Rotlichtdomain will es allen Recht machen und Geld verdienen
ICM-Geschäftsführer Stuart Lawley erläutert im Interview, wie .xxx auch Regierungen schmackhaft gemacht werden soll und warum künftige Bewerber kontroverser Domains es noch schwerer haben werden.
- Monika Ermert
2003 reichte ICM Registry die Bewerbung um die Rotlichtdomain .xxx ein. Erst ging alles nach Plan, doch aufgebrachte evangelikale Christen in den USA und besorgte Regierungen liefen Sturm gegen die Absicht der privaten Netzverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), die Rotlichtdomain zuzulassen. Am Ende mussten sich ICANN und die Regierungen geschlagen geben. Nach einem US-Schiedsspruch rollte ICANN das Verfahren neu auf und gab im März grünes Licht für .xxx. Nun stehen die Termine für diverse Vorregistrierverfahren fest. ICM-Geschäftsführer Stuart Lawley erläutert, wie .xxx auch Regierungen schmackhaft gemacht werden soll und warum künftige Bewerber kontroverser Domains es noch schwerer haben werden.
heise online: Wie lange wird ICM brauchen, um das Geld, das sie für die Zulassung der Rotlicht-TLD gebraucht haben, wieder einzuspielen?
Gute Frage. Ursprünglich haben wir geplant, 2 Millionen Dollar bis zum Start von xxx zu investieren. Daraus sind mittlerweile 22 Millionen geworden. Dabei war in der Zulassungsrunde für TLDs mit speziellen Zielgruppen 2003 das Verfahren noch übersichtlich. Die Bewerbungsgebühr lag bei 45.000 Dollar, heute sind es 185.000 Dollar. Die Zulassungsregeln passten auf 20 oder 30 Seiten. Heute sind es 360 Seiten. Das hat sich schon dramatisch geändert.
Wir werden wohl ein paar Jahre für den Break even brauchen. Die Interessensbekundungen für die TLD sind beträchtlich, übrigens auch aus Deutschland. Insgesamt haben wir rund 900.000 Anfragen erhalten.
Sie sprechen das neue Bewerbungsverfahren an, das dann im kommenden Jahr startet und Ihnen Konkurrenz bescheren könnte, etwa mit .sex. Bewirbt sich da denn jemand?
Soweit ich weiß, nicht. Jeder, der eine auch nur im Ansatz kontroverse TLD haben will, muss sich auf einen langwierigen und ziemlich teuren Job einstellen. Wer sich um .sex bewerben würde, bräuchte eine Menge Geduld angesichts all der neu geschaffenen Widerspruchsverfahren, der Einspruchsmöglichkeiten und der insgesamt veränderten Rolle der Regierungen innerhalb der ICANN, und schließlich angesichts des Damokles-Schwertes, das mit dem neuen IANA-Vertrag über den Bewerbern schwebt.
Sie halten den vom US-Handelsministerium vorschlagenen Vertrag mit der ICANN über den Betrieb der Rootzone für eine Art "Kill-Switch" für kontroverse TLDs?
Eindeutig ja. Nachdem die Bewerber alle Formalitäten durchlaufen haben, muss vor dem Eintrag in die Rootzone breite Unterstützung der "wichtigen Interessengruppen" nachgewiesen werden. Das sind unter anderem Regierungen. Ich bin überzeugt, dass die Einführung dieser Regel eine Antwort auf die .xxx-Entscheidung war. Hätte es diese neue Regel schon gegeben, als wir unsere Bewerbung vorbereitet haben, wir hätten wohl keine Zulassung beantragt.
Nach wie vor gibt es ja Kritik an .xxx. Nachdem die ICANN Sie zugelassen hatte, hat insbesondere Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, die Entscheidung mehrfach scharf kritisiert. Was bedeutet das denn für .xxx?
Ich habe Kommissarin Kroes angeschrieben nach ihren Äußerungen und werde mich in Kürze in Brüssel mit einem ihrer Kabinettsmitglieder treffen, um zu erklären, dass es wohl ein Missverständnis über die Maßnahmen von ICM zum Schutz von Familien gibt. Jede .xxx-Domain ist automatisch auf der Basis des neuen W3C-Standards Powder gelabelt. Neue Web-Browser sollen bequeme Filterung am Desktop für Eltern erlauben. Wir arbeiten dafür mit Metacert zusammen, die das Tagging erledigen. Metacerts Datenbank mit Erotikseiten hat bereits 5 Millionen Einträge.
Das heißt, die Domaininhaber machen das nicht selbst?
Nein, das passiert automatisch.
Wollen Sie damit den Ankündigungen verschiedener Länder entgegenwirken, die eine Filterung der kompletten TLD angekündigt haben?
Wir sind etwa mit der indischen Regierung im Gespräch, von der berichtet wurde, sie würde das tun. Das waren keineswegs offizielle Aussagen. Auch eine notorisch filterfreudige Regierung wie Singapur hat erklärt, dass sie die TLD keineswegs filtern will.
Was ist mit den arabischen Ländern?
Dort wird ja in der Tat schon alles mögliche ausgefiltert. Natürlich gibt es da auch die Filterung ganzer TLDs, etwa der israelischen Länderadresszone. Da kann man nichts machen. Wir glauben, dass wir mit der Filtermöglichkeit direkt am Desktop eine bessere Alternative bieten.
Wir sorgen auch für zusätzliche Sicherheit bei .xxx-Domains. Wir haben einen acht-Millionen-Generalvertrag mit McAfee abgeschlossen, der alle xxx-Domains kontinulierlich auf Malware überprüft. Den einzelnen Webmaster würde das 360 Dollar kosten. So wollen wir .xxx-Angebote für Kunden attraktiv machen, weil die Angebote sicherer sind: für Benutzer und für die Nicht-Benutzer, die Familien, für die wir es leicht gemacht haben, die Inhalte zu vermeiden. Bei xxx-Domains geht es um Erotik, wir wollen das nicht irgendwie kaschieren. Aber wir sind wirklich die Extrameile gegangen, um die TLD zu einem sicheren, selbst regulierten Ort zu machen.
Überwachen Sie auch, inwieweit xxx-Seiten illegale Angebote machen?
Nein. Wir sind nicht die Content-Polizei und können ja auch überhaupt nicht die unterschiedlichen lokalen Gesetze durchsetzen. Wir haben eine Berichtsmöglichkeit eingebaut, über die jedermann melden kann, wenn er Bilder mit Minderjährigen findet. Dafür sind wir mit Polizei und Hotlines kurz geschlossen. Zudem sorgen wir dafür, dass die Whois-Daten unserer Anbieter bei der Registrierung aufwändig validiert werden und es gibt keine Proxy-Registrierungen.
Was tun sie aber denn, wenn sie wie kürzlich VeriSign von US-Behörden Verfügungen erhalten, bestimmte xxx-Domains zu sperren, die nach US-Recht illegal sind, auch wenn sie nach dem jeweiligen lokalen Recht des Domaininhabers in Ordnung sind?
Wir würden die Rechte unserer Registrierkunden strikt verteidigen. Allerdings müssen wir richterlichen Anordnungen in den USA ebenso wie VeriSign Folge leisten.
Rauswerfen aus der Root könnte sie im Moment eigentlich nur noch die US-Regierung?
Ich denke, das ist unter geltendem Recht nicht möglich, und, das muss man fairerweise sagen, will die US-Regierung wohl auch kaum. Im Zweifel würde es sonst auf eine Klage auf der Basis des ersten Verfassungszusatz hinauslaufen (der unter anderem die Meinungsfreiheit behandelt, d. Red.). (anw)