Sparen mit Daten

Eine ganze Reihe von ehrgeizigen Technologie-Projekten soll bei UPS dazu beitragen, die Kosten zu senken und die Zahl der Irrläufer zu reduzieren. Aber wird das reichen, wenn Amazon als Konkurrent auf den Plan tritt?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Elizabeth Woyke
Inhaltsverzeichnis

Mitarbeiter von UPS müssen jeden Tag tausende Entscheidungen treffen. Dabei können Fehler passieren, etwa dass ein Paket auf das falsche Fließband gelegt oder in das falsche Lieferfahrzeug geladen wird – und das kann dazu führen, dass Sie Ihr Paket nicht rechtzeitig erhalten.

Mehr Infos

Solche Fehler zu vermeiden, und zwar auf effiziente Weise, ist entscheidend für das Überleben des Unternehmens. Der Boom bei E-Commerce bedeutet, dass UPS heute 31 Millionen Pakete pro Tag ausliefert, und sie alle nachzuverfolgen, ist ein extrem schwieriges Problem. Noch erschwert wird es dadurch, dass die Auslieferung von Online-Bestellungen oft auf Fahrten an weit verstreute Orte hinausläuft. Für UPS ist das teurer als Lieferungen an Unternehmen, bei denen sie meist mit nur einem Stopp mehrere Pakete bringen und mitnehmen können.

Vor kurzem wurde zudem bekannt, dass Amazon einen preisgünstigen Paket-Lieferservice vorbereitet. Dies bedeutet, dass UPS mit intensiver Konkurrenz durch ein Unternehmen rechnen muss, das über hervorragende Fähigkeiten im Bereich Kunden-Tracking und viel Kompetenz bei künstlicher Intelligenz verfügt.

Als entscheidendes Mittel, um mit dieser Herausforderung zurechtzukommen, sieht UPS fortschrittliche Analytik an. 2016 begann das Unternehmen damit, Daten in allen seinen Anlagen zu sammeln. Heute gibt es rund 25 Projekte auf der Grundlage dieser Daten, die unter der Abkürzung EDGE (für „enhanced dynamic global execution“) zusammengefasst werden. Das Programm hat zu vielen Neuerungen geführt – von der Art und Weise, wie die Fahrer Pakete in ihren Lieferwagen platzieren, bis zur Schulung der riesigen Armee von Zeitarbeitern, die UPS in der hektischen Weihnachtszeit einstellt. Irgendwann werden Daten sogar darüber bestimmen, wann UPS-Fahrzeuge gewaschen werden.

Wenn das Programm voll umgesetzt ist, erwartet UPS Einsparungen von 200 bis 300 Millionen Dollar pro Jahr.

Dabei ist EDGE nur eines von mehreren Technologie-Projekten, die UPS begonnen hat, um seine Lieferungen in den 220 Ländern und Gebieten zu verbessern, die das Unternehmen versorgt. Im Technologie-Budget von 1 Milliarde Dollar pro Jahr sind auch Modernisierungen der Hilfsmittel für die Fahrer vorgesehen, unter anderem der Handheld-Geräte, mit denen sie Pakete scannen und die Unterschrift der Empfänger entgegennehmen, und der Karten-Software namens ORION, die den effizientesten Weg für die Liefer-Tour eines Fahrers berechnet. Außerdem investiert UPS in weitere Maschinen, die automatisch Pakete sortieren, und entwickelt Technologien, die Pakete dynamisch so auf UPS-Flugzeuge und -Lastwagen verteilen, dass Kosten und Verzögerungen minimiert werden, wie der IT- und Technik-Chef des Unternehmen Juan Perez erklärt.

Im vergangenen Jahr hat UPS damit begonnen, seine Lieferwagen mit Bluetooth-Empfängern auszustatten, um die Wahrscheinlichkeit für falsch mitgenommene Pakete zu verringern. Die rechteckigen Geräte sind im Inneren der Fahrzeuge befestigt und lassen ein lautes Piepen ertönen, wenn ein Arbeiter ein Paket hineinlegt, das für die anstehende Fahrt nicht vorgesehen ist. Wenn dagegen der richtige Lieferwagen gewählt wird, ertönt ein anderer Ton, der das bestätigt. Das System funktioniert über Funksignale zwischen den Bluetooth-Einheiten und den Scannern, die von den Arbeitern an der Hüfte getragen werden, um die Etiketten auf Paketen auszulesen.

Vor der Entwicklung dieser Technologie gab es bei UPS keine letzte Kontrolle, um zu bestätigen, dass alle Pakete wirklich in den jeweiligen Lieferwagen gehören. Wenn Fahrer falsch platzierte Pakete in ihrer Ladung entdeckten, mussten sie Umwege für die Auslieferung in Kauf nehmen oder einen Vorgesetzten rufen, der sie zum richtigen Lieferwagen bringt.

Bei einem weiteren Projekt erfahren Saisonkräfte, wohin die Pakete gehen sollen, die UPS-Fahrzeuge tagsüber abholen und zu den Sortieranlagen des Unternehmens bringen. Von November bis Januar beschäftigt das Unternehmen fast 100.000 solcher Mitarbeiter. Normalerweise müssen sie Hunderte von Postleitzahlen auswendig lernen, um zu wissen, wo sie die Pakete ablegen sollen. Im vergangenen Winter aber bekamen rund 2500 von ihnen Scanner und Bluetooth-Kopfhörer für 8 Dollar, die Ein-Wort-Anweisungen wie „grün“, „rot“ oder „blau“ ausgeben. Jede Farbe entspricht einem bestimmten Fließband.

Natürlich gehen trotz allem manche Lieferungen immer noch schief, also gibt es bei UPS auch ein Projekt, bei dem Manager erfahren, wie viele zurückgegebene Pakete im Verarbeitungszentrum zu erwarten sind und wann. Dadurch können sie rechtzeitig genügend Mitarbeiter für die Umleitung der Pakete organisieren. Die Daten stammen aus unterschiedlichen Quellen, unter anderem von den Handheld-Geräten der Fahrer und der ORION-Software. Die Informationen werden in Echtzeit auf die Samsung-Smartphones der Manager übertragen. Grafiken zeigen, wie viele Pakete eintreffen, wie schnell sie bearbeitet werden und welche Arbeitsgruppe am stärksten ausgelastet ist, sodass sie Unterstützung braucht.

Wird all das ausreichen, um sich gegen Amazon zu wehren, falls es zum direkten Konkurrenten von UPS wird? Barbara Ivanov, Logistik-Expertin am zum Teil von UPS finanzierten Supply Chain Transportation and Logistics Center der University of Washington, bezeichnet Amazon als Bedrohung. „Amazon hat genügend Geld und die Fähigkeit, ein Fracht- und Paketliefer-Unternehmen aufzubauen. Das Disruptive daran ist, dass sie von Grund auf neu beginnen könnten, und dass Technologie im Zentrum ihrer Aktivität steht“, erklärt sie.

Noch allerdings ist die Liefer-Infrastruktur von Amazon der von UPS oder FedEx weit unterlegen. „Amazon hat eine gute Präsenz in den Städten. Dort kann man freie Mitarbeiter mit Lieferwagen für kurze Touren beschäftigen“, sagt Ivanov. „Doch um ein bedeutender Paketdienst zu sein, muss man in jedem Teil der Welt präsent sein, und solche Netze sind sehr teuer aufzubauen und zu pflegen.“

Wie Thomas Davenport erklärt, der sich als Professor am Babson College mit Analytik-Programmen von Unternehmen beschäftigt, hat UPS mehr Logistik-Knowhow, als die meisten Leute denken. „EDGE ist nur das neueste in einer Reihe von großen, langfristigen Technologie-Projekten von UPS für bessere Routen und Telematik in Lieferwagen, bei denen jedes neue auf den vorigen aufbaut“, sagt er.

Bei künstlicher Intelligenz allerdings hat Amazon einen Vorsprung, den UPS erst noch aufholen muss. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen eine Gruppe für fortgeschrittene Technologie eingerichtet, die sich mit Möglichkeiten der KI-Nutzung beschäftigt. War das vielleicht schon zu spät? „UPS braucht alles an Technologie, Analytik und KI, was es kriegen kann, wenn es gegen ein Unternehmen wie Amazon konkurrieren will“, sagt Davenport.

(sma)