Pläne für eine gigantische Solaranlage in Kalifornien

In Kalifornien soll ein Solar-Kraftwerk mit 500 Megawatt Leistung entstehen.

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Von
  • Tim Gnatek
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Die in den USA immer häufiger vorkommende Stromknappheit motiviert die dortigen Energiekonzerne, die Verwendung alternativer Energien voranzutreiben. Auch die Regierenden ziehen mit: Bereits 20 US- Bundesstaaten haben Standards für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen verabschiedet, darunter Colorado, Massachusetts, New Jersey und New Mexiko.

Auch der ständig steigende Ölpreis sorgt dafür, dass die Energieversorger nach alternativen Energiequellen suchen. Der Trend ist besonders in Kalifornien sichtbar -- in dem äußerst energiehungrigen Bundesstaat kommen so genannte "Rolling Blackouts", also zeitweise Stromabschaltungen ganzer Gebiete, noch immer vor. Da ist es kein Wunder, dass gerade Kalifornien an der Umsetzung des größten Solar-Energie-Projektes aller Zeiten arbeiten. Der lokale Energieversorger Southern California Edison (SCE) plant zusammen mit dem Solar-Spezialisten Stirling Energy Systems aus Phoenix eine gigantische Solarstromanlage. SCE besitzt aktuell 13 Millionen Kunden.

Schon jetzt ist der kalifornische Energieversorger der größte Einkäufer von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in den USA. Mehr als 2500 Megawatt der Energie, die an die Kunden gehen, stammen entweder aus Wind-, Erdwärme-, Solar-, Biomasse- oder Wasser-Kraftwerken. Das sind rund 18 Prozent der Gesamtenergiemenge.

SCE will nun mehr als 500 Megawatt Solar-Strom von Stirling Energy Systems einkaufen -- das reicht für 278.000 Haushalte und wäre mehr, als alle bisherigen US-Solar-Projekte zusammengenommen produzieren. Obwohl keine finanziellen Einzelheiten des Deals bekannt wurden, betont SCE, dass die neue Anlage keine Beihilfen der kalifornischen Regierung benötige.

Der Aufbau der Anlage beginnt zunächst mit einem Pilotprojekt. Ein Proof-of-Concept-System mit 40 so genannten Solarschüsseln soll rund ein Megawatt Energie produzieren. Dieser Testlauf wird in den nächsten 18 Monaten durchgeführt. Ist das Ergebnis positiv, will Stirling Energy Systems in den nächsten vier Jahren ein Netz aus 20.000 Solarschüsseln aufbauen, die eine Fläche von mehr als 1800 Hektar abdecken werden. Das Gebiet ist vier Mal so groß wie die Fläche der berühmten National Mall in Washington. Die Anlage soll im Wüstengebiet nordöstlich von Los Angeles aufgebaut werden.

"Aus unserer Perspektive kann Stirling bereits auf Laborniveau beweisen, dass die Anlage möglich ist", sagt SCE-Sprecher Gil Alexander. "Das könnte ein Wendepunkt für die Solarenergie in den USA werden."

Die Technik, die Stirling einsetzt, wurde Mitte der Achtzigerjahre vom Luftfahrtkonzern McDonnell-Douglas entwickelt. Statt auf Photovoltaik-Panels setzt man dabei auf Motoren, die durch die von der Sonne abgegebene Energie angetrieben werden. Jede der Solarschüsseln ist verspiegelt und rund mit einem Durchmesser von gut 11 Metern. Die Sonne wird über die Schüsseln reflektiert und auf den Stirling-Motor fokussiert. Dessen eigentlich Technik ist reichlich alt: Sie wurde bereits 1816 von dem Schotten Robert Stirling entwickelt und arbeitet mit Hilfe eines Gases im geschlossenen Kreislauf, das abwechselnd erhitzt und abgekühlt wird. Das SCE- Projekt wäre das erste seiner Art, bei dem diese Technik auf Kraftwerksniveau zum Einsatz kommt.

Stirling-Motoren sind leise, langlebig und geben fast keine Emissionen ab. Sie werden beispielsweise zur Kühlung verwendet, finden sich sogar in U-Booten. Im Brennpunkt des Spiegels können die Temperaturen auf bis zu 720 Grad Celsius ansteigen. Das im Motor enthaltene Wasserstoffgas dehnt sich darauf hin aus, was den Kolben eines elektrischen Generators bewegt.

Stirling Energy Systems betreibt bereits seit Januar ein System mit sechs Schüsseln auf dem Testgelände der Sandia National Laboratories in New Mexico. Dort zeigte die Firma, dass man aus einer Jahrhunderte alten Technologie eine effiziente Form der Energiegewinnung entwickeln kann. Dabei kommen modernste Materialien zum Einsatz. Außerdem wird eine Software verwendet, die den Lauf der Sonne verfolgt und Bewölkung und Wind einberechnet. Die sechs Solarschüsseln in New Mexico reichen aus, um sechs Häuser mit Strom zu versorgen. Praktischerweise ist der Stromausstoß genau dann am höchsten, wenn der Bedarf auch am höchsten ist: Zur heißesten Tageszeit, zu der die Amerikaner gerne ihre Klimaanlagen aufdrehen. "Unsere Systeme erreichten eine Maximaleffizienz von 29,4 Prozent. Das ist bei der Umwandlung von Solarenergie zu Starkstrom ein neuer Rekord", sagt Stirling-CEO Bruce Osborn.

Auch neutrale Beobachter sehen in der Stirling-Technik einen guten Ansatz. "Das System ist enorm effizient", meint Frank Wilkins, Teamleiter im Bereich Sonnenenergie/Thermische Energie in der Abteilung für erneuerbare Energien des US-Energieministeriums. "Die Technik ist modular und braucht nur wenig Wasser, was beim Aufbau in Wüstengegenden kritisch ist. Ich halte sie für das beste Solar- Energie-System, das man derzeit bekommen kann." Stirling Energy Systems könne von dem Projekt nur profitieren und im Energiemarkt insgesamt wettbewerbsfähiger werden.

Trotz seiner optimistischen Grundhaltung fragt sich Ministeriumsmann Wilkins aber trotzdem, ob sich die Technik auch auf Kraftwerksgröße anwenden lässt. "Systeme mit 40 Schüsseln sind noch nie gebaut werden, viele der Bauteile mussten bislang noch nicht auf ein solches Ausmaß skaliert werden." Bislang könne noch niemand sagen, wie teuer der Betrieb und die Instandhaltung einer solchen Anlage werde. Und dann wären da auch noch die Kosten der Technik selbst.

"Die sind auch bei anderen thermischen Solar-Systemen ein Problem." Die Preise müssten noch deutlich herunter -- entweder durch günstigere, neue Technologien oder durch einen Einstieg in die Massenproduktion.

Stirling Energy Systems will seine Investitionen durch die hohe produzierte Strommenge wieder hereinholen. Auch sollen die Kosten durch die Massenproduktion der Schüsseln sinken. Die Prototypen im Sandia-Labor kosteten 150.000 Dollar pro Stück -- in der Wüste in der Nähe von Los Angeles wird mit weniger als 50.000 Dollar gerechnet.

Obwohl es sich bei dem Projekt um eine umweltfreundliche Form der Energieerzeugung handelt, wird das Stirling-Projekt dennoch seine Spuren hinterlassen -- 1500 Hektar der Mojave-Wüste würden belegt. Daniel Patterson, ein Wüstenökologe am Center for Biological Diversity, will daher sicherstellen, dass bei der Planung auch mögliche Gefahren für die Wildtierpopulation berücksichtigt werden. In Teilen des Mojave-Gebietes leben bedrohte Tierarten wie die Wüstenschildkröte, deren Lebensraum bereits jetzt durch Bergbau, die Entwicklung ehemaliger Wüstenflächen oder die Tierzucht bedroht ist. "Wir sind sehr dafür, wenn die Verwendung fossiler Brennstoffe eingedämmt wird. Solche Projekte müssen aber trotzdem am richtigen Ort entstehen", sagt Patterson.

Stirling-CEO Osborn betont, dass man auf solche Bedenken eingehen werde. "Wir planen die Nutzung von Flächen, die sowohl von Privatleuten als auch von der US-Regierung kommen. Vor dem Bau der Anlage wird es Umweltuntersuchungen geben, die sicherstellen, dass das Projekt gut für Flora und Fauna ist."

Osborn sagt außerdem, dass sein Solar-System wesentlich umweltfreundlicher sei, als andere Energieproduktionsmethoden. "Wir benötigen weniger Fläche als andere Solarsysteme und auch der Boden muss kaum bearbeitet werden. Außerdem werden keine giftigen Chemikalien verwendet, und der Wasserverbrauch ist minimal. Die Spiegel werden einmal im Monat gewaschen und das wars. Aus unserer Sicht sind wir enorm umweltfreundlich."

Im April trafen sich die wichtigsten Forscher im Bereich Solarstrom auf Einladung des US-Energieministeriums, um den aktuellen Stand der Technik zu debattieren. Im Schlussdokument ist zu lesen, dass der Solarbereich zwar weiter wachse, er aber fossilen Brennstoffen noch keine Konkurrenz machen könne. Man warte noch auf einen technischen Durchbruch auf mehreren Gebieten.

"Bis 2050 müssen wir die weltweite Energieproduktion verdoppeln", sagt Dr. George Crabtree vom Argonne National Laboratory in Illinois, der dort den Bereich Materialwissenschaften leitet und einer der Vorsitzenden des Solartreffens des US-Energieministeriums war. Auf lange Sicht benötige die Gesellschaft unbedingt Alternativen zu fossilen Brennstoffen.

Solarenergie sei die viel versprechendste neue Quelle, und das allein wegen der gigantischen Energiemenge, meint Crabtree: In einer Stunde bekommt die Erde mehr Sonnenenergie ab, als auf dem Planeten in einem Jahr verbraucht wird. Trotzdem wird sie kaum verwendet: Höchstens ein Millionstel der elektrischen Energie stamme aus dem Solarbereich, so Crabtree: "Wenn wir in 50 Jahren Solarenergie haben wollen, müssen wir jetzt damit anfangen, in die Technik zu investieren. Sie muss noch deutlich besser werden. Forscher und Techniker müssen noch viel lernen."

Crabtree will selbst nichts dazu sagen, um wie viel die US-Regierung die aktuelle Solar-Förderung erhöhen müsste. Allerdings sei sie heutzutage keineswegs ausreichend. Derzeit wird die Forschung mit rund zehn Millionen Dollar gefördert. Industrieexperten fordern mindestens 30 Millionen Dollar pro Jahr. Argonne-Forscher Crabtree hält die Stirling-Anlage zwar nicht unbedingt für grundsätzlich revolutionär, freut sich aber darüber, dass die Industrie die Solar-Technik nun annehme. "Es ist bereits ein kultureller Fortschritt, wenn man die Systeme endlich aufbaut und zum Laufen bringt", meinte er.

Von Tim Gnatek; Übersetzung: Ben Schwan. (wst)