Krimi-Autoren: Mord ist ihr Beruf

In England kann man Krimiautorentum nun studieren – mit Forensikkurs.

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New Scotland Yard in London

(Bild: dpa, Arne Dedert/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Die Krimiautorin Val McDermid versorgte sich für ihre Bücher jahrzehntelang mit grausigen Fachdetails bei der berühmten forensischen Anthropologin Sue Black. Dafür revanchierte sie sich bei der Leiterin des "Centre for Anatomy and Human Identification" (Cahid), als die schottische University of Dundee eine neue Leichenhalle brauchte: Sie spannte neun berühmte Schreiberkolleginnen und -kollegen als Botschafter für ihren Spendenaufruf "Million for a morgue" ein. Der Neubau machte das Cahid zu einer führenden Forschungs- und Ausbildungsstätte für Forensiker, Ärzte – und nun auch Krimiautoren.

Blacks Nachfolgerin Tracey Wilkinson rief gemeinsam mit der Amerikanistin Aliki Varvogli den Literatur- Masterstudiengang "Krimi schreiben und forensische Ermittlungen" ins Leben – eine naheliegende Idee, wenn man die fördernden Persönlichkeiten hinter dem Institut betrachtet. "Lokale Krimis sind das populärste Genre in Schottland und werden in Büchereien am häufigsten ausgeliehen", sagt Varvogli. Sie laufen unter unterhaltsamen Kategoriennamen wie "Tartan Noir", und es werden Festivals wie das Stirlinger "Bloody Scotland" veranstaltet.

Im Herbst 2019 feierten die ersten Teilzeitstudenten ihren Abschluss, unter ihnen auch Gillian Duff. „Ich habe immer gesagt, wenn ich im Lotto gewinne, belege ich einen Kreativschreibkurs und einen in Forensik“, erzählt sie, denn ohne soliden fachlichen Hintergrund könne man nicht authentisch schreiben. Im Lotto hat sie zwar nicht gewonnen, aber als sie von dem Studiengang erfuhr, der angehenden Krimiautoren einen Einblick in die Arbeit von Forensikspezialisten, Ermittlern und Gerichten gibt, fühlte es sich zumindest an wie ein kleiner Lottogewinn.

Dass es Duff gelang, ihren ersten Polizeikrimi zu vollenden, schreibt sie nicht nur den Workshops mit Dozenten und schottischen Autoren wie Lyn Andersson, Denise Mina und Russel McLean zu. Auch der Zugang zu Kursen für Forensikstudenten und Exklusiv-Vorträge von Cahid- und Gastforschern waren entscheidend. Auf die Balance komme es an, betont Varvogli. Fachwissen sorge für Plausibilität und geschickte Wendungen.

Ein Ausbildungs-Highlight war für Duff die Führung in der neuen, nach Val McDermid benannten Leichenhalle mit ihren silbernen Tanks für die Einbalsamierung von Leichen. Diese erlauben eine bahnbrechende Methode zur Haltbarmachung von gespendeten Körpern, die der österreichische Anatom Walter Thiel 1992 publizierte und Sue Black als Erste in Großbritannien einführte. Dabei werden die Gefäße mit einer Lösung aus Ethylenglykol, verschiedenen Salzen und ein wenig Formalin statt mit reinem Formalin durchspült und lagern sechs Monate in den Spezialtanks in verdünnter Spülflüssigkeit.

Anders als die etablierte Balsamierung mit Formalin macht sie die Körper nicht steif. Sie erhält ihre Weichheit und Elastizität auf fast lebensechte Weise. An diesen Leichen können Ärzte wie Forensiker unter realistischen Bedingungen üben: Nähtechniken, das Intubieren mit dem Laryngoskop und sogar realistische Leberbiopsien durch künstliches Belüften der Lungen, das die Atembewegungen beim Punktieren simuliert.

"Wir haben viel wertvolles Wissen vermittelt bekommen. Nicht nur über Grundlagen, sondern auch neueste Technologien wie die Haut- und Venenmuster-Bestimmung von Sue Black", sagt Duff. Damit können Pädophile überführt werden, von denen nicht mehr als eine Hand in Missbrauchsvideos zu sehen ist. Die Form ihrer Leberflecke, Narben und Gefäße sind so individuell, dass sie sie verraten. Genug Inspiration für Gillian Duff, ihren zweiten Roman in Angriff zu nehmen.

(bsc)