Oculus Rift DK2 im c't-Test: besser, aber noch nicht perfekt
Die zweite Entwicklerversion der Virtual-Reality-Brille Oculus Rift ("DK2") ist in der c't-Redaktion eingetrudelt. Die Brille unterstĂĽtzt nun kamerabasiertes Positionstracking und hat ein deutlich besseres Display. Pixel sind leider immer noch zu sehen.
- Jan-Keno Janssen
- Stefan Porteck
So aufgeregt wurde schon lange kein technisches Gerät mehr in der c't-Redaktion erwartet wie die zweite Entwicklerversion der Virtual-Reality-Brille Oculus Rift. Kein Wunder – tönt es doch von allen Seiten, dass die Brille angeblich mindestens so ein Game-Changer wird wie vor sieben Jahren das iPhone. Oculus, im März für zwei Milliarden US-Dollar von Facebook übernommen, verspricht nicht weniger als ein Holo-Deck für zuhause: Einfach Brille aufsetzen und in künstliche Welten abtauchen. Das von zwei Lupenlinsen vergrößerte Display füllt das gesamte Blickfeld aus, die Kopfbewegungen werden durch Sensoren in die computergenerierte Welt übernommen.
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DK2 aufgesetzt
All das funktionierte schon bei der ersten Entwicklerversion ("Developer Kit 1", kurz "DK1") beeindruckend gut, allerdings störte hier vor allem der arg pixelige Bildeindruck und die bei schnellen Kopfbewegungen verschmierte Darstellung. Statt eines 7-Zoll-LC-Displays mit 1280 × 800 Pixeln besitzt das zweite Kit ("DK2") nun einen 5-Zoll-OLED-Bildschirm mit 1920 × 1080 Bildpunkten. Die mehr als doppelt so hohe Pixelzahl fällt sofort nach dem Aufsetzen auf, erstmals kann man auch fitzelige Schriften lesen. Obendrein sorgt das OLED für lebensechtere Farben und vor allem für ein satteres Schwarz als beim Vorgänger: Da die Hintergrundbeleuchtung wegfällt – die Pixel leuchten selbst – werden Bildpunkte bei schwarzen Bildinhalten einfach abgeschaltet.
Außerdem schalten OLEDs schneller, sodass die Darstellung bei Kopfbewegungen schärfer bleibt als beim alten LC-Display. Noch wesentlich besser wird die Darstellung im "Low Persistance"-Modus – den man bei der herstellereigenen Toskana-Demo mit der P-Taste ein- und ausschaltet. Hier leuchtet jedes Bild nicht mehr einen ganzen Frame lang, sondern mit zwei oder aber drei Milisekunden nur in einem Bruchteil der 13 Millisekunden-Frame-Rate. Dadurch sinkt zwar die wahrgenommene Helligkeit, das wird aber durch die wesentlich bessere Bewegungsschärfe klar aufgewogen. Statt mit zuvor 60 Hertz bei der ersten Entwicklerversion läuft der DK2-Bildschirm nun mit 75 Hertz.
Das neue Display hat leider auch seine Schattenseiten: Anders als bei LCDs, wo jedes Pixel sich aus exakt einem roten, grünen und blauen Subpixel zusammensetzt, steckt in der DK2 ein OLED mit Pentile-Matrix. Jeweils vier grüne Subpixel umrahmen abwechselnd je ein rotes und ein blaues Subpixel. Eine pixelgenaue 1:1-Darstellung ist damit nicht möglich, weshalb feine Linien und Strukturen nicht gestochen scharf wirken und an den Rändern leicht bunt aussehen. Außerdem nerven deutlich sichtbaren Farbsäume. Kurioserweise treten diese im Vorschaubild auf dem konventionellen Monitor noch stärker hervor als in der Brille – wir vermuten, dass die Oculus-Software versucht, die durch die Vergrößerungslinsen entstehenden chromatischen Aberrationen herauszurechnen. An komplett schwarzen Bildelementen sind uns obendrein bunte Schmiereffekte aufgefallen.
Unter Beobachtung
Die nach dem neuen Display weitere große Neuerung ist das Positionstracking. Während die DK1-Version mit ihren eingebauten Sensoren ausschließlich Drehung, Neigung, Hebung und Senkung des Kopfes erfasste, trackt die neue Rift-Brille auch die Position im Raum. Dazu muss man die mitgelieferte CMOS-Kamera so aufbauen, dass sie die im Brillengehäuse versteckten Infrarot-Leuchtdioden erfasst. Im Test klappte das problemlos auf einem in normalem Arbeitsabstand aufgestellten Monitor. Das Positionstracking erhöht das Mittendrin-Gefühl immens: Es fühlt sich einfach alles echter an – man bewegt beim Umherschauen meist den ganzen Körper etwas mit, auch wenn einem das sonst gar nicht auffällt. Sehr irritierend allerdings: Bewegt man sich aus dem Kamera-Sichtfeld heraus, setzt das Tracking abrupt aus.
Die fest mit der Vorgängerbrille verdrahtete Anschlussbox gibt es bei der DK2 nicht mehr. Stattdessen ist die Eingangselektronik fest in der Brille verbaut, eine Kabelpeitsche mit HDMI- und USB-Stecker wird über den Hinterkopf geführt. Eine weiter Verbesserung: Das für die DK1 zwingend benötigte Netzteil muss nur noch an die Steckdose, wenn man (optionales) Zubehör an die USB-Buchse der Brille anschließt. Ohne Zusatzgeräte wird die Brille über USB mit Strom versorgt. Allerdings braucht man dafür zwei freie USB-Buchsen am PC: Es muss nicht nur die Brille angeschlossen werden, sondern auch die Infrarotkamera. Obendrein müssen Brille und Kamera mit einem Klinkenkabel verbunden werden (was im Test-Video versäumt wurde).
Kein Koffer mehr, Software noch rar
Gespart hat Oculus beim Zubehör. Besonders schade: Der schicke schwarze Kunststoffkoffer der DK1 wurde durch einen schnöden Pappkarton ersetzt. Außerdem gibt es keine drei Vergrößerungslinsen-Paare mehr (für Normal-, Kurz- und Weitsichtige), sondern nur noch zwei (für Normal- und Kurzsichtige). Während die DK1-Kurzsichtigen-Linsen auch für Kurzsichtige mit mehr als -3 Dioptrien funktionierten, gleichen die DK2-Linsen nur eine geringe Kurzsichtigkeit aus. Allerdings lässt sich das neue Entwicklermodell leichter mit einer Korrekturbrille nutzen – richtig Spaß macht das aber immer noch nicht, für längere Sessions empfehlen wir Kontaktlinsen.
Gut gelungen ist das neue Runtime-Modul: Es sorgt dafür, dass das Display der Brille erst eingeschaltet wird, sobald man ein Programm mit Oculus-Unterstützung startet. Auf dem primären Monitor poppt dann ein Fenster mit der Oculus-Videoausgabe auf. Die DK1-Brille meldete sich noch am System als schnödes Display an – so musste man ständig an den Bildschirmeinstellungen herumfummeln.
Das Softwareangebot für die DK2 ist zurzeit noch sehr überschaubar: Außer der herstellereigenen Toskana-Demo und der im Einstellungs-Tool eingebauten Schreibtisch-Szene haben wir bislang nur zwei Demos von unabhängigen Entwicklern zum Laufen bekommen: "RedOfPaw’s Big Crazy Stupid VR Adventure and American Pie" und "My Neighbor Totoro". Obwohl das Runtime-Modul einen "DK1 Legacy"-Modus anbietet, lief bei uns kein einziges für den Vorgänger entwickeltes Programm.
Wir gehen allerdings davon aus, dass sich diese Situation schnell ändert: Sobald bei mehr Entwicklern die DK2-Brille eintrudelt, wird es auch mehr angepasste Software geben. Laut Oculus VR lassen sich die Softwareprojekte leicht ans neue SDK mit Positionstracking-Unterstützung anpassen. Die Oculus-Fansite "The Rift Arcade" unterhält eine ständig aktualisierte Liste mit DK2-Software.
Ein erstes Fazit
Ganz klar: Die Oculus Rift DK2 bietet ein deutlich besseres Mittendrin-Gefühl als der Vorgänger – das schärfere und schnellere Display sowie das realistische Positionstracking machen sich sofort nach dem Aufsetzen bemerkbar. Wir haben den Eindruck, dass sich beides auch positiv auf den Magen auswirkt: Bei der alten Version wurde den meisten c't-Testern häufig übel – zumindest bei einigen Spielen. Ein zuverlässiger Auslöser der Simulatorkrankheit war mit der alten Version das Hoch- und Runterlaufen einer Treppe in der Toskana-Demo. Mit der DK2 fühlte sich das Treppensteigen angenehmer an. Für eine zuverlässigere Einschätzung des Übelkeitsfaktors müssen wir aber noch mehr experimentieren.
Trotz der vielen Verbesserunge hat uns die Bildqualität etwas enttäuscht, vor allem nervten Farbsäume und andere Artefakte. Einige Probleme lassen sich womöglich durch Software-Updates in den Griff bekommen, die immer noch deutlich sichtbaren Pixel aber ganz sicher nicht. Für komplett unsichtbare Bildpunkte braucht man vermutlich (mindestens) ein 4K-Display. Vielleicht hat die Consumer-Version ja eins eingebaut – allerdings kommt die wohl nicht vor 2015 in den Handel. Wer schon jetzt mit Virtual Reality herumspielen will und sich nicht am noch mauen Software-Angebot stört, kann getrost zugreifen; Oculus VR verschickt die DK2 auch an Nicht-Entwickler. Die Brille kostet inklusive Zoll und Versand nach Deutschland 480 US-Dollar, also rund 360 Euro – vergleichsweise wenig für das zurzeit überzeugendste Virtual-Reality-Gerät. (jkj)