Post mortem
Erste Anbieter stellen technische Lösungen für den Zugriff auf E-Mails und ccounts sozialer Netzwerke im Todesfall bereit. Gerade Unternehmen müssen für solche Fälle frühzeitig entsprechende Vereinbarungen mit ihren Mitarbeitern treffen.
- Tobias Haar
Was passiert mit E-Mail-Konten oder Konten auf sozialen Netzwerken nach dem Tod des jeweiligen Inhabers? Wem gehört die Webseite einer verstorbenen Person? Unter welchen Voraussetzungen müssen Provider Angehörigen und Erben Zugang gewähren? Was passiert in diesen Fällen bei einer privaten Mitnutzung eines geschäftlichen Accounts? Auf diese Fragen gibt es erste Antworten. Vieles ist aber noch unklar oder unpraktikabel. Yahoo, Google und andere Provider scheuen den Kosten- und Zeitaufwand einer Prüfung von Erbscheinen nach dem Ableben ihrer Nutzer. Dies dürfte der Anlass für Google gewesen sein, eine Art „Online-Testament“ unter der Bezeichnung „Inactive Account Manager“ anzukündigen und einzuführen.
Im Falle des Todes eines Menschen gilt nach deutschem Recht der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge, auch Universalsukzession genannt. Das bedeutet, dass der oder die Erben in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen eintreten. Wer Erbe ist, bestimmt ein Testament. Liegt keines vor, entscheidet die gesetzlich geregelte Erbfolge. Danach erben zunächst die eigenen Kinder und der Ehegatte. Sind solche nicht vorhanden, erben die eigenen Eltern als Erben zweiter Ordnung; anschließend geht es bei den Verwandtschaftsbeziehungen über die Großeltern weiter et cetera.
Ist nur ein Erbe vorhanden, kann er sich einen Erbschein ausstellen lassen und beispielsweise gegenĂĽber E-Mail-Anbietern oder Webseiten-Hostern Zugang zu den Accounts des Verstorbenen verlangen. Der Erbschein legitimiert den Erben als Berechtigten fĂĽr den Zugriff auf diese Accounts. Schwieriger wird es, wenn mehrere Erben eine Erbengemeinschaft bilden und sich die Erben untereinander nicht einig darĂĽber sind, wie sie mit diesen Themen umgehen sollen.
Regelt ein Testament, wer nach dem Ableben für den oder die E-Mail-Accounts zuständig sein soll, ist alles klar. Ist das nicht der Fall, können jahrelange juristische Auseinandersetzungen oder gar Gerichtsverfahren drohen. Für eilige Angelegenheiten gibt es das Notverwaltungsrecht. Müssen dringend geschäftliche E-Mails eines verstorbenen Unternehmers abgerufen oder das Impressum einer Webseite angepasst werden, kann dies zur Not ein einzelner Miterbe durchsetzen, auch wenn sich nicht alle Erben einig darüber sind. Im Zweifel entscheiden die Gerichte.
Persönlichkeitsrecht nur schwer zu berücksichtigen
In Bezug auf E-Mails diskutieren Juristen darüber, ob manche dieser Nachrichten nicht den Erben, sondern den nächsten Angehörigen zustehen sollen, wenn diese nicht auch gleichzeitig Erben sind. Das soll bei E-Mails der Fall sein, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht betreffen, etwa Liebes-E-Mails oder andere rein private E-Mails. Die Abgrenzung ist im Einzelfall sehr schwierig. Auch handelt es sich hier um eine eher theoretische Frage, denn wer kann in der Praxis eine solche Prüfung durchführen? Mit Sicherheit nicht der E-Mail-Provider, denn der darf vom Inhalt elektronischer Kommunikation aufgrund des Fernmeldegeheimnisses ohnehin keine Kenntnis nehmen. Bei rein geschäftlichen E-Mails stellt sich diese Frage nicht.
Beim Zugriff auf Daten, E-Mails und dergleichen ist zusätzlich zu unterscheiden, wo sie gespeichert sind. Einfach ist der Fall, dass sie sich auf der Festplatte des Verstorbenen befinden. Der oder die Erben werden hieran ebenso Eigentümer wie an anderen Datenträgern des Verstorbenen und können die Daten nutzen, vorausgesetzt, sie kennen die Passwörter oder können die Medien entsperren lassen.
Sind E-Mails noch „unterwegs“, also auf Servern des ISP abgelegt, muss sich der Erbe zunächst gegenüber dem Provider durch einen Erbschein als Berechtigter ausweisen, wenn er nicht über die erforderlichen Zugangsdaten und Passwörter verfügt. Je nach Anbieter kann das einen mehr oder weniger aufwendigen Prozess bedeuten und entsprechend viel Zeit in Anspruch nehmen. Erfahrung mit solchen Fällen dürften aber mittlerweile alle Provider haben.
Mit Erbschein in die Cloud
Für Daten „in der Cloud“ oder bei Hosting- oder sonstigen Anbietern gilt nichts anderes. Auch hier muss sich der Erbe an den Provider wenden und sich mittels Erbschein legitimieren, wenn er die Zugangsdaten nicht hat.
Gleiches gilt für Domains. Der Erbe des Domain-Inhabers tritt in den Vertrag mit dem Domain-Hoster sowie gegebenenfalls mit der DENIC und anderen Registrierungsstellen ein. Er kann dann als „Eigentümer“ der Domain über sie verfügen. Nach den Nutzungsbedingungen der DENIC kann der Vertrag jederzeit gekündigt werden. Bei Verträgen mit Providern wie United Internet & Co. kann eine Kündigung nur nach den dort geltenden Bestimmungen erfolgen, ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht im Todesfall gibt es nicht. Der Erbe sollte überdies an die unverzügliche Änderung der Angaben zum Admin-C, Tech-C oder Zone-C denken, wenn dieser verstorben ist. Diese Daten müssen nach den Bedingungen der Registrierungsstellen in der Regel stets aktuell sein.
Für Webseiten und deren Inhalte gilt im Grundsatz nichts anderes. Das Urheberrecht an geschützten Inhalten einer Webseite geht auf den oder die Erben über, die die Webseiten ändern und nutzen können. Wichtig ist bei geschäftlichen Webseiten eines verstorbenen Unternehmers, das Impressum unverzüglich zu berichtigen. Dies sollte innerhalb von sechs Wochen nach dem Todesfall erfolgen. Das ist die Frist, binnen derer jemand ein Erbe ausschlagen kann. Danach soll nach dem Willen des Gesetzgebers Klarheit über die Erbfolge, also den oder die Nachfolger, bestehen.
Spezielle WĂĽnsche per Testament regeln
Von nahezu allen der genannten Grundsätze kann man durch ein entsprechend gestaltetes Testament abweichen. Es kann den Zugriff auf bestimmte E-Mails durch andere Personen als den Erben gestatten und vieles mehr. Idealerweise teilt man darin auch gleich die Zugangsdaten und Passwörter mit, um es dem Erben zu erleichtern, schnell und unkompliziert auf Daten zugreifen und diese gegebenenfalls weiterverarbeiten oder verändern zu können. Ändert der Nutzer seine Passwörter häufig, sollte er sich ein System zur Aktualisierung der hinterlegten Daten überlegen.
Mit Google hat einer der ersten Anbieter eine eher technische Möglichkeit geschaffen, die den Zugriff auf Daten durch Erben oder andere Berechtigte ermöglichen soll. Das Unternehmen aus Mountain View nennt diese Funktion „Inactive Account Manager“. Sie ermöglicht durch Voreinstellungen, bei längerer Inaktivität – also nicht unbedingt nur auf den Todesfall bezogen – bestimmten dritten Personen Zugriff zu gewähren. Des Weiteren kann man vorgeben, dass der Account bei Inaktivität mit sämtlichen Inhalten gelöscht werden soll. Diese Funktion bezeichnen einige auch als „Online-Testament“.
Präzise Vereinbarungen erleichtern Zugriff
Problematisch sind die Fälle, in denen ein Mitarbeiter zur privaten Mitnutzung seines geschäftlichen E-Mail-Accounts berechtigt ist. Idealerweise gibt es in solchen Unternehmen eine Absprache mit den Mitarbeitern oder eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat. Darin sollte geregelt sein, wer unter welchen Umständen auf den E-Mail-Account des Mitarbeiters zugreifen darf, wenn dieser unpässlich ist. Solche Regelungen sollten neben dem Tod auch Fälle längerer Krankheit und Urlaubsabwesenheiten erfassen.
Fehlen derartige Vereinbarungen, entsteht für den Arbeitgeber unter Umständen eine perfide Situation. Da die private Mailnutzung gestattet war, unterliegen die auf dem E-Mail-Server liegenden E-Mails dem Fernmeldegeheimnis. Das gilt aber nicht für die geschäftlichen E-Mails, jedenfalls in den meisten Fällen. Da der Arbeitgeber die privaten Mails nicht abrufen und zur Kenntnis nehmen darf, sind viele Juristen davon überzeugt, dass er in einem solchen Fall überhaupt keinen Zugriff auf den Mail-Account nehmen darf, bevor er sich nicht mit etwaigen Erben oder bei schwerer Krankheit mit den Betreuungspersonen hierüber verständigt hat. Bis das erfolgt und eine Einigung erzielt ist, kann es dauern. Gerade, wenn es sich um wichtige und eilige Geschäfts-E-Mails handelt, ein möglicherweise unhaltbarer Zustand. Und was, wenn sich Erben oder Betreuer dem Zugriff auf den Mail-Account entgegenstellen?
Ist die private Mitnutzung der betrieblichen Kommunikationsmittel erlaubt, führt kein Weg an Regelungen für derartige Fälle vorbei. Ein Arbeitgeber könnte im Rahmen der juristischen Spielregeln ein Verbot der privaten Mailnutzung erlassen, wenn nicht für Spezialfälle, beispielsweise den Todesfall, mit dem Mitarbeiter Regelungen zum Zugriff auf den Account vereinbart werden. Um die Rechte des Betroffenen weitgehend zu schützen, sollte eine Vereinbarung den Prozess des Datenzugriffs möglichst präzise beschreiben.
Denkbar wäre etwa, dass beim Zugriff ein fachkundiger Mitarbeiter der IT-Abteilung, der betriebliche Datenschutzbeauftragte und ein Vertreter der Fachabteilung des betroffenen Mitarbeiters anwesend sind und über den Vorgang ein schriftliches Protokoll angefertigt wird. Als privat zweifelsfrei erkennbare E-Mails sollten nicht geöffnet und den Erben übermittelt werden.
In diesem Zusammenhang sollte man auch den Zugriff auf private Daten regeln, die sich auf Servern des Arbeitgebers et cetera befinden. Entsprechendes gilt für private Geräte des Mitarbeiters wie Laptops, Smartphones und dergleichen, wenn dieser sie auch geschäftlich einsetzt – Stichwort: „Bring Your Own Device“. Muss der Arbeitgeber bei Verhinderung des Mitarbeiters dringend an Daten auf diesen Geräten zugreifen, spart eine klare vorherige Regelung viel Aufwand und Ärger. Das gilt ebenfalls, wenn die geschäftlichen Daten vor einer Weiternutzung des Geräts durch die Erben gelöscht werden sollen.
Fazit
Krankheit und Tod führen im elektronischen Zeitalter zu bislang oft unterschätzten Problemen und Fragestellungen. Der Zugriff auf E-Mails, Daten in der Cloud und dergleichen durch die Erben sollte geregelt sein. Andernfalls entsteht ein hoher Aufwand und bis zur Lösung kann es lange, vielleicht zu lange, dauern. Erben müssen sich zunächst einen Erbschein beschaffen und sich gegenüber dem jeweiligen Provider legitimieren. Details sollte ein Testament regeln, das diese Aspekte berücksichtigt.
Für Unternehmen mit privater Mitnutzung der IT-Infrastruktur stellt sich ein ähnliches Problem. Fehlen Regelungen in Verträgen oder Betriebsvereinbarungen, ist ein Zugriff auf möglicherweise wichtige geschäftliche E-Mails nicht gestattet, weil diese mit privaten Nachrichten vermischt sein könnten. Jedem Unternehmen ist dringend zu raten, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Dann kann ein Zugriff auf die Daten im Fall der Fälle unverzüglich erfolgen. Die dabei gefundenen privaten Daten sollten den Erben übergeben werden.
Tobias Haar, LL.M. (Rechtsinformatik),
ist Rechtsanwalt bei Vogel & Partner, Karlsruhe. (ur)