Musikalische Satellitennavigation

Eine amerikanische Band nutzt Smartphone und GPS, um ortsbasierte Musik zu machen. Einer der Experimentierorte war der New Yorker Central Park.

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Eine amerikanische Band nutzt Smartphone und GPS, um ortsbasierte Musik zu machen. Einer der Experimentierorte war der New Yorker Central Park.

Die Musiker Ryan und Hays Holladay haben zusammen mit Software-Entwicklern und weiteren Künstlerkollegen eine iPhone- und iPad-Anwendung geschaffen, die eine interaktive Klangreise durch den New Yorker Central Park erlaubt. Das unter dem Namen "Bluebrain" auftretende Elektronikduo komponierte dazu zahlreiche Musiksegmente, die sich auf spezifische Bereiche der Parkanlage beziehen.

Abgerufen werden die Songs und musikalischen Themen anhand der Position des Smartphones oder Tablets: Die App bedient sich dabei des im Gerät eingebauten GPS-Chips, der in Innenstadtlagen im Zehn-Meter-Bereich oder sogar darunter auflösen kann.

"Bluebrain"-App: Nutzbar auf iPhone und iPad.

(Bild: Bluebrain)

Die "Central Park"-App, die den Untertitel "Listen to the Light" hat, ist das bislang größte Projekt einer ganzen Serie von ortsbewussten musikalischen Erlebnisreisen, sagen die Holladay-Brüder. Ein weiteres Werk, das im Washingtoner Regierungsviertel abgehört werden kann, ist bereits fertig. Als nächstes wollen die Musiker eine App für den kalifornischen Highway 1 entwickeln, der sich die Pazifikküste entlangzieht. Die Kreation könnte ein Autofahrer dann unterwegs anhören.

"Es ging uns nicht darum, ein Album einfach als Smartphone-Programm zu veröffentlichen, wir wollten Musik für einen bestimmten Ort komponieren", sagt Ryan Holladay. Bei der Schaffung ihrer App seien sie ständig zwischen Besuchen im Park und dem musikalischen Kreativprozess im Studio hin und her gependelt. "Und daneben musste die Musik ja noch in die App eingebaut werden."

Die "Bluebrain"-Künstler testen, ob die Ortsmarkierungen stimmen.

Für den Nutzer soll die bislang noch kostenlose "Central Park"-Anwendung ein musikalischen Erlebnis sein. Nach dem Start der App bleibt es zunächst so lange ruhig, bis man den Eingang der Anlage hinter sich gelassen hat. Dann beginnt plötzlich ein Orchester mit den Vorbereitungen zum Spiel, bis man, etwas weiter im Park, eine hübsche Geigenmelodien hören kann. Alle ungefähr 20 Meter kommt ein neuer Klangeffekt, ein neues Thema. Die "Bluebrain"-Musik, die ins Klassische mit kleinen Elektrobeimischungen tendiert, ist dabei auch auf einzelne Sehenswürdigkeit wie Brunnen oder Statuen abgestimmt.

Laut Holladay stecken fast 400 einzelne Spuren in der App, die harmonisch aber stets so gewählt sind, dass sie klanglich ineinander übergehen können. ohne dass es zu Misstönen kommt. So bekommt jeder Central-Park-Besucher sein ganz eigenes Album präsentiert - weil kein Mensch den exakt gleichen Weg geht, ergibt sich stets eine hohe Variabilität. Manchmal erklingen sogar bis zu 12 Spuren gleichzeitig, die mit weiteren Effekten durchmischt sind.

Zur Organisation der Route dient eine physische Karte.

(Bild: Bluebrain)

Bei der Erstellung ihrer App setzten die Brüder Holladay zusammen mit ihrem Programmierer Bradley Feldman aus Brooklyn anfangs auf Low-Tech-Methoden: Sie nahmen sich eine ordentlich große, maßstabsgetreue Landkarte und zeichneten dann die Bereiche ein, für die sie sich bestimmte musikalische Untermalungen vorstellen konnten. Anschließend wurden diese kreisrunden Bereiche in GPS-Koordinaten umgesetzt.

Steve Case, Ex-AOL-Chef, der das Projekt mit seiner Case Foundation berät, hält die Idee für sehr spannend. "Das ist eine ganz andere Leinwand, auf der die Künstler malen können." Mit der neuen Technik ließen sich auch neue Zielgruppen erreichen.

Den Holladay-Brüdern ist selbst allerdings noch nicht klar, wie groß die Zukunft für diese neue Art von ortsbasierter Musik ist. Es könnte sich, ähnlich wie der aktuelle Hype um manche technischen Geräte, ja vielleicht um eine Modewelle handeln. "Das ist schwer vorherzusagen. Ich hoffe aber, dass das, was wir machen, überlebt. Vielleicht hören es ja später meine Kinder oder Enkel und sagen dann: Solche Musik hat man damals gehört. Dazu wurden die Menschen damals inspiriert von diesem schönen Ort." (bsc)