Sonnenstürme: Was künftige Satelliten-Konstellationen einplanen müssen

Die zunehmende Sonnenaktivität könnte sich in den kommenden Jahren verheerend auf Mega-Konstellationen wie Starlink auswirken.​

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(Bild: CG Alex/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Jonathan O'Callaghan

Am 4. Februar hat ein Sonnensturm bis zu 40 neue Starlink-Satelliten von SpaceX aus der Umlaufbahn geworfen. Das Unternehmen wies darauf hin, dass die Satelliten so konstruiert wurden, dass sie vollständig in der Atmosphäre verglühen, "was bedeutet, dass kein Weltraumschrott entsteht und keine Satellitenteile auf den Boden fallen". Der finanzielle Verlust wird allerdings auf 50 bis 100 Millionen Dollar beziffert. Zudem machen sich Experten Sorgen darüber, ob die von Elon Musk, Jeff Bezos und anderen geplanten Mega-Konstellationen in Zukunft gegen solche Ereignisse gewappnet sein werden.

Der Verlust der Satelliten hat einige wichtige Fragen über die geplante Einführung und die Zukunft von solche Satelliten-Mega-Konstellationen aufgeworfen. Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) hatte bereits Tage vor dem Start vor der Möglichkeit eines geomagnetischen Sturms gewarnt, doch SpaceX entschied sich, den Start trotzdem durchzuführen. Experten sind sich nicht sicher, warum. "Das ist schon ein bisschen seltsam", sagt Marco Langbroek, Astronom an der Universität Leiden. "Vielleicht haben sie nicht erwartet, dass die Auswirkungen so groß sein würden."

Tatsächlich wurde der Sturm auf einer Skala, die von G1 bis G5 reicht, als relativ geringfügiger G1 eingestuft. Nach Angaben von SpaceX war der Luftwiderstand dadurch zwar um bis zu 50 Prozent höher als bei früheren Starts, aber die Auswirkungen waren dennoch relativ gering. Extremere Ereignisse könnten sich viel dramatischer auswirken. "Dieser Sturm an sich war nicht besonders groß", sagt Delores Knipp, Weltraumwetterexpertin an der University of Colorado, Boulder. "Wir haben schon erlebt, dass sich die Atmosphäre um 1.000 Prozent ausdehnt. In verschiedenen Höhen kann sich die Dichte verzehnfachen."

Diese größeren Auswirkungen könnten relativ bald zum Tragen kommen, da die Sonne voraussichtlich im Jahr 2025 den Sonnenmaximum genannten Höhepunkt ihres elfjährigen Aktivitätszyklus erreichen wird. Dann wird es häufiger zu starken Eruptionen und Sonnenstürmen kommen. "Es gibt Gründe zur Sorge", sagt Knipp. "Diese Ausdehnungen der Atmosphäre werden auf dem Weg zum Sonnenmaximum in unregelmäßigen Abständen auftreten."

Die Tatsache, dass die Starlink-Satelliten nicht einmal einen kleinen Sturm überstehen konnten, legt nahe, dass SpaceX bei künftigen Starts anders vorgehen muss. Möglicherweise müssen die Satelliten in einer größeren Höhe ausgesetzt werden, wo die Atmosphäre dünner ist, um sicherzustellen, dass sie nicht aus der Umlaufbahn gedrückt werden. "Dreihundert Kilometer sollten ausreichen", sagt Jonathan McDowell, Astrophysiker am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Das würde zu einer "Erhöhung der Startkosten um höchstens 10 Prozent" führen, so McDowell.

Das wiederum könnte sich leicht auf die Ausbringungsgeschwindigkeit von Starlink auswirken: Das Unternehmen müsste weniger Satelliten pro Start fliegen, damit jeder genug Treibstoff hat, um größere Höhen zu erreichen. Das bedeutet auch, dass Satelliten, die eine Fehlfunktion haben, länger brauchen, um wieder in die Erdatmosphäre einzutreten, was den von SpaceX angepriesenen Vorteil eines Starts in niedrigeren Höhen schmälert: Dadurch sollte Weltraummüll minimiert werden, da ausgefallene Satelliten schneller zur Erde zurückfallen. "Es ist ein Kompromiss", sagt Hugh Lewis, ein Satellitenexperte von der University of Southampton. "In einer Höhe von 200 Kilometern verbleibt ein toter Satellit höchstens einige Tage in der Umlaufbahn", sagt Lewis, aber ab 300 Kilometern steigt dieser Zeitraum auf mehrere Wochen.

Auch die Bewältigung dieser Mega-Konstellationen könnte ein Problem darstellen. Es gab zwar schon früher Sonnenmaxima mit Satelliten in der Umlaufbahn, aber die aktuelle Anzahl der Satelliten in der Umlaufbahn ist beispiellos. Bis 2025 könnten es mehr als 10.000 sein, die dann nicht nur von SpaceX stammen, sondern auch von anderen Unternehmen wie Amazons Projekt Kuiper und dem britischen OneWeb. Künftige Stürme könnten diese Satelliten häufig hin- und herschieben, so dass sich ihre Positionen ändern und die Gefahr besteht, dass sie zusammenstoßen.

"Wir sprechen hier von Kilometern an Höhenänderung", sagt Lewis. "Je mehr Satelliten in die Umlaufbahn gebracht werden, desto begrenzter wird unsere Fähigkeit, diese Komplexität zu beherrschen. Irgendwann werden wir sehen, dass etwas Schwerwiegenderes passiert als nur der Wiedereintritt von 40 Satelliten."

Amazon sagte, dass seine Satelliten-Konstellation und das Design der Satelliten selbst für diese erhöhte Sonnenaktivität ausgelegt seien, nannte aber keine genauen Details. SpaceX und OneWeb reagierten nicht auf die Bitte um Stellungnahme.

Dieses jüngste Ereignis macht deutlich, wie sorgfältig alle Betreiber von Mega-Konstellationen die Auswirkungen der Sonnenaktivität einplanen müssen, da durch Kollisionen Tausende weiterer Weltraummüllteile entstehen könnten, die unsere Fähigkeit, die Erdumlaufbahn sicher zu nutzen, beeinträchtigen könnten. "Ich glaube, dass sie das in ihren Plänen berücksichtigt haben", sagt McDowell. "Vielleicht haben sie dieses spezielle Problem übersehen, aber sie müssen doch ihre Modelle durchgespielt haben, so hofft man."

Sicher ist nur, dass sich ganze Feld in unbekannte Gewässer begibt. "Diese Region [des Orbits], über die wir hier sprechen, ist so wertvoll und wichtig", sagt Lewis. "Wir alle müssen uns viel mehr bemühen, diese Probleme vorausschauend zu erkennen."

(vsz)