Missing Link: Wem gehört die Wahrheit? Vom Ars Electronica Festival 2023. Teil 2

Seite 2: Wem gehört nun die Wahrheit?

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Auf die Frage, wo denn auf dem Festival das in diesem Jahr in der Presse hochgepushte Thema KI und ihre Auswirkungen zu sehen sei, oder die konkrete Zuspitzung auf "Wem gehört die Wahrheit?", gibt der künstlerische Leiter, Gerfried Stocker, einen überraschenden Hinweis. Die KI war bereits 2017 Thema und damals wurden bereits die Fragen, die sich heute eine breitere Öffentlichkeit stellt, behandelt. Lediglich auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, wäre unter dem Anspruch, den sich das Festival stellt.

Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der ARS Electronica

(Bild: Dorothea Cremer-Schacht)

Stocker leitet das Festival seit bald 30 Jahren. Man spürt, dass er in seinem Berufsleben schon viel gesehen hat, das kommt und geht und in Wellen immer wieder kommt. Er kann im Gespräch einen sehr distanzierten Blick auf sein Festival richten, zugleich spürt man die kribbelige Freude desjenigen, der lieber bei einer Musiksession mitspielen würde, als Empfänge in Botschaften zu absolvieren.

Er ist ein aufmerksamer Beobachter des Zeitgeschehens. Nach der Wissensrevolution sieht er die Wahrheitsrevolution kommen. Es ist erst wenige Jahrhunderte her, dass die Wissenschaft die Religion als Hüterin der Wahrheit abgelöst hat. Die nächste Ablösung steht nun bevor und man wird sehen, wer in Zukunft darüber entscheidet, was als wahr gilt. Dass hier ein Seitenhieb auf Donald Trump und Fake-News kommt, überrascht nicht, ist aber eben nur das: ein Seitenaspekt.

Die Zuspitzung auf "Who Owns the Truth?" hatte Stocker gewählt, um einen konkreten Ausgangspunkt zu finden und Fragen zu stellen. Dahinter öffnet sich für ihn die entscheidende Frage, nämlich: Wem gehört die Welt, eine Welt, die immer digitaler wird. Er möchte mehr Entscheidungsmöglichkeiten und letztlich Macht bei den Menschen und nicht bei den Technologieunternehmen. Er möchte weitergehen als der digitale Humanismus, es geht ihm um den digitalen Sozialismus, einen neuen Gesellschaftsvertrag. Ob in diesem Bemühen multi-nationale, nicht gewählte Institutionen wie die EU-Kommission tatsächlich hilfreich sind, kann man sich sicherlich fragen. Für Stocker zählt etwas anderes. Sein Thema, nämlich die Schnittstelle zwischen Kunst, Technologie und Gesellschaft, wird von immer mehr Gruppen in der Gesellschaft als wichtig betrachtet, und darauf kommt es letztlich an. Wenn dafür die Goldenen Nicas ein paar Jahre lang etwas in den Hintergrund treten, ist es das wert.

(bme)