Mit Lern-App samt KI mehr Menschen für den Pflegeberuf begeistern
Darüber, wie Pflegeschüler auch über eine Lernplattform geschult werden sollen, haben wir mit der Leiterin einer Pflegeschule in Berlin gesprochen.
Die Pflegeschule an der Medizinischen Akademie am Unfallkrankenhaus Berlin nutzt für die Ausbildung seit Oktober die Lernplattform von Simpleclub und versucht damit, den Lernanforderungen, Lernbedingungen und den Erwartungen der Auszubildenden gerecht zu werden.
Bis 2027 sollen bis zu 225 Auszubildende mithilfe der App einen Abschluss erhalten. Laut Simpleclub werden die Berufsschüler entlang ihres "Stärken-Schwäche-Profils durch personalisierte Lernpfade gefördert". Bereits mehr als 500 Unternehmen wie die Deutsche Bahn, Vodafone, Bosch, Brillux und die IHK nutzen das Angebot für die Ausbildung von Berufsschülern. Zum Einsatz kommt dabei auch ein KI-Tutor.
Über erste Erfahrungen mit der Plattform in einer Pflegeschule haben wir mit Anke Jakobs gesprochen, der Leiterin der neuen Pflegeschule an der Medizinischen Akademie am BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin (Ukb).
Was waren Ihre Bedürfnisse an die Software?
Mit der Eröffnung einer neuen Pflegeschule an der Medizinischen Akademie am Ukb war es uns wichtig, die heutige Generation mitzunehmen, die sich unter anderem Wissen durch digitale Medien aneignet. Wir wollten unseren Auszubildenden den digitalen Zugang so niedrigschwellig wie möglich gestalten und Wissen über Filme, Animationen und Gamification vermitteln. Als wir im Aufbau der Schule waren, haben wir uns mit möglichen Anbietern auseinandergesetzt. Das Angebot von Simpleclub ist im theoretischen Unterricht sehr niedrigschwellig einsetzbar. Die Auszubildenden können damit auch zu Hause oder an anderen Orten Lerninhalte wiederholen und vertiefen.
Wie ist das bisherige Feedback zur App?
Die Lernenden haben rasch Zugang zur Lernplattform gefunden und erarbeiten sich mit hoher Motivation die Lernthemen. Die Nutzung von Simpleclub im Unterrichtsgeschehen trägt zudem dazu bei, dass Lehrende und Lernende mit Freude die Lerninhalte diskutieren. Auszubildende können sich durch die verschiedenen Formate der Lern-App und der eingebauten KI die geforderten Informationen sehr gut herleiten und vertiefen.
Können Sie ein Beispiel nennen, wie eine Lerneinheit ungefähr aussieht?
Bei einer Lerneinheit wird vermittelt, wie Menschen bei den alltäglichen Tätigkeiten im Leben begleitet und unterstützt werden können, wenn die eigene Autonomie eingeschränkt ist. Zum Beispiel bei Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit kann die Mobilisation und Positionierung besprochen und mit Animationen die einzelnen Handlungsschritte visualisiert werden.
Zum Beispiel beim Thema Bewegungseinschränkung – ein Mensch hat sich ein Bein gebrochen – werden zunächst die Grundlagen der menschlichen Anatomie und Physiologie thematisiert. Ferner werden Begleiterscheinungen wie Schmerz oder Ängste im Umgang mit Gehhilfen angesprochen. Dies ist dann in Simpleclub sprachlich, aber auch mit Bildern und Filmen visualisiert. Die Auszubildenden können für die Fachinhalte dann die KI nutzen und diese um Erklärungen bitten. Gamification ist ein weiterer Aspekt. Über Spiele lassen sich beispielsweise Wissenslücken ermitteln. Grundsätzlich sind die Lerninhalte kurzgehalten, aber immer mit einem Hinweis auf die jeweilige Fachliteratur.
Wie sind die Lerneinheiten entstanden?
Wir haben mit Simpleclub alle Lerninhalte besprochen und diskutiert. Dann wurden drei imaginäre Auszubildende entwickelt, die die Auszubildenden drei Jahre lang begleiten. In den verschiedenen Settings sind diese dann auch als Pflegeazubis unterwegs. Als gelernte Kinderkrankenschwester habe ich mich beispielsweise aktiv an der Konzeption der Inhalte für die jüngeren Pflegebedürftigen beteiligt.
Mir ist zudem der Pflegeprofessionsansatz mit der Abbildung des pflegerischen Vorbehaltes sehr wichtig, sodass die Lerneinheiten mit Falldarstellungen und Pflegediagnosen untermauert sind. Die Auszubildenden werden somit kontinuierlich mit der Planung und Steuerung des Pflegeprozesses, neben dem Erlernen von pflegerischen und medizinischen Handlungen, konfrontiert.
Hilfreich ist zudem, die anatomischen Strukturen von Organen digital abzubilden. Auf diese Weise erhalten die Auszubildenden eine deutlich bessere Vorstellung davon, wie zum Beispiel ein Herz arbeitet.
Also haben Sie auch Hoffnung, damit mehr Menschen für den Pflegeberuf begeistern zu können?
Ja, das ist der Zahn der Zeit. Auszubildende kann man auf diese Weise sicherlich begeistern. Wir möchten auch vermitteln, dass der Pflegeberuf nicht nur eine Summe von Tätigkeiten ist, sondern dass ihn auch eine Beziehung zu den Patienten- oder Bewohnern ausmacht.
Welche Hürden haben sich während des Prozesses ergeben?
Einerseits ist der Rahmenlehrplan sehr allgemein gehalten. Andererseits sind die gesetzlich geforderten Kompetenzen abzubilden. Dies bewirkt eine Verzahnung der Inhalte des Rahmenlehrplans mit den Bedürfnissen des Ukb sowie der pädagogischen Ziele unserer Pflegeschule. Die nächste Hürde war die Fachsprache – wir haben uns den Anspruch gestellt, die Pflegefachsprache abzubilden. Bei Simpleclub wurde dafür eine Pflegepädagogin eingestellt.
Dann haben sich die Lehrenden regelmäßig getroffen und Prioritäten gesetzt, denn der Pflegeprozess ist in der Pflegeausbildung das Nonplusultra. Wir haben da auch mit Pflegediagnosen gearbeitet und Fachliteratur hinterlegt und geklärt, welche anatomischen Abbildungen wir benötigen, ob diese beispielsweise in Deutsch oder Latein vorkommen.
Wir nutzen aber auch weitere Tools, beispielsweise eine digitale Bibliothek, die allen Mitarbeitern zur Verfügung steht. Digitale Tools sind eine wichtige Ergänzung für den Unterricht. Digitalkompetenz muss auf jeden Fall auch im Pflegeberuf verankert werden. Das ist auch eine Teilkompetenz in unserem Pflegeberufegesetz. Wir wissen zwar, dass viele Jugendliche ein Smartphone haben, aber das heißt noch lange nicht, dass sie digital kompetent damit lernen können. Mit dem KI-Tool wird zudem das Denken, kritisches Hinterfragen und Reflektion trainiert.
(mack)