Nachhaltigkeitslabel für Smartphones: Eco Rating im Check

Mobilfunkprovider haben ein Umweltlabel für Smartphones eingeführt. Wir haben uns angeschaut, was das Eco Rating leistet – und was nicht.

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(Bild: Rudolf Blaha)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Robin Brand
Inhaltsverzeichnis

Der Start war durchaus vollmundig: Mit dem Eco Rating solle die gesamte Mobilfunkbranche motiviert werden, den Übergang zu einem kreislauforientierten Modell für Mobiltelefone zu beschleunigen. So formulierte es eine Reihe von Mobilfunkprovidern Mitte 2021 bei der Vorstellung des Nachhaltigkeitslabels Eco Rating, das über Reparaturfähigkeit und Klimaverträglichkeit von Smartphones informieren soll. Mittlerweile sind mehr als 100 Smartphones bewertet – Zeit eine erste Bilanz zu ziehen.

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Ins Leben gerufen haben das Rating die Provider Deutsche Telekom, Orange, Telefónica, Telia und Vodafone. Für die Einstufung setzen sie auf Informationen, die Hersteller zur Verfügung stellen – ähnlich verfährt die französische Behörde ADEME mit dem dortigen Reparaturindex. Mindestanforderungen gibt es nicht, jedes Produkt wird bewertet, wenn der Hersteller die nötigen Daten liefert. Die Daten der Hersteller werden laut den Providern auf ihre Plausibilität hin überprüft.

Das Label bewertet Smartphones in fünf Kategorien und mit insgesamt maximal 100 Punkten. Auf dem Label selbst, das die Provider auf den Produktseiten der Smartphones im Shop anzeigen, sind der Gesamtscore und die groben Wertungen in den fünf Unterkategorien Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit, Recyclingfähigkeit, Klimaverträglichkeit und Ressourcenschonung dargestellt. Die für die Wertung im Einzelnen erhobenen Kriterien zeigt das Label nicht an und verlinkt sie auch nicht.

c't kompakt
  • Das Label Eco Rating soll den Verkauf umweltfreundlicher Smartphones fördern.
  • Nicht alle Smartphonehersteller machen mit.
  • Die Organisation "Runder Tisch Reparatur" kritisiert die undurchsichtige Gewichtung der Kriterien.

Etwas mehr erfährt man auf der Eco-Rating-Website. Dort informiert das Providerkonsortium, dass Langlebigkeit auf die Akkulebensdauer und den Garantiezeitraum des Geräts und seiner Bestandteile gemünzt sei. Die Reparaturfähigkeit bewerte unter anderem den Aufwand, der für die Reparatur nötig ist, sowie die Wiederverwert- und Erweiterbarkeit. Recyclingfähigkeit umfasse, wie einfach das Gerät zerlegt und die enthaltenen Wertstoffe zurückgewonnen werden könnten. Während Klimaverträglichkeit die Treibhausgasemissionen eines Geräts über seinen gesamten Lebenszyklus bewerte, enthält Ressourcenschonung laut den Machern Informationen darüber, wie viel knappe Rohstoffe für die Herstellung des Smartphones verwendet wurden. Für das Rating seien diverse EU-Richtlinien, zum Beispiel der "Product Environmental Footprint Category Rules Guidance", ITU-T-, ETSI- und ISO-Normen als Basis herangezogen worden und teilweise neue Parameter eingeführt worden.

Genaueres darüber, was die Hersteller angeben müssen, teilte die Deutsche Telekom auf Nachfrage nicht mit. Die Hersteller müssten einen Fragebogen ausfüllen, diesen teile man aber nicht mit der Öffentlichkeit, teilte ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage lapidar mit. Zwischenzeitlich hatten die Initiatoren des Ratings ein 21-seitiges PDF-Dokument auf die Webseite gestellt, das mehr über die Methodik verrät. Dieses war ausschließlich auf Englisch auffindbar und ist mittlerweile wohl wieder entfernt worden: Ende Januar 2022 führte der Link ins Leere. Im PDF sind die Angaben gelistet, die die Hersteller für jedes Gerät machen müssen.

Warum Fairphone 4 und Samsung Galaxy S21 im Eco Rating die gleiche Gesamtpunktzahl erhalten und wie diese zu den Teilbewertungen passt, geht aus dem Rating nicht hervor.

Diese sind im PDF in 17 Kategorien zusammengefasst (nicht etwa in fünf, was der Anzahl der Teilbewertungen, die auf dem Label dargestellt sind, entspräche) – anhand von mehr als 100 Fragen soll unter anderem die Haltbarkeit und Reparierbarkeit eines Smartphones bewertet werden sowie die Umweltauswirkungen während seines gesamten Lebenszyklus. Nun wäre interessant zu wissen, welche Angaben die Hersteller für ihre Modelle im Einzelnen gemacht haben und wie sich diese auf die Gesamtwertung auswirken. Allein: Die Provider stellen diese nicht bereit, sondern nur den Gesamtscore sowie die groben Ergebnisse in fünf Unterkategorien. Wie die erfassten Daten in die fünf Unterkategorien fließen, wurde uns auch nach Studium der Erklärung zur Methodik nicht klar.

Abgefragt wird unter anderem:

  • Haltbarkeit: Angaben zur Lebensdauer von Akku und Ladebuchse, Wasser- und Staubdichtigkeit, gegebenenfalls nach IP-Standard, Falltestergebnisse;
  • Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit: Angaben, wie lange das Gerät regelmäßig (mindestens quartalsweise) mit Updates versorgt wird, Zeitspanne, in der der Hersteller Ersatzteile vorrätig hält, Informationen über die notwendigen Arbeitsschritte für den Austausch unter anderem von Display, Akku, Rückabdeckung;
  • Recyclebarkeit: Rücknahmeprogramme des Herstellers, Zerlegbarkeit des Smartphones;
  • Verwendung gefährlicher Materialien: Maßnahmen zur Überwachung des Einsatzes gefährlicher Materialien während der Produktion;
  • Verwendung recycelter Materialien: im Gerät selbst und in der Verpackung;
  • Verpackung und beiliegendes Zubehör: Eingesetztes Material, beiliegendes Zubehör und Volumen der Verpackung.

Anhand von Angaben in elf weiteren Kategorien trifft das Eco Rating Bewertungen über die Umweltauswirkungen während des gesamten Lebenszyklus eines Smartphones. Unter anderem müssen die Hersteller folgende Angaben bereitstellen: Grundparameter zum Gerät (Name, Ausmaße, Speicherausstattung, Gewicht), zum Gehäusematerial und zum Display (Maße und Technik), Informationen über den Akku (Gewicht, Volt, mAh), integrierte Schaltkreise, das Mainboard (Größe, Kupfermenge) und Kameras (u. a. Anzahl der Sensoren und deren Größe).

Des Weiteren erfasst das Rating Informationen zum Herstellungsprozess, darunter: Energieverbrauch während Herstellung und Transport, Gewicht und Materialien der Verpackung, verwendete rare oder konfliktbehaftete Rohstoffe wie Gold, Zinn, Silber, Tantal und Kobalt. Anhand der Akkulaufzeit wird auch eine Aussage über den Energieverbrauch während der Nutzung getroffen.

Mit gemischten Gefühlen sieht Katrin Meyer von der Organisation "Runder Tisch Reparatur" das Eco Rating. Die Organisation setzt sich für eine neue Kultur der Reparatur in Deutschland ein. Sie meint, dass das Label zwar zeige, dass Provider und Hersteller den Bedarf an nachhaltigen und reparierbaren Geräten wahrnehmen würden. "Aber da aus dem Eco Rating nicht ersichtlich wird, welche Kriterien bewertet und wie sie für die Gesamtbewertung gewichtet wurden, ist schwer einzuschätzen, wie aussagekräftig die Scores sind", sagt sie. Ein solches Label mit nicht nachvollziehbaren Bewertungen könne sogar hinderlich sein, "weil es einen Vertrauensverlust in solche Angaben generell bewirken kann".

Tatsächlich finden sich für uns schwer nachvollziehbare Ratings schon nach kurzer Suche: So attestiert das Eco Rating sowohl dem Fairphone 4 als auch dem Samsung Galaxy S21 85 von 100 möglichen Punkten in der Gesamtbewertung, obwohl das leicht reparierbare und modular aufgebaute Fairphone 4 in den Unterkategorien deutlich bessere Bewertungen erreicht. Irgendwas macht Samsung beim S21 also ganz vorbildlich, was genau wird anhand des Eco Ratings allerdings nicht ersichtlich. Im enger gefassten – weil rein auf Reparierbarkeit fokussierten – Scoring von iFixit erhält das Fairphone 10 von 10 Punkten und das Samsung S21 nur 4 von 10.

Eine Erklärung, wie solche Bewertungen zustande kommen können, findet sich im PDF zur Methodik des Eco Ratings: Für den Gesamtscore werden nicht ausschließlich die Bewertungen der fünf dargestellten Unterkategorien herangezogen, sondern auch andere der von den Herstellern eingereichten Angaben. Da ist Verwirrung programmiert.

Fairphone selbst ist übrigens erst verspätet dem Eco Rating beigetreten. Zur Begründung erklärt Miquel Ballester Salvà, "Product Design Lead" bei Fairphone, Fairphone trage eine hohe soziale Verantwortung und bemühe sich, die Arbeitsbedingungen in der Produktion zu verbessern und fairer gewonnene Materialien zu verwenden: "All das wird im Scoring System des Eco Ratings leider nicht berücksichtigt." Dennoch sei das Eco Rating ein wichtiger Schritt der Industrie in die richtige Richtung hin zu einem nachhaltigeren Ansatz. "Die Bewertungssysteme können niemals alle Nuancen abbilden und vereinfachen die Realität in der Industrie", so Ballester Salvà. "Aber wir unterstützen die Idee, Nachhaltigkeit zu einem Faktor beim Smartphone-Kauf zu machen."

Katrin Meyer überzeugt das nicht. Sie pocht auf "klar definierte Produktstandards" statt auf Labels privater Unternehmen. Da das Rating eben nicht politisch vorgegeben ist, ist die Teilnahme daran freiwillig – anders als zum Beispiel die am französischen Reparaturindex. Die Folge: Während die Provider schon davon träumen, das Label weltweit zu etablieren, sind noch nicht mal alle in Deutschland vertretenen Smartphonehersteller an Bord. Apple, Google und Sony sind drei Beispiele prominenter Hersteller, die nicht am Eco Rating teilnehmen. Und auch ein Partner der ersten Stunde wie Samsung, der für das Eco Rating gar gemeinsame Sache mit der Deutschen Telekom machen will, und ein gemeinsames Smartphone mit Wechselakku angekündigt hat, hält es mit der Bewertung der eigenen Geräte nicht ganz so genau. So war das Falthandy Fold3 Ende Januar 2022 mit einem Eco Rating versehen, für das Schwestermodell Flip3 wurden wir auf den Seiten der Provider nicht fündig.

Um die Bewertungen für die Smartphones überhaupt finden zu können, mussten wir meist den Umweg über den Webshop eines Providers wählen. Allerdings fanden wir auf den Websites der Hersteller nichts bei unseren Stichproben. Eine zentrale Übersicht aller Bewertungen gibt es nirgends im Netz, bis Ende Januar 2022 auch nicht auf der Eco-Rating-Webseite. Bereits im Jahr 2021 teilte uns der Telekom-Sprecher mit, dass das Konsortium zwar an einer zentralen Lösung arbeite, derzeit aber der Fokus darauf liege, das Eco Rating für alle Netzbetreiber weltweit zugänglich zu machen.

Mit dem Eco Rating sind die Provider angetreten, ein einheitliches Label zu schaffen, das doch eher wirkt, wie ein grünes Feigenblatt und zeigt, dass es ein EU-weites, von der Politik vorgegebenes, verbindliches Rating braucht. Denn das Eco Rating schafft vor allem eins nicht: Transparenz und Verbindlichkeit. Für manche Smartphones gibt es eine Bewertung, für andere nicht. Selbst die Teilnahme eines Herstellers am Rating hat nicht zwangsläufig zur Folge, dass auch alle Geräte des Herstellers mit einem Eco Rating versehen sind – oder die Ergebnisse einfach zu finden. Online listen die Provider das Eco Rating eines Produkts meist, bei Stichproben in Ladengeschäften haben wir es nicht gefunden – genauso wenig wie auf den Seiten unabhängiger Händler.

Die Kriterien, die den jeweiligen Bewertungen zugrunde liegen, mögen sinnvoll gewählt sein, ihre Aufarbeitung und öffentliche Dokumentation ist es nicht. Dass zwei Smartphones den gleichen Score erhalten können, obwohl eines davon in den auf dem Label dargestellten Unterkategorien besser abschneidet, ist nicht nachvollziehbar.

Aus der Methodik geht aber auch hervor, dass das Eco Rating sehr weit gefasst ist und jede Menge sinnvolle Informationen über die Geräte sammelt. Viel fehlt nicht zu einem brauchbaren Rating, das eine wirkliche Hilfe bei der Kaufentscheidung wäre. Zum einen müsste das Rating die Informationen transparent aufbereiten und niederschwellig zugänglich machen, andererseits müsste es verpflichtend für alle Hersteller sein – und spätestens da ist die Politik gefragt. Tatsächlich arbeitet die EU-Kommission bereits an einem Reparierbarkeitsindex sowie an einem Energielabel für Smartphones. Die beiden Vorhaben umfassen zwar weniger Kriterien als das Eco Rating, wären aber für alle Hersteller verpflichtend, und die Bewertungen wären laut den aktuellen Entwürfen auch besser nachvollziehbar. (rbr)