"Satisfactory": "Du kannst Fehler machen und niemand wird dich anschreien"

Spaß oder Arbeit? Das Fabrikspiel "Satisfactory" ist endlich "fertig". heise online hat mit den Entwicklern über die neue Story und Zukunftspläne gesprochen.

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Screenshot aus "Satisfactory"

Ob alleine oder im Koop: In "Satisfactory" eine Fabrik aufzubauen, ist ein Großprojekt.

(Bild: Coffee Stain)

Lesezeit: 9 Min.

"Satisfactory" gehört zu den größten Erfolgsgeschichten der modernen Spielebranche. Nach mehr als fünf Jahren im Early Access erscheint am 10. September Version 1.0 der Fabrikspiel-Hits. Im Vorfeld des Releases hat heise online mehrere Entwickler des schwedischen Studios Coffee Stain auf der Gamescom zum Gespräch getroffen. Art Director Torsten Gunst, World Designer Hannah Beuger und Game Designer Conrad Stroebel erklären, worin der Unterschied zwischen Arbeit und Spaß liegt, warum sich Coffee Stain gut mit den "Factorio"-Entwicklern versteht und wie es langfristig mit "Satisfactory" weitergehen soll.

Ihr habt euch bei "Satisfactory" für das Early-Access-Modell entschieden. Schon während der aktiven Entwicklung konnten Spieler den Titel also kaufen und Feedback geben. Unsere These: Ohne Early Access könnte es "Satisfactory" in dieser Form gar nicht geben. Stimmt ihr zu?

Conrad Stroebel: Zu hundert Prozent. Wie wir "Satisfactory" entwickelt haben, wie wir mit Updates experimentiert haben, das wäre ohne Early Access nicht möglich gewesen. Wir haben uns wirklich sehr auf das regelmäßige Feedback aus der Community gestützt. Die Early-Access-Strategie hat es uns auch erlaubt, uns die nötige Entwicklungszeit zu nehmen und das Team vergleichsweise klein zu halten. Wir haben mit zehn bis 14 Personen angefangen und sind nun ein paar mehr als 30.

Ohne regelmäßige Einnahmen wäre das kaum möglich gewesen.

Torsten Gunst: Ja, das war wichtig. Wir haben uns am Anfang für Sicherheit entschieden, hatten einen vorübergehenden Exklusiv-Deal mit Epic Games. Der hat es uns erlaubt, den Kern des Spiels zu entwickeln. Danach haben wir im Early Access mit der Community weitergemacht. Ohne das alles wäre es nicht möglich gewesen, diese Version 1.0 auf die Beine zu stellen.

"Satisfactory" hat über die vergangenen fünf Jahre zahllose kleine und große Updates bekommen. Ist Version 1.0 da überhaupt noch ein großer Schritt?

Torsten Gunst: Ein ziemlich großer sogar. Es gibt eine neue Tech-Stufe, alles wird aufpoliert, Löcher werden gestopft – es ist eine richtige Version 1.0.

Conrad Strobel: Unsere früheren Updates waren in sich geschlossen. Mit dem 1.0-Release haben wir nochmal das gesamte Spiel durchkämmt.

Und dann gibt es eine komplett neue Story. Wie lange habt ihr daran gearbeitet?

Hannah Beuger: Wir haben sieben Jahre an der Story gearbeitet. Aber die Story, die wir zwischendurch hatten, hat aus mehreren Gründen nicht funktioniert. Wir haben die Geschichte immer wieder überarbeitet, das war eine echte Herausforderung für uns. Die Frage war: "Was können wir noch machen, was kein verrücktes Budget braucht oder das Team massiv unter Druck setzt?" Wir haben eine Lösung gefunden, die unsere ursprünglichen Ziele erfüllt. Die Story ist nicht so grandios, wie wir es eigentlich vorhatten, aber sie ist trotzdem eine nette Ergänzung. Man hat jetzt ein Ziel vor Augen, alles hat ein bisschen mehr Persönlichkeit.

Andere Spielelemente wurden von der Community getestet und konnten bei Bedarf geändert werden. Die Story muss dagegen direkt funktionieren.

Hannah Beuger: Das ist wirklich furchteinflößend! Wir haben sowas bei Coffee Stain noch nie gemacht. Aber wir hatten schon eine Beta, in der die Geschichte ganz gut ankam. Viele meinten: "Ja, die Story ist schon okay. Aber eigentlich interessiert sie mich nicht zu sehr, weil ich mich auf's Bauen konzentriere." Und das ist perfekt! Die Story soll nicht ablenken, sondern nebenher laufen.

Auch "Baldur's Gate 3" war eine Weile im Early Access, ist aber erst nach dem 1.0-Release richtig explodiert. "Satisfactory" hat dagegen gefühlt schon jeder gespielt, der sich dafür interessiert. Erwartet ihr noch großen Spielerzuwachs?

Hannah Beuger: Darauf bin ich sehr gespannt. Ich sehe regelmäßig Leute, die unsere Videos und unsere Streams schauen, aber "Satisfactory" noch nicht gekauft haben. Sie interessieren sich einfach für den Entwicklungsprozess und warten ab, bis das Spiel rauskommt. Hoffentlich kriegen wir noch ein paar von diesen Leuten importiert.

Conrad Strobel: Unser aktuelles Publikum hat kein Problem damit, ein Early-Access-Spiel in dem Wissen zu spielen, dass später noch mehr kommt. Aber jetzt, wo wir eine Version 1.0 haben, hoffen wir natürlich schon, noch neue Spiele-Fans zu erreichen. Vielleicht probieren dann auch Leute "Satisfactory" aus, die bisher andere Fabrikspiele gespielt haben.

"Andere Fabrikspiele" – wie zum Beispiel "Factorio". Dafür kommt bald ein neuer DLC, nur ein paar Wochen nach "Satisfactory" 1.0.

Hannah Beuger: Das ist wirklich lustig, sogar die Ankündigungen waren am selben Tag! Wir haben das aber nicht koordiniert. Vor einigen Jahren haben wir uns mal bei einem Unreal Fest mit den "Factorio"-Entwicklern zum Essen getroffen, als Fabrikspiele noch nicht so sehr im Trend waren. Wir mussten uns natürlich zusammensetzen, immerhin gehören wir zur selben Nische. Seitdem haben wir ein freundschaftliches Verhältnis.

Torsten Gunst: Ich habe viele witzige Reaktionen auf beide Ankündigungen gesehen. Die Fans sagen: "Verdammt, jetzt muss ich mir so viel Zeit freinehmen! Und doppelt bezahlen, weil ich beides brauche."

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Ein großer Unterschied zu "Factorio": In "Satisfactory" muss man seine Basis nicht verteidigen. Ihr habt in Videos erklärt, dass das von eurer angestrebten Spielerfahrung ablenken würde. Habt ihr noch andere Mechaniken gestrichen, die nicht so ganz ins Spielkonzept passen wollten?

Hannah Beuger: Sehr früh im Entwicklungsprozess haben wir mit einer Third-Person-Perspektive experimentiert. Das hat aber nur Ärger verursacht, weil die Kamera und das Gefühl von Größenverhältnissen durcheinandergekommen sind. Wir hatten außerdem ganz am Anfang eine Ausdauerleiste, mit der man haushalten musste. Damals dachten wir, dass sich das Spiel ein bisschen in Richtung Survival entwickelt. Aber wir haben dann gemerkt, dass es wahnsinnig nervig ist, durch die Fabrik zu rennen und ständig keine Luft mehr zu haben.

Conrad Stroebel: Wir wollten auf keinen Fall die Kreativität der Spieler einschränken. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatten wir eine limitierte Anzahl von Farbkanistern im Spiel, mit denen man Wände und Plattformen einfärben konnte. Wir haben das wieder entfernt, sodass Spieler jetzt uneingeschränkt die Farbe von Objekten ändern können. Warum sollten wir die Spieler dafür bestrafen, kreativ zu sein und Fehler zu machen? Stattdessen wollen wir Spieler fürs Experimentieren belohnen.

Torsten Gunst: Wir hatten außerdem mal Pläne, unser Kampfsystem auszubauen. Wir haben dann bemerkt, dass der umgekehrte Weg richtig ist, und haben die Option komplett passiver Gegner eingefügt. Unser Spiel ist chillig. Und das ist okay so! Andere Games können ihre Spieler mit Kämpfen und ständigem Druck unterhalten, aber wir brauchen das nicht.

Es gibt nicht mehr nur "Factorio" und "Satisfactory", Fabrikspiele haben sich zu einem richtigen Genre entwickelt. Fühlt ihr euch mitverantwortlich?

Torsten Gunst: Absolut. Es gibt definitiv Spiele, die sich mehr an "Satisfactory" als an "Factorio" anlehnen. Ich glaube wirklich, dass "Satisfactory" gut genug ist, um anderen als Inspiration zu dienen.

Hannah Beuger: Wir haben die Tür ein kleines bisschen aufgestoßen. "Factorio" kann einschüchternd wirken, weil es so erfolgreich ist. Warum sollte jemand mein kleines Spiel spielen, wenn "Factorio" existiert? Aber "Satisfactory" hat gezeigt, dass es geht, wenn man sich ein bisschen abhebt. Und deshalb merken auch andere Entwickler, dass sie es schaffen können, wenn sie ihren eigenen Weg gehen.

Ist die "Satisfactory"-Erfolgsgeschichte mit Version 1.0 jetzt auserzählt?

Torsten Gunst: Auf keinen Fall. Wir werden "Satisfactory" nicht links liegen lassen. Dafür ist es zu gut! Wir mögen es zu sehr und die Leute mögen es zu sehr. Es wäre hirnrissig, nicht weiterzumachen. Wir haben noch viele Ideen und sind uns sicher, dass das Spiel noch lange weiterleben kann.

Conrad Stroebel: Wir möchten "Satisfactory" auf jeden Fall weiterentwickeln. Wie genau wir das machen, wissen wir aber noch nicht so ganz. Jetzt wollen wir erstmal Version 1.0 fertig kriegen und dann das Feedback abwarten.

Screenshots aus "Satisfactory" (6 Bilder)

(Bild: Coffee Stain)

Die Fans lieben "Satisfactory", "Factorio" und andere Fabrikspiele. Wenn man aber Außenstehenden davon erzählt, sagen viele: "Das klingt wie Arbeit". Warum machen "Satisfactory" und Co. trotzdem Spaß?

Conrad Stroebel: Du kannst eine Fantasie ausleben und etwas erschaffen. Du baust eine Fabrik, aber es gibt keine der negativen Seiten. Man arbeitet seine Checkliste ab, erstellt eine neue Fabriklinie oder ein neues Fabrikdesign. Man kann herumspielen und kreativ sein, ohne Stress. Und es macht immer Freude, zuzuschauen, wie Zahlen größer werden.

Hannah Beuger: Und man hat keinen schrecklichen Chef.

Torsten Gunst: Du hast die Kontrolle. Du kannst jederzeit aufhören. Du kannst Fehler machen und niemand wird dich anschreien. Der entscheidende Faktor ist aber, dass Arbeit nichts Schlechtes ist. Schlechte Erfahrungen mit Arbeit haben üblicherweise mit Gehältern, mit Vorgesetzten oder mit Kunden aus der Hölle zu tun. Aber Arbeit an sich, etwas zu erschaffen, das ist schön und bereichernd.

(dahe)