Kollege Roboter

Klein, leicht, sensibel: Roboter brauchen keine Zäune mehr und arbeiten mit dem Menschen Hand in Hand.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Bernd Müller
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Vor Robotern ist nichts mehr sicher – nicht einmal das Falten von Papierfliegern. Das Hobby ganzer Generationen von gelangweilten Schülern hat ein taiwanesisches Team des Schweizer Robotikherstellers ABB dem hauseigenen Leichtbauroboter YuMi beigebracht. Der wurde so trainiert, dass er Papierflieger faltet, knickt und sogar mit einem Logo stempelt. Und zum Schluss nimmt er Schwung und wirft den Flieger ins Messepublikum.

Das verblüffende Beispiel soll demonstrieren, wie feinfühlig Roboter hantieren können. YuMi sieht zwar aus wie ein Mensch, seine Aufgabe besteht aber nicht darin, diesen zu ersetzen. Vielmehr geht es um Zusammenarbeit. Mensch-Roboter-Kollaboration ist das heißeste Thema in der Robotik. Kleine Leichtbauroboter reichen Teile an, halten Bauteile fest oder räumen Schrauben in Kisten, in enger Kooperation mit den Werkern. Damit läuten Firmen wie ABB oder KUKA einen Paradigmenwechsel in der Automation ein.

Weltweit gebe es vielleicht 1000 Roboter im kollaborativen Betrieb, die also arbeitsteilig mit Menschen zusammenarbeiteten, schätzt Robotik-Experte Martin Hägele vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart. Genaue Zahlen seien noch nicht bekannt, die Zahl steige aber schnell. "Unsere Vision ist eine Welt ohne Zäune um Roboter", sagt Hägele. Kollaborative Roboter hielten Teile fest, führten mit dem Werker gemeinsam Montage- oder Bearbeitungsaufgaben aus oder dienten als Kraftverstärker. "Der Roboter trägt die Last, der Mensch führt ihn."

Hinter dem wachsenden Angebot kleiner und leichter Roboter für die Zusammenarbeit mit Menschen steht ein riesiger Bedarf. Vor zwei Jahren hätte ein großer Automotive-Kunde angeklopft mit der Frage, wie man Arbeitsplätze ergonomischer gestalten könne, berichtet Christian Tarragona, Leiter F&E Produktentwicklung beim Roboterhersteller KUKA. Angesichts des demographischen Wandels würde die Belegschaft in den Werken immer älter, wodurch die körperliche Leistungsfähigkeit abnehme. Der Automobilkonzern suchte deshalb nach konkreten Lösungen, um bestehende Arbeitsplätze so zu ertüchtigen, dass stupide Wiederholungen und belastende Bewegungen vermieden werden. "Hier hilft die Automatisierung bestehender Arbeitsplätze."

Das klingt nach Arbeitsplatzverlust. Doch genau das sei nicht gemeint, betont Tarragona. Bei der Mensch-Roboter-Kollaboration gehe es vielmehr um die Automatisierung von Tätigkeiten, die den Werkern schwerfielen und langfristig die Gesundheit beeinträchtigen könnten, für alle anderen Tätigkeiten bleibe der Mensch unverzichtbar, etwa wenn es zu einer Störung komme, schnelle Entscheidungen getroffen werden müssten oder besondere kognitive Fähigkeiten gefragt seien, wie beim Erkennen von Fehlern. "Es geht darum, die Stärken von Mensch und Maschine zu kombinieren", so Tarragona.

Dass dies bei der Belegschaft ebenso gesehen wird, belegt das Beispiel des Automotive-Kunden. Die Initiative für den Besuch bei KUKA war damals von der Personalabteilung und dem Betriebsrat ausgegangen und nicht, wie das bei früheren Automatisierungsrunden oft der Fall war, von Controllern und Unternehmensberatern, die ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze Kosten drücken wollten. Tarragona: "Beim Thema Mensch-Roboter-Kollaboration habe ich von Arbeitnehmervertretern noch nie ein negatives Wort gehört, die Haltung ist meist geprägt von Faszination und dem Wunsch nach Entlastung."

Die Mensch-Roboter-Kollaboration erfasst immer mehr Branchen und sowohl kleine und mittelständische Unternehmen wie auch große Konzerne. Es sind also nicht nur die Automobilhersteller, die sich dafür interessieren, auch Betriebe für Montagearbeiten können profitieren. Bemerkenswert ist zudem, dass die Nachfrage nicht nur aus bereits hoch automatisierten Ländern wie Deutschland kommt, sondern ebenso aus Asien. Dort gibt es unzählige manuelle Arbeitsplätze in der Elektronikindustrie, und die Unternehmen wünschen sich für diese unterstützende Automatisierung, etwa zum Anreichen von Bauteilen oder zum Bewegen größerer Lasten. Auch in bevölkerungsreichen Ländern wie China ist die Zahl qualifizierter Arbeitskräfte begrenzt, in Folge der Ein-Kind-Politik überaltert die Gesellschaft.

Für YuMi hat sich ABB auch Einsatzszenarien ausgedacht, wo der sensible Roboter mit den Oberarmen eines Bodybuilders gar nicht mit Menschen zusammenarbeitet, sondern dessen Verhaltensweisen nachahmt, um die Bedienung von technischen Anlagen zu prüfen. In seinem Entwicklungslabor im polnischen Krakau steht ein YuMi, vor ihm auf dem Tisch klebt ein Smartphone, auf dem eine App läuft, die Licht, Klimatisierung und Jalousien steuert. Diese gehören zu einem Smart-Home-System, das auf dem KNX-Standard basiert, für den ABB Komponenten entwickelt.