Post aus Japan: Das Land der schwimmenden Kraftwerke

Nippon hat wenig Platz. Sonnen- und Windkraftwerke werden daher immer stärker aufs Wasser vertrieben. Mit neuen Entwicklungen sollen nun die Seen und Küsten effizienter zur Stromproduktion genutzt werden.

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Post aus Japan: Das Land der schwimmenden Kraftwerke

(Bild: Nedo)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Ausreichende Niederschläge, vergleichsweise angenehmes Klima, bewaldete Berge, viele heißen Quellen dank über 100 Vulkanen, wunderbare Küche – Japan ist mit vielen natürlichen und kulturellen Annehmlichkeiten gesegnet. Platz, windige Ebenen und seichte Küstengewässer gehören nicht dazu. Und das ist ein Problem, wenn es um den massiven Ausbau von Sonnen- und Windkraftwerken geht.

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Große Solar- und Windkraftanlagen müssen mit Wohnraum und Landwirtschaft um die wenigen Flächen konkurrieren, die die steilen Berge für menschliche Nutzung übriglassen. Doch auch Windmühlen vor der Küste sind schwieriger umzusetzen als in der seichten deutschen Nordsee. Denn in Japan fällt der Seeboden von der Küste meist steil ab. Daher lassen sich Windmühlen in den meisten interessanten, weil windigen Regionen anders als in Europa nicht in den Seeboden pflanzen.

Doch Japan hat aus der Not eine Tugend gemacht. Die Erzeugung erneuerbarer Energie weicht auf die Oberflächen von Seen und Meeren aus. Bisher führte das Land bei der Umsetzung schwimmender Sonnenkraftwerke knapp vor Indien und schon deutlicher vor den USA. Und auch bei schwimmenden Windkraftwerken gehört Nippon zu den Motoren der Innovation. Dies machen die neuesten Entwicklungen dieses Jahres wieder einmal deutlich.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Im März beispielsweise nahm der Technikkonzern Kyocera das größte schwimmende Sonnenkraftwerk in Betrieb. 18 Hektar des Yamakura-Stausees werden von 50 904 Solarmodulen des Konzerns bedeckt, die geschätzt pro Jahr 16.170 Megawattstunden Strom liefern sollen. Und dies ist nicht das erste schwimmende Kraftwerk von Kyocera, sondern bereits Nummer sieben.

Das Bauunternehmen Sumitomo Mitsui Construction hat wiederum seine unter den Namen Pukatto verkauften Pontons vergrößert. Sie können nun 72 statt 60 Solarzellen tragen. Damit wollen die Japaner die wachsende Nachfrage nach schwimmenden Solarkraftwerken in Asien befriedigen, die lieber größere Module installieren.

Ein Grund für die Beliebtheit schwimmender Kraftwerke ist, dass die Gemeinden nun mit ihren ökonomisch bisher brachliegenden Wasseroberflächen auf einmal Geld machen können. Gleichzeitig spenden die Solarmodule dem See Schatten und bremsen damit das Algenwachstum. Auch die Stromproduzenten sind happy. Denn das verdunstende Wasser kühlt die Solaranlagen und erhöht damit ihre Effizienz. Je heißer die Zellen werden, desto weniger Strom erzeugen sie generell.

Den Wind brachten diesen Monat Japans staatliche New Energy and Industrial Technology Development Organization (Nedo) und ein Unternehmenskonsortium zurück ins Gespräch. Die Partner meldeten, dass sie Japans erste schwimmende Windkraftanlage mit einem sogenannten "barge-type floating body" fertiggestellt haben. Bei dem Trägerwerk handelt es sich um einen rechteckigen Schwimmkörper mit 51 Meter Kantenlänge und zehn Meter Höhe, auf den die eigentlich Windmühle befestigt wird.

Das Novum des Schwimmers ist, besonders flach zu sein. Bisher erforderten Anlagen dieses Typs laut der Nedo eine Wassertiefe von 100 Metern. Für das neue 3100 Tonnen schwere Modell reichen 50 Meter aus. Damit ist das Floß nicht nur für mehr Regionen geeignet. Die Anlagen können auch näher am Land vor Anker gehen, wodurch die Kosten Betriebskosten durch beispielsweise kürzere Kabel und leichtere Wartung beträchtlich sinken. Nedo will die Anlage nun bis 2021 vor der südjapanischen Stadt Kitakyushu testen.

Die Forscher haben sich die Aufgabe gestellt, die effizienteste, verlässlichste und preiswerteste Form für eine massive Verbreitung von schwimmenden Windkraftanlagen zu finden. Vor der Küste der Präfektur Fukushima, die 2011 durch eine Atomkatastrophe weltweit bekannt wurde, werden schon seit Jahren drei Anlagen getestet. Sie sollen die Keimzelle für das größte schwimmende Kraftwerk der Welt werden. Allerdings enttäuscht ihre Stromproduktion noch. Nur eine der drei Windräder war in den ersten fünf Monaten dieses Jahres voll einsatzfähig und produzierte zwischen 31 und 42 Prozent der Zeit Strom. Die mittlere wurde durch Reparaturen und dann Fehlern in der Kontrolle schon arg gebremst. Die größte 7-MW-Anlage stand hingegen meist wegen Meldungen und dann Wartungsarbeiten still.

Japanische Medien berichten, dass der vermeintliche Stolz des kleinen Windparks erst einmal für sechs Stunden volle Leistung gebracht hat. Und das war bei einem Sicherheitstest. Doch davon lassen sie die Initiatoren ihren Zeitplan bisher nicht verderben. Die Tests sollen noch bis März 2019 weiterlaufen. Dann will das Ministerium für Handel, Wirtschaft und Industrie die Daten auswerten und die Größe des Windparks entscheiden. Bisher ist geplant, Fukushima bis 2030 für die Schäden durch den Atomunfall im Atomkraftwerk Fukushima 1 mit einer schwimmenden Zwei-Gigawatt-Anlage zu entschädigen. Bei der derzeitigen Nutzung sollte das Ministerium vielleicht ein paar schwimmende Mühlen mehr einplanen.

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