So hat Alibaba Lieferfahrer in China immer im Blick

Der Lebensmittel-Lieferdienst und Alibaba-Tochter Eleme hat ein Bluetooth-Ortungssystem entwickelt, um Instant-Lieferungen zu ermöglichen.

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(Bild: Alibaba Group (Screenshot aus Firmenvideo))

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Yuan Ren
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Herr Fu ist Fahrer beim Pekinger Lebensmittel-Lieferdienst Eleme und absolviert pro Schicht etwa ein Dutzend Lieferungen. Er könnte sogar noch mehr schaffen – und dabei weniger verschütten – wenn er nicht ständig sein Telefon herausholen müsste, um seinen Status zu aktualisieren. "Ich muss mich alle paar Minuten in die App einloggen, um nicht bestraft zu werden, wenn die Lieferung wegen des Restaurants zu spät kommt", erzählt er. Das ist dann der Fall, wenn er im Restaurant länger auf eine Bestellung warten muss.

In China treiben der harte Wettbewerb und das Versprechen einer umgehenden Lieferung Liefer-Apps dazu, einen technologischen Vorsprung zu suchen. Um sicherzustellen, dass die Kunden ihr Essen pünktlich erhalten, hat die Alibaba-Tochter Eleme bereits 2018 ein umfangreiches Innenraum-Erkennungssystem zum Verfolgen der Fahrer eingeführt. Das Unternehmen ist mit 83 Millionen Nutzern, die jeden Monat aktiv sind, einer der Hauptakteure in der Lieferbranche. Seit der Einführung des neuen Systems in Hunderten von chinesischen Städten hat Eleme nach eigenen Angaben Händlern acht Millionen Dollar an Rückerstattungen erspart, die sie Kunden wegen Lieferproblemen geschuldet hätten.

Um es zu bauen, musste Eleme ein kostengünstiges System finden, das in Innenräumen funktioniert. GPS ist im Freien bis auf fünf Meter genau, aber Wände, Möbel und sogar Menschen stören die Signale. "Es ist auch sehr schlecht bei Höhenunterschieden", sagt Pat Pannuto, der Informatikprofessor an der University of California in San Diego ist. Das ist ein Problem, weil sich die meisten städtischen Einzelhandelsgeschäfte in China in mehrstöckigen Gebäuden befinden.

Lokalisierungssysteme für den Innenbereich, die auf Wi-Fi und Radiofrequenz-Identifikation basieren, funktionieren zwar, aber Bluetooth ist bei Weitem die billigste und zuverlässigste Option. Die Genauigkeit von etwa zehn Meter reicht aus, um in ein Geschäft oder Restaurant eintretende Menschen zu erkennen.

Dafür platzierte Alibaba mehr als 12.000 Bluetooth-Beacons in Geschäften in Shanghai. Die Beacons senden Signale aus, die die Fahrerhandys in Form von "ID-Tupeln" empfangen. Die App lädt jedes Tupel auf die Server der Plattform hoch, wo es mit den Händler-IDs abgeglichen wird, und das System protokolliert, wo und wann das Signal gesendet wurde.

Ähnliche Netzwerke werden häufig für die Verfolgung von Waren, Personen und Dienstleistungen eingesetzt. Eines bereits der größten befindet sich auf dem Londoner Flughafen Gatwick, wo rund 2.000 Bluetooth-Beacons installiert sind. Das System von Eleme ist jedoch eines der ersten, das auf Stadtebene aufgebaut wurde. Um sein System auf weitere Städte in China auszudehnen, nutzte Alibaba die Tatsache, dass Mobiltelefone auch als Bluetooth-Beacons fungieren können. Apple hat diese Funktion 2013 für iOS-Geräte eingeführt. Ähnliche Funktionen sind inzwischen auch bei anderen Smartphones weitverbreitet.

Mit Hilfe dieser Technologie haben sich mehr als drei Millionen Händler und eine Million Fahrer für ein Pilotprogramm angemeldet, um ihre Telefone als Beacons oder Empfänger zu nutzen. Sie lieferten 3,9 Milliarden Bestellungen an 186 Millionen Kunden in 364 chinesischen Städten aus.

Im Moment dient das System lediglich als Kontrolle der eigenen Fahrtenbücher und erfordert, dass Fahrer und Händler die App auf ihren Handys geöffnet haben, um eine Verbindung zu gewährleisten. Wenn Fahrer versuchen, ihre Ankunft zu melden, bevor ihr Telefon ein Signal vom Telefon des Händlers empfängt, sendet die App eine "zu früh"-Meldung.

Das System ist nicht perfekt: Händler können das System durch Abschalten des Bluetooth-Signals deaktivieren, sodass die Apps nicht die Wartezeit der Kuriere für eine Bestellung aufzeichnen. Zudem sind virtuelle Beacons weniger zuverlässig als physische Beacons.

Theoretisch kann das System dank genauerer Daten über die Standorte der Fahrer anstehende Aufträge besser zuweisen und sicherstellen, dass die Fahrer ihre Lieferungen rechtzeitig erledigen können. Alibaba sagt, dass die Automatisierung die Arbeit der Zustellfahrer erleichtert, aber auch den Druck auf sie erhöhen kann.

Alibaba hofft, dass die Telefone der Fahrer eines Tages sowohl als Beacons als auch als Empfänger fungieren könnten, sodass sich ihre Mobiltelefone gegenseitig orten könnten, ohne auf die virtuellen Beacons der Händler angewiesen zu sein. Die Auswirkungen des Betriebs so vieler Beacons auf die Sicherheit und den Datenschutz sind unklar.

Pannuto hält das Ausmaß, in dem Alibaba das System erweitert hat, für beeindruckend. Er glaubt allerdings nicht, dass es in anderen Ländern nachgeahmt wird. In China allerdings, wo Lieferungen nach wie vor billig und die Nachfrage hoch ist, sind die Unternehmen bestrebt, jeden Weg zu finden, um die Konkurrenz auszustechen.

(jle)