Raumfahrt: In der Schwebe

Seite 2: Erforschung des Mondes

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Derzeitige Pläne gehen jedoch eher in die entgegengesetzte Richtung: Mitte Februar haben sich die ISS-Partner auf die Eckpunkte einer Raumstation in einer Umlaufbahn um den Mond verständigt. Schon Anfang 2018 könnte deren vorläufiges Design festgelegt werden, 2023 sollen die ersten Logistikflüge starten. "Nach unseren Vorstellungen sollen viele unterschiedliche Partner, sowohl international als auch kommerziell, ihren Beitrag zu diesem Tor ins All leisten", sagt William Gerstenmaier, Chef für die bemannte Raumfahrt bei der Nasa.

Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand: Die Nasa könnte wichtige Erfahrungen sammeln, wie Menschen derart tief im All leben und arbeiten – eine entscheidende Vorarbeit für eine Marsmission. Die internationalen Partner könnten ihre jeweiligen Expertisen stärken: Europäer und Japaner wollen Forschungsmodule beisteuern, die Kanadier einen Roboterarm, die Russen eine Luftschleuse.

Die Wissenschaft an Bord der neuen Station, das ist schon jetzt absehbar, wird sich allerdings auf die Erforschung des Mondes und des Menschen in einer derart extremen Umgebung konzentrieren. "Persönlich sehe ich in solch einer Mondstation daher allenfalls eine Ergänzung", sagt Volker Schmid. Die Flüge in 380000 Kilometer Entfernung seien teuer, die Logistik für eine Mondstation sei kompliziert. Viel Raum für alltägliche Forschung in der Schwerelosigkeit bleibe nicht. Schnelle Forschungsergebnisse, inzwischen ein großer Pluspunkt der ISS, würden somit deutlich schwieriger. "In meinen Augen müssen wir die Forschung im niedrigen Erdorbit unbedingt beibehalten – weil es schlicht und einfach einen Bedarf dafür gibt", sagt Schmid.

Für diese Doppelstrategie fehlt jedoch das Geld. Die Nasa, die die finanzielle Hauptlast unter den westlichen ISS-Partnern trägt, gibt derzeit zwischen drei und vier Milliarden Dollar pro Jahr für die Raumstation aus – etwa die Hälfte des gesamten amerikanischen Budgets für die bemannte Raumfahrt. Der Rest ist fest eingeplant für Raketen und Raumschiffe, die in die Tiefen des Alls vordringen sollen.

Kommt eine Mondstation, dann fehlt das Geld für einen ISS-Nachfolger oder für den längeren Betrieb der bestehenden Raumstation. "Jeder Steuerdollar, der in die ISS fließt, wird uns für Ziele jenseits der Erdumlaufbahn fehlen – einschließlich Mond und Mars", sagte der republikanische Raumfahrtpolitiker Brian Babin Ende März bei einer Anhörung des US-Repräsentantenhauses.

Das gilt umso mehr, als Schmids Idee der kleinen erdnahen Raumstation nicht unbedingt billiger wäre als die ISS heute. Am Aufwand, Menschen in 400 Kilometer Höhe zu katapultieren, ändert sich schließlich nichts – insbesondere wenn sich die Kosten auf weniger Schultern verteilen. "Wenn man sich das Ganze einmal durchrechnet, erhalten wir bei einer Kooperation aus zwei oder drei Partnern wahrscheinlich etwas weniger Wissenschaft fürs Geld", sagt Schmid. Hier müsse noch einiges optimiert werden.

Ganz ohne Raumfahrer, davon ist der DLR-Experte Schmid überzeugt, wird es jedenfalls nicht gehen: "Wir brauchen den menschlichen Intellekt, um vor Ort entscheiden zu können:

Da muss ich nachjustieren, länger messen, dieses Experiment muss ich instandsetzen. Das ist unersetzlich für den Erfolg", sagt der ISS-Manager. "So manches Experiment ist dadurch in der Vergangenheit gerettet worden." Private Firmen wie das Start-up Axiom des langjährigen Nasa-Managers Michael Suffredini versprechen daher, beides vereinen zu können: bemannte Raumstationen und geringe Kosten. Axiom plant die erste private Raumstation im niedrigen Erdorbit. Das etwa neun Meter lange Modul mit eigenem Antrieb soll zunächst an die ISS andocken und nach deren Ende allein seine Runden drehen. Staatliche Raumfahrer könnten dort wie gehabt forschen, sie müssten jedoch dafür bezahlen.

Für die Miete, verspricht Axiom, müssten die Raumfahrtagenturen deutlich weniger Geld ausgeben als für den Unterhalt einer eigenen Station. Zusätzliche Einnahmen erhofft sich Axiom von Weltraumtouristen und industrieller Forschung. Selbst an die Produktion von Waren in der Schwerelosigkeit denkt Suffredini: Ein Vertrag mit dem Start-up Made in Space, das 3D-Drucker fürs Weltall entwickelt, ist Mitte Januar geschlossen worden. Das Abkommen umfasst nicht nur den Einsatz von Druckern auf der Raumstation, sondern auch den Transport der produzierten Waren zurück zur Erde.

Auch der amerikanische Hotelmagnat Robert Bigelow denkt an Forschung, Produktion und – natürlich – Tourismus im Erdorbit. Allerdings will Bigelow sein Ziel nicht mit starren Röhren aus Aluminium erreichen, wie bei allen bisherigen Raumstationen, sondern mit aufblasbaren Modulen. Sie werden klein und platzsparend ins All transportiert und dort mit Druckluft auf ihre endgültige Größe gebracht.

Zelten im All: Ein Modell im Maßstab 1:3 zeigt, wie sich der Hotelier Robert Bigelow sein aufblasbares Raummodul vorstellt.

(Bild: Julie Jacobsen/ AP/ Dpa Picture-Alliance)

Ein erster kleiner Prototyp hängt seit 2016 an der Internationalen Raumstation. Große Module mit einem Innenraum von 330 Kubikmetern – etwa ein Drittel des Volumens der ISS – sollen 2020 folgen. Miteinander gekoppelt, werden zwei Module Platz für sieben Menschen bieten: drei Bigelow-Angestellte und vier Forscher oder Touristen.

Die Nasa überlegt derweil, ihren Teil der ISS nach 2024 an private Unternehmen zu übertragen, um ohne hohe staatliche Kosten weiterhin Wissenschaft im Erdorbit zu ermöglichen. Ein Unternehmen müsste dann jedoch jährlich drei bis vier Milliarden Dollar mit Forschung und Weltraumtourismus auf der ISS verdienen – die derzeitigen Betriebskosten. Ob wirklich jemand Interesse hat? (bsc)