich konnte das nicht ganz bestĂ€tigen: „So war’s in der Science Fiction und in ihren Vorformen frĂŒher, sagen wir, im spĂ€ten 19. Jahrhundert und in der ersten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts. Man nimmt sich die Riesenidee, an der entlang man die Weltgeschichte in die Spekulation hinein verlĂ€ngert, also Außerirdische oder neue Waffen, als Keim und Kristall der Story, im festen Vertrauen darauf, dass das Leben, wenn es solche Sensationen enthĂ€lt, die alles Ă€ndern, sich ĂŒberhaupt erzĂ€hlen lĂ€sst.

Dieses Verfahren nennt John Clute, einer der besten Science-Fiction-Kenner, Historiker und Kritiker des Genres, gern ‚first SF‘, die ‚erste Science Fiction‘. Aber inzwischen geht’s in der Science Fiction eher um das Problem, ob das ĂŒberhaupt so geht, ob die Verwandlungen, die wir erleben, noch in Geschichten passen. William Gibson, der Mann, der das Wort ‚Cyberspace‘ erfunden hat, schreibt zum Beispiel in seinem Roman ‚Peripheral‘ von einer Zukunft, die er von unserer Gegenwart nicht durch einen einzeln, großen, klaren Einschnitt trennt – er sagt, es gab zwar den ‚Jackpot‘, eine Art Riss in der Zivilisationsgeschichte, aber dieser große Krach sei eben kein Kometeneinschlag gewesen, nichts, was man wirklich als Atomkrieg bezeichnen konnte, sondern jede Menge total verschiedenes Zeug, das mehr oder weniger direkt mit der großrĂ€umigen VerĂ€nderung der irdischen BiosphĂ€re zusammenhing: DĂŒrre, Wasserknappheit, Missernten, Bienensterben, Wegbrechen anderer SchlĂŒsselarten, Antibiotika noch unwirksamer als jetzt schon, und Krankheiten, die nie die eine große Pandemie waren, aber verbreitet genug fĂŒr eine historische Tragweite.

SF spinnt heute nicht mehr einfach Ideen aus, bei denen es keine weitere Regel gibt als ‚eine Ursache, viele Wirkungen‘, sondern muss sich eher anstrengen, im Gewirr der Optionen, die Welt zu deuten, Ursachen und Wirkungen dingfest zu machen.“ Der Kollege stutzte: „Aber SF sagt doch immer noch die Zukunft voraus, nicht?“

DafĂŒr, dass SF sich immer noch mit der Zukunft auskennt, spricht vieles. Man konnte als SF-Fan im Jahr 2020 zum Beispiel auf akute Debatten darĂŒber, ob man in einer weltweiten Gesundheitskrise eine gewisse Zahl von Toten politisch in Kauf nehmen könne oder solle, mit dem Satz reagieren: „Das steht unter dem Stichwort ‚#triage‘ schon alles in ‚Gamechanger‘ von L X Beckett, einem Buch, das Ende 2019 erschienen ist.“ Und das RomandebĂŒt der Amerikanerin Katie M. Flynn, „Companions“, veröffentlicht im MĂ€rz 2020, mitten im ersten Aufbranden westlicher Corona-Aufregung, auf Deutsch angekĂŒndigt fĂŒr Juni 2021, erzĂ€hlt von einer Seuche samt Lockdown, was sich die Verfasserin in aller Ruhe und Stille am Schreibtisch ausgedacht hatte, nur um sich plötzlich davon umzingelt zu finden. Das betrĂ€chtliche ErzĂ€hltalent der Autorin sah sich damit auf die Stufe eines HĂŒndchens herabgewĂŒrdigt, das einen verblĂŒffenden Tanztrick beherrscht – sie wird ihr Können auf absehbare Zeit nicht mehr ausfĂŒhren können, ohne dass Leute auf der Straße rufen: „Na los, Kassandra, verrat‘ uns was von ĂŒbermorgen!“

Wer sich fĂŒr nichts interessiert außer fĂŒr Vorhersagen, kommt auch an der SF vorbei; nötig sind da einfach die Grundlagen der Theorie allgemeiner und bedingter Wahrscheinlichkeit, sagen wir: Kolmogorows Axiome [2], der Satz von Bayes [3] und ein paar Überlegungen, wie sie der Physiker und Wissenschaftsphilosoph Edwin Thompson Jaynes infolge seiner Idee angestellt hat [4]. Das quantifizierende Wahrscheinlichkeitsdenken stehe im Zentrum aller BemĂŒhungen, die den Ehrennamen „Wissenschaft“ verdienen. Menschen mĂŒssen sich das Kommende auf der Basis naturgemĂ€ĂŸ stets unvollstĂ€ndiger Informationen ausmalen, aber das gilt nicht nur fĂŒrs Kommende. Unser Wissen ĂŒber die Welt hat in alle Richtungen LĂŒcken, und die SF trĂ€gt dieser Tatsache weit ĂŒber ihre prophetischen Potenzen hinaus Rechnung.

SelbstverstĂ€ndlich gab es bereits vor (und gibt es aktuell neben) den genannten zeitgenössischen Belegen viel SF, die vom KĂŒnftigen redet. Manches davon ist reich und systematisch auskomponiert wie die auf zahlreiche Texte verteilte „Future History“ von Robert R. Heinlein [5], anderes eher ein bisschen einfach gestrickt und leicht verzopft wie die aktuelle Netflix-Produktion „Tribes of Europa“. Statt fĂŒr die Zukunft aber interessiert sich ein nicht uninteressanter Teil der SF eher fĂŒr die ErgĂ€nzung oder Vertiefung unseres Bildes von der Gegenwart, wie zum Beispiel Alex Garlands Streaming-Opus „Devs“ [6]. Darin stellt die transzendentale Speicher- und DatenverarbeitungskapazitĂ€t eines ultrahochentwickelten Quantencomputers ein Ensemble von Menschen, zwischen denen allerlei Arbeits-, Liebes- und Schicksalsbeziehungen bestehen, vor eine verschĂ€rfte Version des Problems der Sprengung unserer Umgangsformen im Privaten wie Beruflichen, Sozialen wie Politischen durch einen Sprung der informationsverarbeitenden ProduktivkrĂ€fte.

Von Maschinen eingesammeltes und verarbeitetes, in wirtschaftlich vermittelten Machtbeziehungen offenbares oder verborgenes Wissen strukturiert im Homeoffice oder beim Spazierengehen mit Smartphone unsere Lebenszeit im Großen und Kleinen, und es fragt sich, ob wir unter solchen Vorzeichen ĂŒberhaupt noch (wirtschaftliche, politische, emotionale, intellektuelle, soziale) Subjekte oder bloße Objekte der VerfĂŒgung anderer ĂŒber unsere Datenspuren sind. Klassische „first SF“ hĂ€tte diese Thematik an einem Einzelbefund aus der Interaktion zwischen Menschen und Maschinen durchgespielt (vielleicht an der Doherty-Reaktionszeit [7] und den Auswirkungen ihrer Entdeckung auf das computerisierte Arbeits- wie Sozialleben), aber „Devs“ sieht das Thema nicht als die Wirkung einer prĂ€zise benennbaren Ursache, sondern als Netz und Feld, als VerschrĂ€nkung von Vielerlei, und macht das mit Bildern aus der Quantenmechanik sinnfĂ€llig, weil die Quantenmechanik einen Ă€hnlich misstrauischen Blick auf simple Ursache-Wirkung-Weltmodelle wirft wie die gegenwĂ€rtige SF.

Zu dieser SF gehört „Devs“ vor allem, weil Garlands Serie sowohl die notwendige wie die hinreichende Bedingung einer solchen Genrezuordnung erfĂŒllt: 1. Es werden darin nicht, wie in realistischer und naturalistischer Kunst, Konstellationen von Erfahrungen abgebildet oder geschildert, die das Publikum selbst machen könnte – das ist die notwendige Bedingung, die ein ErzĂ€hlkunstwerk wie „Devs“ von der SphĂ€re des Realismus und Naturalismus trennt und es der Phantastik zuweist. Die Phantastik nun ist von ihrer Genregeschichte (wie auch vom Markt der Kulturindustrie) in drei Unterströmungen geteilt: Fantasy, ĂŒbernatĂŒrlicher Horror und SF. Damit also ein Werk zur SF gehören kann, muss es sich von Werken der anderen beiden Gattungen anhand einschlĂ€giger Merkmale unterscheiden lassen, was bei „Devs“ evidentermaßen der Fall ist, denn 2. geht es darin nicht darum, den Widerhall kulturmorphologischer Echos (Mythos, Magie, Legende, Sage, MĂ€rchen
) anhand auffĂ€lliger Elemente der Handlung (hier: Wundermaschine, Weissagungen
) zu inszenieren wie in der Fantasy, und auch nicht darum, die körperliche Dringlichkeit der Wirkung solcher Handlungselemente zu spĂŒren (wie im ĂŒbernatĂŒrlichen Horror, denn der arbeitet mit Schrecken, erotischer Faszination und anderen Leiblichkeiten), sondern um den Mit- und Nachvollzug einer Spekulation, die ihre GrĂŒnde und Folgerungen als Bestandteile eines Erkenntnisprozesses der Figuren prĂ€sentiert: Experiment, Theorie, Hypothesenbildung, Probe und Gegenprobe – alles wie in der Wissenschaft, deshalb heißt es ja „Science“ Fiction, auch wenn diese Science fiktiv ist.

Devs

(Bild: FX)

Die ErfahrungsrĂ€ume, in denen die SF sowas macht, sind mit der Benennung der ErzĂ€hldimensionen „Zukunft“ und „Gegenwart, aber tiefer“ nicht vollstĂ€ndig benannt. Manche SF spielt nĂ€mlich sogar „frĂŒher“: Im Kosmos der „Stargate“-Geschichten [8] war das alte Ägypten mit dem Weltall vernetzt, in der Perry-Rhodan-Welt spielt sich die Handlung vor einem Ă€hnlich archĂ€ofuturistischem Hintergrund ab (nĂ€mlich im Rahmen einer Besiedlung des Alls durch VorlĂ€ufer unserer Spezies vor langer Zeit) und im Comic „Cerebus“ [9] waren die MammutbĂ€ume, aus denen spĂ€ter fossile Brennstoffe fĂŒr uns wurden, intelligente Wesen mit eigener Kultur und Technologie.

In derlei archĂ€ofuturistischen Fiktionen wird oft mitreflektiert, dass das Publikum den darin behaupteten Geschichtsverlauf ohne die betreffende Fiktion nicht kennen kann. HĂ€ufig wird er in der Story aktiv verborgen, als „Geheimgeschichte“. Neben diesem geheimgeschichtlichen kennt die SF einen weiteren Vergangenheitsmodus, den alternativgeschichtlichen, in dem eine vorstellbare (und: erzĂ€hlbare) andere Vorzeit eine andere als die bekannte Gegenwart hervorbringt. Hier reicht das Spektrum von plakativen, geschichtsphilosophisch eher dĂŒnnen EntwĂŒrfen („Die AchsenmĂ€chte gewinnen den Zweiten Weltkrieg“ wie in der auf dem Grab eines Romans von Philip K. Dick errichteten Show „The Man in The High Castle“ [10] bis zu feinstverĂ€stelten TĂŒfteleien („Die Pest hat in Europa viel schlimmer gewĂŒtet als in unserer wirklichen Vergangenheit, so muss eben China Schauplatz der Moderne werden“, das passiert in Kim Stanley Robinsons Meisterwerk „The Years of Rice and Salt“ [11].

Gemeinsam ist allen vier Formen der inter- und extrapolativen ErgĂ€nzung unvollstĂ€ndiger Erfahrungsmuster (Zukunft, verborgene Gegenwart, verborgene Geschichte und Alternativgeschichte) ein Zugang zur Welt, der diese Welt als einen Mechanismus mit fixen und beweglichen Teilen betrachtet, mit Invarianten und Variablen. Die fixen Momente sind dabei so etwas wie die Naturgesetze und die Naturkonstanten in der Physik, oder auch etwas wie das Wertgesetz [12] im dialektischen und historischen Materialismus, die beweglichen Momente sind dagegen etwas wie das wissenschaftliche erkenntnisleitende Interesse [13] oder der Marxsche „subjektive Faktor“.

Der Abschied von der „first SF“ mit ihren wie auf PerlenschnĂŒren aufgereihten Ereignissen, die eine Folge von Ursachen und Wirkungen sein soll, und der Übergang zu multiperspektivischen Strukturen wie in Gibsons „Peripheral“ (und der noch interessanteren Fortsetzung „Agency“ 2020) ist durch historische ErschĂŒtterungen mitverursacht – die beiden Weltkriege etwa oder die HegemonialkĂ€mpfe nach dem Zusammenbruch der Staaten des Warschauer Vertrags. Die spekulativen KĂŒnste haben gelernt, was die ganze Menschheit seit 1914 lernen musste: eine Reihe harter Lektionen in „ungleichmĂ€ĂŸiger Entwicklung“ [14]. SpĂ€testens in den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts war dem Bewusstsein von Milliarden Menschen das Auseinanderfallen von historischer Logik (also das, womit man Geschichte erklĂ€rt) einerseits und historischer Wirklichkeit (also „wie es war“) andererseits erkennbar geworden.

Die Logik setzt die notwendige Bedingung eines Ereignisses vor die hinreichende („erst musst du ein Mensch sein, bevor du ein glĂŒcklicher Mensch sein kannst“), die Chronologie aber hĂ€lt sich daran nicht durchgĂ€ngig – will man zum Beispiel im Lotto gewinnen, so ist zwar das Abgeben des ausgefĂŒllten Lottoscheins notwendig und das Angekreuzthaben der korrekten Zahlen hinreichend, in der wirklichen Reihenfolge aber kreuzt man die Ziffern erst an und gibt den Wisch dann ab. DarĂŒber hinaus kann ein Ereignis nicht nur mit mehreren möglichen Folgen, sondern auch mit mehreren Ursachen verknĂŒpft sein: Du hast einen Vater, aber zwei GroßvĂ€ter, vier UrgroßvĂ€ter und so fort
 die Irrlehre, die dergleichen bestreitet, heißt „Reduktionismus“, sie bildet sich ein, auch die komplizierteste Lage ließe sich auf einfache Voraussetzungen runterrechnen.

Das ist die verbohrte Übertreibung der in der Erkenntnisarbeit manchmal angezeigten Verfahrensweise, sich unter mehreren Voraussetzungen eines Sachverhaltes nur fĂŒr ganz bestimmte zu interessieren, deren Kenntnis den auf bestimmte Zwecke gerichteten Eingriff in Kausalketten begĂŒnstigt. Das hat natĂŒrlich seinen Platz in Wissenschaft und Technik, fĂ€llt aber nicht, wie der Reduktionismus wĂ€hnt, insgesamt mit beiden zusammen.

Der Untergang der „first SF“ war etwas wie ein Weltuntergang fĂŒrs Genre, er hat sich vor allem in den großen AbgesĂ€ngen an den breiten und im Genre lange dominanten ErzĂ€hlstil „Weltraumoper“ in den 70er-Jahren abgespielt. Bis dahin hatte SF die Welt als ein Puzzle betrachtet, dessen Teile irgendein Urknall irgendwann mal auseinandergesprengt haben musste, damit das Genre sie zu seinen Geschichten zusammensetzen konnte. Das Erstaunliche an dem speziellen Weltuntergang, der im Zerfall der „first SF“ bestand, ist wohl, dass die SF als eigenstĂ€ndige Unterart der Phantastik ihn ĂŒberlebt hat und dabei zu einem neuen Weltbild fand – der Kosmos ist fĂŒr die SF seither ein Zahlschloss, an dem viele Finger fummeln, nicht nur (aber auch) die der SF, sondern viele politische, wirtschaftliche, soziale, wissenschaftlich-technische.

Es gibt in der SF von heute einen Phantomschmerz ĂŒber den Verlust der „first SF“, der in chiffrierter Form den Figuren aufgebĂŒrdet wird: In „Devs“ ist es die kleine Tochter des von Nick Offerman gespielten Computerkonstrukteurs Forest, die fĂŒr das „im Gestern verschwundene bessere Morgen“ steht, in Gavin Rotherys Film „Archive“ [15] ist es die verstorbene Liebste des von Theo James dargestellten Forschers George Almore. Und in Seth Larneys „2067“ [16] lebt der Plot davon, dass ein Signal aus der Zukunft von einer Erholung der BiosphĂ€re nach gewaltigen Umweltkataklysmen zeugen könnte, vielleicht aber auch das Abhandenkommen der Menschheit bedeutet, wie wir sie kennen.

In „Star Trek: Picard“ [17] figuriert das Motiv der verlorenen Zukunft in Gestalt der Trauer um den einer Krankheit erliegenden Helden, den dann aber eine Zivilisation synthetischer Menschen (also im ĂŒbertragenen Sinn: „unsere Kinder“) in einem kĂŒnstlichen Leib wiederbelebt, der freilich, damit der Gerettete nicht allzu befremdliche Erfahrungen darin machen muss, fast alle Macken (Alterung, Gebrechen
) des verstorbenen natĂŒrlichen Körpers reproduziert (mit der bequemen Ausnahme der tödlichen Krankheit, an der jener eingegangen ist).

Schöner kann man das VerhĂ€ltnis zwischen der unplausibel gewordenen Phantasiemechanik der „first SF“ und dem, was SF heute leistet, wohl nicht erzĂ€hlen. Die Moral dieses ErzĂ€hlens ist klar: Wir haben, da wir, so schwierig die Zeiten sind, immer noch denken, erzĂ€hlen, spekulieren und spinnen können, nicht das Recht, die BemĂŒhungen unserer Vorfahren um die argumentierende Phantastik und die phantastische Argumentation der SF durch UntĂ€tigkeit zum Absterben zu verurteilen.

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(mho [19])


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[5] https://en.wikipedia.org/wiki/Future_History_(Heinlein)
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[7] https://www.oreilly.com/library/view/laws-of-ux/9781098125837/xhtml/Chapter10_9783960103912.xhtml
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Stargate_(Film)
[9] https://en.wikipedia.org/wiki/Cerebus_the_Aardvark
[10] https://www.heise.de/news/Amazon-Instant-Video-Fuenf-Originals-gehen-in-Serie-2553371.html
[11] https://en.wikipedia.org/wiki/The_Years_of_Rice_and_Salt
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Wertgesetz
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Erkenntnisinteresse
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_der_Ungleichm%C3%A4%C3%9Figkeit_der_%C3%B6konomischen_und_politischen_Entwicklung_der_kapitalistischen_L%C3%A4nder
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Archive_(Film
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/2067_%E2%80%93_Kampf_um_die_Zukunft
[17] https://www.heise.de/news/Star-Trek-Picard-Ein-Winzer-im-Weltall-4692893.html
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