Schädlinge unschädlich machen – durch Gentechnik CRISPR

Die Genveränderung von Insekten könnte künftig helfen, die Abhängigkeit von Pestiziden zu erringern – und Biotech-Unternehmen Milliarden bescheren.

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Zwergzikaden, in den USA Glassy-winged Sharpshooters genannt, können ganze Avocado- und Zitrusplantagen vernichten. Sie übertragen die Pierce-Krankheit.

(Bild: mauritius images / Clarence Holmes Wildlife / Alamy)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Emma Foehringer Merchant
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Ob Ameise oder Wildbiene: Dass Insekten für funktionierende Ökosysteme und damit das Überleben der Menschheit unverzichtbar sind, ist unumstritten. In der Landwirtschaft können bestimmte Spezies aber zur Plage werden. Selbst Insektizide helfen nicht immer und schaden zudem der Umwelt. Forschende und Unternehmen verfolgen nun eine neue Strategie: Statt Pflanzen zu behandeln, wollen sie die Schadinsekten entschärfen, mithilfe der Genschere CRISPR.

"Vor CRISPR/Cas gab es die Technologie, Schädlinge zu manipulieren, schlicht nicht", sagt Peter Atkinson, Entomologe an der University of California, Riverside, der an der Modifizierung der invasiven Zikadenart arbeitet. "Wir treten jetzt in ein neues Zeitalter ein, in dem eine genetische Kontrolle des Problems durchaus realistisch erscheint." Es wäre nicht nur eine Alternative zum Einsatz von Insektiziden, sondern auch zur Strategie, die Abwehrkraft der Nutzpflanzen durch gentechnische Eingriffe zu stärken.

Atkinson und andere Forschende konzentrieren sich dabei vor allem auf die Glassy-winged Sharpshooter, frei übersetzt: Glas-flügelige Scharfschützen, die Weinbauern in Kalifornien arg zu schaffen machen. Die invasiven Insekten fliegen weiter als die in Kalifornien heimischen Zikaden, vermehren sich stärker und können selbst die robusteren unteren Teile von Pflanzen zerstören. Dabei übertragen sie Bakterien, die sie zuvor bei der Nahrungsaufnahme kranker Pflanzen aufgenommen haben und die sich in ihrem Maul vermehren. Mit CRISPR/Cas, wollen die Wissenschaftler das Genom der Zwergzikaden und damit die Gewebestruktur des Insektenmauls so verändern, dass Bakterien abgleiten wie an einer Teflon-Beschichtung.

Andere Biotechnologen setzen darauf, die Fortpflanzungsfähigkeit schädlicher Insekten zu unterbinden. Zum Beispiel Omar Akbari von der University of California, San Diego. Er nutzt die Technologie zur genetischen Manipulation von fast einem Dutzend Insektenarten, darunter Drosophila suzukii. Die Fruchtfliegenart vernichtet USA-weit jedes Jahr Obstkulturen im Wert von etwa 500 Millionen Dollar und sie hat gegen einige gängige Pestizide bereits Resistenzen entwickelt.

Mithilfe der Genschere konnte Abkaris Team nun sterile männliche Fliegen erzeugen. Im Freiland könnten sie die Gesamtpopulation verringern, weil die von ihnen befruchteten Weibchen keinen Nachwuchs erzeugen. Das Unternehmen Agragene hat Akbaris Technology lizenziert und will die neue Methode zur Sterilisierung landwirtschaftlicher Schädlinge nun kommerzialisieren. Noch in diesem Jahr sollen im US-Bundesstaat Oregon erste Tests in Gewächshäusern stattfinden. Und auch das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) will Gewächshaustests mit fruchtschädigenden Insekten durchführen, die mit CRISPR/Cas sterilisiert wurden.

MIT Technology Review 4/2023

Gleichwohl wird der Einsatz genmanipulierter Organismen auch kontrovers diskutiert. Ein Eingriff in die Ökosysteme kann potenziell immer auch unerwünschte Nebenwirkungen haben. Ob und wann es entsprechende Zulassungen zur Freisetzung der gentechnologisch entschärften Schädlingen geben wird, ist noch offen. Diskutiert wird ebenfalls, ob und wie solche transgenen Insekten mit anderen Maßnahmen kombiniert werden sollten.

Der USDA-Entomologe Wayne Hunter etwa forscht am Genom der Asiatischen Zitruspyllide (Diaphorina citri). Diese Insekten übertragen die Citrus-Greening-Krankheit und verursachen Jahr für Jahr auf sechs Kontinenten Schäden in Milliardenhöhe. Hunter will die Schadinsekten durchaus mithilfe von CRISPR entschärfen, ist aber überzeugt, dass der Schlüssel in der Genmanipulation von Pflanzen liegt. Deren Abwehrkräfte gelte es zu stärken, sagt er. Auch das Landwirtschaftsministerium USDA und ein Gremium der Weinindustrie setzen auf einen Maßnahmenmix, darunter die gentechnische Veränderung von Weinreben und die Entwicklung von Biopestiziden.

(anh)