Springende Gene für die Genmanipulation

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In den USA wurde nun eigens ein Unternehmen für den Handel mit Knock-out-Ratten gegründet, die Firma Transposagen mit Sitz in Philadelphia. Bis Ende des Jahres will sie 150 verschiedene Knock-out-Ratten anbieten, kündigt sie auf ihren Webseiten an. Die wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie an den neuen Nagern seien groß, lässt Aron Geurts vom Medical College in Wisconsin durchblicken. Er gehört einem Knock-out-Ratten-Konsortium an, indem sich Forscher von Universitäten und der Firma Transposagen zusammengeschlossen haben. Auf der Berliner Tagung berichtet Geurts, dass es ihm bereits gelungen sei, mehrere Knock-out-Ratten für Herz-Kreislauferkrankungen zu erzeugen. Infarkte und Durchblutungsstörungen ließen sich an ihnen studieren und Wirkstoffe dagegen ausprobieren. Der einzige Nachteil sei, so gesteht er, dass sich nicht steuern lasse, welches Gen vom Transposon blockiert würde. Deshalb habe er einige Tausend verschiedene Ratten gentechnisch verändern müssen, um dann zu untersuchen, welches Gen inaktiviert worden war.

Die Erzeugung gentechnisch veränderter Tiere als Krankheitsmodelle ist indes nicht unumstritten. Tierversuchsgegner, wie Daniel Amann von der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie, beklagen, dass die gentechnische Veränderung von Tieren die Zahl der Tierversuche sogar weiter in die Höhe treibe. Die Statistik scheint ihm Recht zu geben. Er bemängelt, dass transgene Tiere Krankheiten des Menschen auch gar nicht umfassend widerspiegeln.

Ein ethisches Dilemma, denn ohne transgene Tiere müssten in Teilen ungeprüfte Wirkstoffe an Patienten getestet werden. Denn viele menschliche Krankheiten wie die Lungenerkrankung Mukoviszidose oder Diabetes treten schlichtweg nicht auf natürliche Weise in Tieren auf.

Unterdessen setzt die Pharmaindustrie auch aus anderen Gründen Hoffnungen in die springenden Gene. Kürzlich wurde in den USA erstmals eine Gentherapie mit einem Transposon genehmigt. Acht Patienten mit Lymphknotenkrebs, dem B-Zell-Lymphom, sollen in einer klinischen Studie behandelt werden. Mithilfe des Transposons sollen die T-Zellen ihres Immunsystems dazu gebracht werden, einen spezifischen Abwehrstoff gegen die Krebszellen zu produzieren. In Vorversuchen konnte mit diesem Eingriff die Zahl der Tumorzellen in der Petrischale zurückgedrängt werden. Perry Hackett von der University of Minnesota in Minneapolis, einer der beteiligten Forscher der Studie, ist dennoch zurückhaltend: "Es geht zunächst nur darum zu zeigen, dass diese erste Therapie mit springenden Genen sicher ist und die Patienten keine Leukämien entwickeln, wie dies bei anderen Gentherapien immer wieder vorgekommen ist."

Für die Studie soll eines des sanftesten springenden Gene verwendet werden, das derzeit verfügbar ist. Das Transposon "Sleeping Beauty", zu Deutsch: Dornröschen. Es wurde von den ungarischen Forschern Zsuzsanna Izsvák und Zoltán Ivics im Erbgut eines Zebrafisches entdeckt. Es konnte allerdings nicht mehr springen, wie beide feststellten. Ihnen gelang es, das tote Gen wach zu küssen. In Anlehnung an Grimms Märchen tauften sie es Dornröschen. Eine Besonderheit dieses Konstrukts: Es fügt seine genetische Fracht nur genau ein Mal in das Erbgut einer Zelle ein. Dagegen laden Viren, die bisher für Gentherapien verwendet werden, ihre Gene stets an mehreren Stellen im Genom ab. Dieser Übereifer der Viren wird als eine Ursache ihrer Gefährlichkeit angesehen. "Die Nebenwirkungen einer Gentherapie mit Dornröschen sollten deshalb geringer sein", hoffen Izsvák und Izsvák, die heute beide am Berliner Max-Delbrück-Centrum forschen. "Es könnte ein echter Ersatz für die gefährlichen Viren werden." (bsc)