Schwerpunkt H-IT-ZE: Mit Undervolting Stromverbrauch, Lärm und Hitze reduzieren

Seite 2: Anleitung: So geht's

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Für CPUs ist dabei der Eingriff via BIOS-Setup das Mittel der Wahl, da es unabhängig vom verwendeten Betriebssystem funktioniert und man den allerersten Boot-Test auch mit abgeklemmtem Massenspeicher machen kann. Bei Grafikkarten – namentlich Nvidias GeForce und AMDs Radeon – sind hingegen Hilfsprogramme respektive der Treiber gefragt. Das funktioniert am einfachsten unter Windows.

Meistens fasst das Übertaktungsmenü des Mainboards die gewünschten virtuellen Stellschrauben zusammen. Das trägt je nach Hersteller mehr oder minder klangvolle Namen und hört bei Asus auf "AI Tweaker", bei Gigabyte auf "M.I.T." oder "Tweaker" und bei vielen MSI-Boards auf ein erfrischend schlichtes "OC".

Die im wahrsten Sinne des Wortes spannendste Funktion dort ist "CPU Vcore" oder auch "CPU Core Voltage" – sie bestimmt, welche Spannung der Prozessorkern als Hauptstromverbrater angeliefert bekommt. Je niedriger sie ist, desto weniger Abwärme erzeugt der Prozessor. Auf den ersten Blick erscheinen die angezeigten Spannungen mit knapp über 1 Volt bereits recht gering. Da die Spannung quadratisch in die Berechnung der Verlustleistung eingeht, lohnen sich hier auch geringe Absenkungen.

Am einfachsten ist es, eine fixe Spannung einzustellen ("Override"). Der eingestellte Wert liegt durchgehend an, also auch im Leerlauf, und verdoppelte im Test die Leistungsaufnahme beim Nichtstun. Da das für unser Ansinnen kontraproduktiv ist, verwarfen wir die Option für diesen Artikel direkt wieder.

Mit einem negativen Spannungs-Offset können Sie den Stromhunger des Prozessors unter Last deutlich bremsen: Der Rechner läuft dann kühler und folglich auch leiser.

(Bild: Carsten Spille / c't)

Die nächste Option ist schon sinnvoller, nämlich per "Offset" einen kleinen Versatz einzustellen. Dabei handelt es sich um einen fixen Betrag, der auf die vom Prozessor im jeweiligen Betriebszustand über die Voltage ID angeforderte Spannung aufgeschlagen oder abgezogen wird. Damit der Wert auch eingehalten wird, sollten Sie zudem die "Load Line Calibration" (LLC) so einstellen, dass die Spannung unter Last ("Vdroop") nicht noch weiter gesenkt wird. Ob dafür ein höherer oder niedrigerer LLC-Wert nötig ist, ist leider von Mainboard zu Mainboard verschieden. Es hilft nur ein Blick ins Handbuch oder die Inline-Hilfe des UEFI. Beim Asus ProArt Z490-Creator 10G etwa, welches wir ausprobierten, mussten wir den LLC-Wert für eine stabile Spannung auf 7 festlegen.

Da die CPU sowohl den Leerlauf als auch die hohe Taktrate beim Single-Core-Turbo inklusive des Offsets meistern muss, sind die Grenzen mit circa 0,1 Volt Spielraum etwa bei modernen Intel-Prozessoren relativ begrenzt. AMD-CPUs aus der Ryzen-Serie verkrafteten im Test mit 0,15 Volt eine stärkere Absenkung, legten mit mehr als 1,3 Volt von vornherein aber auch eine höhere Spannung an.

Die mächtigste Option ist die adaptive Variante mit Offset, die aber vor allem in Verbindung mit Übertakten interessant wird. Abhängig von Ihrem Mainboard können Sie einen fixen Wert für die Spannung unter Last vorgeben, um etwa eine bestimmte Taktfrequenz sicher zu erreichen. Zugleich senkt das Offset (das auch auf die separat angegebene Lastspannung angewendet wird) die Leistungsaufnahme im Leerlauf.

Beginnen Sie mit einem Offset von -0,05 Volt und tasten Sie sich immer weiter hinab. Prüfen Sie zwischendurch immer wieder die Stabilität des Rechners. Das gelingt am besten mit Programmen, die ihre numerischen Ergebnisse auf Korrektheit prüfen – Prime95 mit der Torture-Test-Einstellung "Small FFTs" hat sich dafür ebenso bewährt, wie einige Milliarden Nachkommastellen von Pi mit dem y-Cruncher zu errechnen. Läuft der Rechner stabil, senken Sie die Spannung um einen weiteren Schritt.

Ist die Spannung zu niedrig und der Rechner bootet nicht mehr, greift normalerweise eine BIOS-Automatik, die nach mehreren erfolglosen Versuchen den letzten funktionierenden Zustand wiederherstellt. Im schlimmsten Fall machen Sie den Rechner stromlos und setzen Sie das BIOS per Steckbrücke zurück. Alternativ entfernen Sie die BIOS-Batterie und betätigen ohne Batterie und Strom mehrmals den Power-Knopf, um die Kondensatoren zu entladen und das BIOS auf den Werkszustand zu zwingen.

Wer nicht gleich voll ins BIOS-Tuning einsteigen will, kann auch definierte Leistungsvorgaben nutzen. Dabei wählen Sie bei AMD-Prozessoren eine im BIOS hinterlegte, sogenannte cTDP aus, die bei 65-Watt-Modellen meist bei 45 Watt liegt und bei 95/105-Watt-CPUs bei 65 Watt – doch das kann bei Volllast Performance kosten.

Bei Intel gibt es diese einfachen Vorgaben nicht, dafür kann man in vielen BIOS-Setups zwei Power-Limits aufs Watt genau einstellen: PL1 und PL2 für längere und kurzzeitige Belastung. Über die Dauer entscheidet das PLTau oder Package Power Time Window.

AMD bietet für seine Ryzen-Prozessoren das Ryzen-Master-Tool (Download) für Windows an, Intel für seine Prozessoren die XTU (eXtreme Tweak Utility, Download). Auch dort kann man die genannten Einstellungen vornehmen. Vergleichbares gilt für GeForce- und Radeon-Grafikkarten, deren Power-Limit sich mit der Tuning-Utility MSI Afterburner beziehungsweise bei AMD im Treiber senken oder anheben lassen.

Anstelle einer einzelnen, punktuellen Messung haben wir uns entschieden, den Erfolg des Undervoltings durch die Leistungsaufnahme einer definierten Aufgabe zu dokumentieren. Dazu mussten unsere Prozessoren die Demo-Szene "Classroom" mit dem Rendering-Programm Blender (Download) berechnen, während unser Leistungsmessgerät LMG-95 die dabei verbratenen Wattstunden festhielt.

Am eigenen Rechner lässt sich der Erfolg unter Windows 10 zum Beispiel mit dem Programm HWInfo64 (Download) nachverfolgen. Im Hauptfenster klickt man dazu auf die Schaltfläche "Sensors", woraufhin sich eine lange Liste auslesbarer Systemsensoren öffnet. Darunter findet sich auch die "CPU Package Power" (Intel) respektive die "SoC Power" bei AMD-Systemen. Wer kein Leistungsmessgerät für die Steckdose hat, installiert die herstellereigenen Tools XTU von Intel respektive Ryzen Master von AMD, um sich einen vergleichbaren Überblick zu verschaffen.

Die Probe aufs Exempel machten wir mit dem besonders hoch taktenden Zehnkernprozessor Core-i-10900K auf einem Asus ProArt Z490-Creator 10G, einem Ryzen 9 3950X mit 16 Kernen auf einem Gigabyte Aorus X570 Master und dem älteren Sechskerner Core i7-8700K auf einem MSI Z370 Gaming Pro Carbon.

Für die Berechnung der Classroom-Szene brauchte das System mit dem Core i9-10900K im Werkszustand 23,2 Wh in 7 Minuten und 33 Sekunden, optimiert mit –0,1 Volt Offset waren es nur noch 20,8 Wh (–10 Prozent). Er war sogar 13 Sekunden schneller fertig, da er seinen temperaturabhängigen Turbo durch geringere Spannung und niedrigere Hitzeentwicklung länger halten konnte. Sein älterer Verwandter verhielt sich sehr ähnlich, aber auf langsamerem und weniger effizientem Niveau: Bei –0,115 Volt maßen wir 27,1 anstelle von 29,6 Wh (–8 Prozent). Der Ryzen 9 3950X brauchte nur 1,05 Volt, um stabil mit 3,9 GHz zu laufen, aber das brachte eine Ersparnis von rund 15 Prozent gegenüber dem Werkszustand (12,1 statt 14,1 Wh) und das System war ebenfalls einige Sekunde früher fertig als ohne Undervolting.

Die Turbofalle

Längst haben vielkernige moderne Prozessoren den Punkt überschritten, an dem im Rahmen ihrer Thermal Design Power (TDP) alle Transistoren zugleich schalten könnten, sodass ausgeklügelte Mechanismen zum Power-Management eingebaut wurden. Eine davon ist der Turbo, der bei Last auf wenigen oder einzelnen Kernen die Taktfrequenzen hochzieht. Ein AMD Ryzen 9 3950X läuft so bis zu 4,7 GHz schnell, ein Core i9- 10900K kann gar 5,3 GHz erreichen. Um den Turbo-Takt stabil zu halten, prügelt der Prozessor die Spannung deutlich in die Höhe, was das Undervolting schwieriger gestaltet.

Wer auf den (Single-Core-)Turbo verzichtet und stattdessen einen festen Volllast- Takt in Höhe des All-Core-Turbo vorgibt, kann die Spannung meist noch ein paar Stufen weiter senken. Beim Core i9-10900K sind wir bei 1,15 Volt für 4,9 GHz angekommen und konnten dadurch den Energiebedarf für das Classroom-Rendering von 20,8 auf 19,5 Wh um weitere 6 Prozent senken.