Soft Skills im Fokus der 18. OOP in München

Haben die Informatiker Gruppendynamik und Kommunikationstechnik entdeckt? Der deutliche Fokus auf Soft Skills, den die größte deutsche Konferenz zur Softwareentwicklung setzte, könnte dies vermuten lassen.

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Von
  • Alexander Neumann
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Haben die Informatiker Gruppendyamik und Kommunikationstechnik entdeckt? Der deutliche Fokus auf Soft Skills, den die größte deutsche Konferenz zur Softwareentwicklung setzte, könnte dies vermuten lassen.

Im Vergleich zum Vorjahr hatten sich laut Veranstalter Günter Fuhrmeister circa 6 Prozent weniger Teilnehmer zur 18. OOP, die Ende Januar in München stattfand, angemeldet. Das defensive Buchungsverhalten betraf fast ausschließlich die Branchen Automobil und Finanzen, so Fuhrmeister. Durch eine leichte Steigerung der Messebesucher verzeichnete die OOP schließlich knapp 1900 Teilnehmer (und Gäste der kostenlosen Ausstellung). Die Ausstellung war mit rund 80 Ausstellern zum ersten Mal ausverkauft, was der eher sterilen Umgebung des Veranstaltungsortes (ICM – (Internationales Congress Center München), zugute kam. Die Ausstellungsfläche war dadurch gut gefüllt und ein guter Ort zum Netzwerken – sei es den Pausen, sei es bei den sogenannten Social Events wie der Welcome Reception bei Sushi-Häppchen.

Anders agile: Welcome Reception à la Japan

(Bild: Sigs-Datacom)

Das Motto der Veranstaltung war "Soft(ware) Skills – the key to successful projects". Soft Skills, die "weiche" Aspekte wie Kommunikation, Vertrauen und Teammotivation thematisieren, haben sich in den letzten Jahren verstärkt zu "harten" Faktoren wie Softwaretechniken und dazugehörigen Managementaspekten gesellt. Häufig finden jedoch die "weichen" Faktoren nicht genügend Beachtung. Dabei sind die Auslöser für Probleme in Projekten häufiger "menschliches Versagen" als etwa technische Fehler, weswegen die Veranstalter auf der diesjährigen OOP den thematischen Schwerpunkt deutlich auf solche weichen Aspekte setzen wollten.

Schlagwörter wie Agile und Scrum in Slides und Ausstellung sowie Session-Titel wie "Mehrschichtigkeit mal anders – Zwischenmenschliches für Softwareprofis" und "Dream Teams bilden – magische Momente in der Softwareentwicklung" verdeutlichen anschaulich, worauf das Konferenzteam dieses Mal Wert gelegt hat. Die vielen projektbezogenen Fragen im Anschluss an die Vorträge und Gespräche in den Pausen deuten darauf hin, dass die Veranstalter mit der Fokussierung richtig gelegen haben. Eine Neuigkeiten-Messe war die OOP dadurch sicherlich nicht, das ist vielleicht auch gut so, zeigt das doch, dass die Aneinanderreihung von Buzz-Themen und Hypes bei manch anderen Konferenzen an der Projektwelt im Alltag vorbeigeht.

Vorträge mit technischem Fokus gab es natürlich auch: Wie es sich für eine Softwareentwicklungskonferenz gehört, fanden Techniken wie JavaServer Faces (JSF), Ruby, Webservices, aber auch Sessions zu Architekturthemen und testgetriebener Softwareentwicklung den Weg ins Programm. Überdurchschnittlich viele Sessions setzten sich mit der zeitgemäßen Technik OSGi und hier vor allem der Eclipse-Implementierung Equinox auseinander, und auch das Thema Multicore-Programmierung fand in mehreren Sessions Niederschlag. Das "Software Dev Blog" von Michael Hülskötter gibt zu diesem Thema und zu dem, was darüber auf der OOP lief, einen guten Überblick.

Betrachtet man die Liste der rund 130 Referenten, hat die OOP sicherlich die Crème de la Crème der Branche vereint. Das gilt für die Projektmanagement-, aber auch für die Technikseite, und die Teilnehmer profitierten von dem Know-how und dem Erfahrungsschatz der Speaker.

Linda Rising hält die Eröffnungs-Keynote

(Bild: Sigs-Datacom)

Der bekannten Software-Pattern-Buchautorin Linda Rising von der Arizona State University war es vergönnt, die Eröffnungs-Keynote zu halten. Sie kritisierte ausgehend von soziologischen Forschungen, dass Menschen allzu gerne einander mit Labeln versehen. Studien hätten beispielsweise herausgefunden, dass viele Manager bereits nach zwei Wochen ihre Mitarbeiter als Gewinner- oder Verlierertypen einschätzten. Das unterstütze natürlich die Diskrepanz zwischen Geschäfts- und Entwicklerseite im Umgang miteinander. Ziel müsse es sein, ein Umfeld zu schaffen, das von Respekt und Vertrauen geprägt sei. Dafür helfe es, innerhalb eines Teams gemeinsame Ziele zu definieren und über alle Phasen eines Projekts ein enges Feld auf Basis von Kooperation und Zusammenarbeit abzustecken.

Jörg Dirbach von Zühlke

(Bild: Sigs-Datacom)

Jörg Dirbach von Zühlke kam zu einem vergleichbaren Ergebnis, beleuchtete Softwareentwicklung aber aus der kognitiven Perspektive. Zentrale Fragen seines Vortrages waren unter anderem: Wie lösen Softwareentwickler Probleme kognitiv? Welches sind die Faktoren für Produktivität? Dirbach, der ein Blog unter dem Titel "Wissensarbeiters Weblog" führt, sieht in der Wissenslücke bei Menschen eine wichtige Komponente. Ohne sie hätten Menschen nicht die Motivation, sich weiterzuentwickeln. Um zu lernen, sei Dirbach zufolge in Projekten ein fortwährendes Feedback von Nöten plus die Möglichkeit, darüber zu reflektieren. In einem anderen Vortrag der OOP wurde in diesem Kontext aus einer Gartner-Studie zitiert, die in der Motivation den Faktor 30 zum Gelingen eines Softwareprojektes sieht.

So zufriedenstellend die Keynotes des ersten Tages ausfielen, so enttäuschend waren die des zweiten. Kevin Parkers, Technology Evangelist bei Platin-Sponsor Serena, "How to be an IT Superhero"-Vortrag war mehr oder weniger verstecktes Marketing für Serenas gegenwärtige Strategie, unter Zurhilfenahme von Buzzwords wie Mashups und Cloud – Themen, derer sich Marketing-Abteilungen zurzeit allzu gerne bedienen.

Tom DeMarco setzt sich mit Corporate Culture auseinander

(Bild: Sigs Datacom)

Auch Tom DeMarcos Keynote bestand größtenteils aus Werbung, und zwar für sein aktuelles Buch "Adrenalin-Junkies und Formular-Zombies". Gut, DeMarco ist jemand, den die Leute sehen wollen und dessen Thema Patterns zugegebenermaßen gut verpackt die Teilnehmer interessierte, zumal sein Vortragsstil angenehm ist. (Dass zumindest die Werbung aufgegangen war, zeigte sich daran, dass er Käufern seines Buches über eine Stunde lang die Exemplare signierte.)

Peter Hruschka und Tom DeMarco signieren Bücher

(Bild: Sigs-Datacom)

DeMarco, der als Erfinder der strukturierten Analyse zur Erstellung einer formalen Systembeschreibung im Rahmen der Softwareentwicklung gilt, sieht neben der Verbesserung von Methoden und Prozessen auch Agilität, Geschwindigkeit und Unternehmenskultur als wichtige Erfolgsfaktoren in Projekten. Agilität und Geschwindigkeit zusammengenommen bedeuten für viele Effizienz. Hier liegt laut DeMarco ein großes Missverständnis vor, auf dem Unternehmen ihre Entscheidungen treffen. Meistens lasten sie ihre Angestellten voll aus, sodass sie zwar jede Minute effektiv nutzen. Das resultiere jedoch in einer hohen Auslastung, und damit einher gehe eine verlangsamte Abwicklung der Aufgaben. Schließlich sei die Arbeitsmenge beim Einzelnen deutlich erhöht, und ein Wechsel zwischen den Aufgaben führe zur Vernachlässigung anderer Aufgaben. Am Schluss sei der Kunde der Leidtragende, der das Ergebnis verspätet erhalte.

Gernot Starke sieht den Architekten sowohl in der Hölle als auch im Schlaraffenland

(Bild: Sigs-Datacom)

Am letzten Hauptkonferenztag sprang der bekannte Softwarearchitekt Gernot Starke für den erkrankten Thomas Stahl ein. Starke nahm seine Zuhörer in seinem Vortrag auf eine Reise mit in eine Fantasiewelt, die auf transparente Art und Weise das Zusammenspiel und die Abhängigkeiten der unterschiedlichen Rollen in der Softwareentwicklung verdeutlichte. Im Zentrum des Fantasiegebildes stellte Starke den Softwarearchitekten, der sich mit "Managissimos" und "Requies" in Gegenden wie Kundenia, Kostenia, Prograland, La Testa, Analytistan und Architektonien auseinander setzen müsse. Der Architekt ist für Starke mit einem Zehnkämpfer zu vergleichen, der extrem vielseitig sein und ein breites Sprektrum an Fähigkeiten mitbringen muss. (Lesern der iX mag das alles bekannt vorkommen. Sie finden Starkes Vortrag in Artikel-Form aus der iX 08/06 jetzt auch online.)

IT-Stammtisch: Jutta Eckstein, Clemens Utschig-Utschig, Nico Josuttis, Linda Rising, Ralf Westphal (v.l.n.r.)

(Bild: Sigs-Datacom)

Wie in den Vorjahren war der IT-Stammtisch ein amüsanter Höhepunkt der OOP. Die Gesprächsrunde des Stammtisches, bestehend aus Linda Rising, Jutta Eckstein, Ralf Westphal, Clemens Utschig-Utschig und Moderator Nicolai Josuttis, setzte sich auf witzige Weise mit IT-Themen des vergangenen Jahres auseinander – so zum Beispiel Googles Browser Chrome, der Sperrung der deutschsprachigen Wikipedia durch den Politiker der Linken, Lutz Heilmann, und – nicht ganz ernstzunehmen – 'drailing' für 'drunken mailing' und Googles Funktion zur Drailing-Vorbeugung. Highlight der Podiumsdiskussion war der eingespielte YouTube-Beitrag "Nieder mit IT" der Kabarettisten Pigor und Eichhorn, der in über sieben Minuten nicht wenige Zuhörer zu spontanen Solidaritätsbekundungen anspornte.

Die OOP im Jahre 2009 war eine angenehme und entspannte Konferenz, der mit der Fokussierung vor allem auf "weiche" Aspekte, aber auch mit vielen Projektmanagementvorträgen der Weg hin zu einer Veranstaltung für Projektleiter, Softwarearchitekten und niederem Management gelungen ist. Der "klassische" Softwareentwickler besucht womöglich eher andere Events. Im nächsten Jahr findet die Konferenz vom 25. bis 29. Januar statt. Man darf gespannt sein, welchen Schwerpunkt die Veranstalter dann präsentieren. (ane)