"Programmier-Kenntnisse sind wie eine Superkraft"

Das Projekt "Refugees on Rails" sammelt ausrangierte Laptops, um Flüchtlingen das Programmieren beizubringen. Das soll ihnen einen Einstieg in die Tech-Branche erleichtern.

Aus Syrien, dem Irak, Eritrea, Afghanistan und weiteren Ländern kommen täglich zehntausende Menschen in Deutschland an. Sie alle bringen ihre Geschichten, Hoffnungen und individuelle Fertigkeiten mit. Demgegenüber steht hierzulande ein Fachkräftemangel, besonders im Bereich Technologie und Informationstechnik. Die Projekt-Initiatoren von "Refugees on Rails" könnten einen Ansatz bieten, diese beiden Welten zu verbinden. Sie setzen dabei auf Vernetzung, engagierte Mentoren und Lehrer – und auf Spenden in besonderer Form. Projekt-Mitgründer Ahmet Emre erklärt, wie das Konzept aussieht.

Technology Review: Sie rufen innerhalb Ihres Projekts dazu auf, alte Laptops für Flüchtlinge zu spenden. Doch mit den Geräten allein ist den Menschen nicht geholfen. Welches Ziel verfolgen Sie?

Ahmet Emre: Richtig, die Geräte alleine reichen nicht. Man muss auch den Umgang damit erlernen. Wir konzentrieren uns in erster Linie auf Menschen, die bereits grundlegende EDV-Kenntnisse haben und diese vertiefen möchten. Dazu bieten wir einen Kurs zunächst in Berlin, in dem wir die Teilnehmer zu Programmierern ausbilden und sie in die Tech-Gemeinschaft in Berlin und Deutschland integrieren. Das Ziel ist es also, einerseits die kulturelle und wirtschaftliche Integration zu ermöglichen, andererseits den Tech-Unternehmen Zugang zu qualifiziertem Personal zu bieten.

Wie ist die Idee entstanden?

Wir arbeiten alle in der Technologie-Branche und sind Informatiker. Da haben wir uns nur gefragt, wie wir mit unserem Hintergrund schnell helfen können. Das kann jeder Ihrer Leserinnen und Leser ebenfalls.

Sie wollen den Interessierten das Web Application Framework Ruby on Rails beibringen. Wieso gerade die Programmiersprache Rails?

Damit kennen wir uns aus. Und wir bekommen schnell Zugang zu Entwicklern in dem Bereich. Man kann das sicherlich noch auf andere Programmiersprachen und Kenntnisse ausweiten, aber wir wollten einfach schnell loslegen. Außerdem macht die Sprache Spaß.

Ist das Projekt speziell auf Deutschland ausgerichtet? Welche Rolle spielen Programmier-Kenntnisse bei der Integration von Flüchtlingen in ein neues Land?

Nein, das lässt sich auf andere Länder ausweiten und wir arbeiten auch daran. Programmier-Kenntnisse zu haben, ist wie eine Superkraft. Damit lässt sich in der heutigen Welt mit nur einem Laptop und einem Internet-Anschluss sehr viel erreichen. Denken Sie dabei an Minecraft oder an Tumblr. Der nächste Steve Jobs sitzt vielleicht gerade irgendwo in einem Camp.

Ihr Ziel ist es, ein weltweites Netzwerk aus Mentoren und Lehrern aufzubauen. Wer kann sich daran beteiligen?

Jeder, der ernsthaft Zeit aufwenden will und kann. Dabei sind nicht nur IT-Kenntnisse hilfreich, sondern auch die Eigenschaft, Menschen zu inspirieren und zu organisieren, mit den Medien kommunizieren zu können, gestalterische Kenntnisse und vieles mehr. Jeder kann etwas beitragen. Wir legen Listen an und überlegen uns, wie wir die Zeit der Freiwilligen am besten nutzen können.

Wie können sich Flüchtlinge an dem Projekt teilnehmen? Müssen sie technische Vorkenntnisse oder ein bestimmtes Alter mitbringen?

Wir starten mit Flüchtlingen, die Englisch können und mit Computern umgehen können. Programmierkenntnisse sind nicht notwendig, wobei wir zunächst Leute mit IT-Hintergrund bevorzugen. Wir konzentrieren uns zunächst auch auf Erwachsene. Man muss erstmal klein und fokussiert anfangen.

Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?

Wir haben nun die Teilnehmer für den ersten Coding-Kurs zusammen. An Laptops wurden bislang 34 Geräte gespendet. Circa 60 weitere benötigen wir noch.

Gibt es spezielle Anforderungen an die ausrangierten Laptops? Und was muss ich tun, damit der Laptop zu Ihnen gelangt?

Ja, bitte funktionstüchtig und wenn möglich mit 4GB Ram und DualCore Prozessor. Das ist eine Konfiguration, die zwar noch was Wert ist, aber mit sehr alten und langsamen Geräten zu arbeiten, demotiviert recht schnell. Wir nehmen derzeit auch ältere Laptops, um Computerräume in den Flüchtlingsheimen zu unterstützen. Wer sein Gerät spenden will, kann das auf der Website www.refugeesonrails.org tun und erhält eine Rückmeldung. Wir holen den Laptop ab beziehungsweise verweisen an Lieferstationen.

(jle)