Nashorn-Horn aus Pferdehaar
Die Dickhäuter sind in Afrika und anderswo stark bedroht. Dabei müsste das nicht so sein.
(Bild: Photo by Glen Carrie on Unsplash)
- Veronika Szentpetery-Kessler
Nashorn-Hörner zu kopieren ist verblĂĽffend einfach: Fritz Vollrath schichtet chemisch aufgeraute Pferdeschweifhaare eng gepackt in eine Form und gieĂźt eine Mischung aus zwei aufgelösten Naturstoffen hinzu: Seide und Zellulose. Aushärten lassen, polieren, fertig. Dieses Rezept hat der Forscher der Universität Oxford mit Kooperationspartnern der chinesischen Fudan Universität entÂwickelt.
Der Wissenschaftler hofft, damit den illegalen Abschuss der stark bedrohten Tiere zu verhindern. Das zu Pulver geraspelte Horn gilt in Asien als wirksames Potenz- und Krebsmittel. Begehrt sind auch aus dem Material geschnitzte Dolchgriffe und Kunstobjekte. EntÂsprechend lukrativ ist die Nashornjagd. Gäbe es jedoch eine billige Alternative, wĂĽrde sie den Markt ĂĽberschwemmen und dadurch die Nachfrage sättigen. Der Preisverfall könnte viele Nashörner vor dem ÂAbschlachten retten, so Vollraths Einschätzung.
Pferdehaare für diesen Trick zu nutzen ist naheliegender, als es auf den ersten Blick scheint. Die Hörner der Nashörner bestehen nicht wie Büffel- und Kuhhörner aus echtem Horn, sondern aus dicht gepackten Haaren. „Die Haarbüschel verkleben beim Wachsen mit dem Sekret aus Talgdrüsen und mit abgestorbenen Hautzellen“, erklärt Vollrath. Das simulierten die Forscher mit ihrer Rezeptur, die sie im Fachjournal „Nature“ publiziert (DOI: 10.1038/s41598-019-52527-5) haben. „Die Feinstruktur stimmt überein, das mechanische Verhalten auch und die Chemie ebenfalls“, sagt Vollrath. Zudem ist das Verfahren kostengünstig. Pferdeschweife sind leicht verfügbar, und das Seidenprotein Fibroin ist ein in der Kosmetik inzwischen vielfach eingesetzter Stoff.
An der Produktion der Nashorn-ÂHörner aus Pferdehaar ist unter anderen die Biotech-Firma Pembient aus den USA interessiert. Sie produziert kĂĽnstliches Nashorn-Horn bisher, Âindem sie die zugrunde liegende Substanz biotechnologisch produziert und anschlieĂźend per 3D-Druck in Form bringt. Laut einer Pembient-ÂUmfrage von 2015 wĂĽrden sich 45 Prozent der Befragten mit Labor-Nashorn-Horn statt dem echten zufriedengeben, aber nur 15 Prozent mit WasserbĂĽffel-Horn, dem häufigsten Ersatzmaterial.
Allerdings halten viele Experten die Marktüberschwemmungstaktik, die den Preis senken und Wilderer aus dem Markt drängen soll, für wenig wirksam und sogar kontraproduktiv. Der Überfluss könne genauso gut die Nachfrage nach echtem Horn ankurbeln und gleichzeitig sein Aufspüren in der Masse erschweren. Künstliche Diamanten hätten die Nachfrage nach echten Steinen auch nicht zum Versiegen gebracht, sondern einfach einen zweiten Markt erzeugt.
Dessen ist sich Vollrath bewusst und möchte dem Effekt mit einer Aufklärungskampagne über die ganz unmystische haarige Beschaffenheit des Horns begegnen. Die Naturschutzorganisation WildAid etwa hat 2013 mit einer ähnlichen Entmystifizierungskampagne gute Erfahrungen in China und Vietnam gemacht. Diese machte mithilfe von Prominenten darauf aufmerksam, dass Nashorn-Horn im Wesentlichen, wie Fingernägel, aus Keratin besteht – und widerlegte die sich um das Material rankenden medizinischen Mythen.
Die RĂĽcksichtnahme auf die bedrohten ÂTiere schien zu wachsen, während der Hornpreis deutlich sank. Doch eine Aktion allein reicht auf Dauer wohl nicht. Die Nachfrage verläuft dem World Wildlife Fund (WWF) zufolge zyklisch – und stieg Ende 2018 wieder an. Höchste Zeit also fĂĽr den nächsten Versuch.
(bsc)