Stolpernder Google-Killer

Cuil wollte mit moderner Technik die große Suchmaschine überholen. Doch der Start ging mächtig nach hinten los und zeigte, wie komplex das Problem ist.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Erica Naone

Als das Suchmaschinen-Start-up Cuil im Juli online ging, konnte die Superlative nicht groß genug sein. Man indiziere mehr Seiten als Google, könne sie nach Kontext und nicht bloß nach Popularität einordnen und biete gut organisierte Ergebnislisten mit einem besonders schönen Nutzerinterface, hieß es unter anderem. Es gab nur ein Problem: Tatsächlich funktionierte die Seite nach dem Start nicht besonders gut.

Am ersten Tag kämpfte das Angebot mit Serverproblemen und war längere Zeit nicht erreichbar. Wenn Cuil dann einmal funktionierte, spuckte die Suchmaschine für häufig nachgefragte Begriffe zwischenzeitlich gar keine Ergebnisse aus oder zeigte Irrelevantes oder Altes auf der ersten Seite. Suchte man bei Cuil z. B. nach "Cuil", enthielt die erste Ergebnisliste keinerlei passende Treffer, obwohl zahlreiche Presse-Websites die ganze Woche vorher über den Google-Konkurrenten berichtet hatten.

"Ich habe solche Dinge schon bei vielen Suchmaschinen-Start-ups erlebt", meint Suchmaschinenexperte Danny Sullivan vom Fachportal "Search Engine Land", "da gibt es dann Probleme damit, wie die Ergebnisse eingezeigt werden, Spam ist sichtbar, und es gibt viele doppelte Resultate". Das Problem: Bei Cuil hätte das eigentlich nicht passieren dürfen.

Zu den Gründern gehören absolute Koryphäen auf ihrem Gebiet: Anna Patterson und Russell Power spielten eine wichtige Rolle beim Aufbau von Googles großem Suchindex, und Tom Costello forschte an der Stanford University und bei IBM im Bereich Sucharchitektur und Informationsrelevanz. Neben dem Talent der Gründer sah es auch finanziell gut aus: Laut Medienberichten sammelte Cuil 33 Millionen Dollar an Risikokapital ein. "Cuil ist in vielen Bereichen eine Ausnahme. Im Gegensatz zu anderen Neugründungen hätte man diesem Unternehmen zugetraut, wirklich eine Chance zu haben. Doch sie konnten diesen Anspruch nicht erfüllen. Das macht es für andere Start-ups nun noch schwieriger."

Eines der Hauptwerbeargumente für Cuil war die Größe des vorhandenen Index. 120 Milliarden Web-Seiten wollte man erfasst haben – drei Mal mehr als andere Suchmaschinen. "Größe ist wichtig, weil viele Leute im Internet nach Informationen suchen, die sie interessieren, die aber nicht unbedingt auch populär sind", heißt es in der Firmenvorstellung. Für Sullivan ist Relevanz hingegen das wichtigste Kriterium. "Wenn man sich um die Größe des Index streitet, kommt schnell die Frage auf, wie obskur das wird." Die Idee eines Angebots, das die Nadel im Heuhaufen finden könne, sei zwar spannend. "Doch Cuil hat sehr schön gezeigt, dass es nur wenig hilft, wenn man den ganzen Heuhaufen auseinander nimmt. Dann hat man als Ergebnis eben nur ein bisschen Heu."

Der britische Investor Azeem Azhar, der eine strategische Position beim Suchmaschinen-Start-up True Knowledge bekleidet, meint, dass es zwar nützlich sei, eine große Wissensbasis zu besitzen. Wichtiger sei aber der Bereich, den man daraus schnell entnehmen könne. "Es gibt bestimmte Dinge, die die Nutzer erwarten, Tatsachen, die nützlicher sind als andere." True Knowledge versucht deshalb, sich auf einen Bereich zu konzentrieren: Das Auffinden von Antworten auf konkrete, direkte Fragen. Die daraus resultierende Datenbank soll auch eine Antwort wissen, wenn der Nutzer "Wer war Präsident, als Barack Obama ein Teenager war?" eintippt. Diese Konzentration auf Fakten, die von breitem Interesse sind, soll auch dann nützlich sein, wenn Informationen aus einer großen Datenbank kommen. Kann True Knowledge einmal eine Frage nicht beantworten, wird dies dem Nutzer angezeigt. Er wird dann gebeten, die Datenbank entsprechend zu ergänzen oder hat die Möglichkeit, traditionelle Suchergebnisse anzusehen.

Laut Azhar ist es außerdem noch immer schwierig, Grundprobleme bei der Suche anzugehen. Während viele Firmen versuchen, die Suche zu verbessern, indem sie Dokumente mit Hilfe natürlicher Sprache analysieren oder sie, wie bei Cuil, nach ihrem Kontext durchsuchen, bastelt True Knowledge an einer Datenbank, die Fakten und ihre Beziehungen untereinander enthält. "Wir bauen lieber eine Datenbank mit mehreren hundert Millionen Fakten, als das automatische Verständnis von Dokumenten zu verbessern. Das ist viel schwieriger."

True Knowledge ist derzeit nur in einer Testversion für den internen Gebrauch verfügbar. Das Unternehmen plant nicht, sich mit den großen Suchmaschinen wie Google direkt anzulegen. Interessanter sei, seine Dienste beispielsweise existierenden Portalen anzubieten, meint Azhar. Möglich wäre auch die Ergänzung traditioneller Suchergebnisse durch den Dienst.

Dieser Ansatz dürfte der sicherere sein. Als Google-Alternative oder als Konkurrent von Microsoft oder Yahoo ist die Fallhöhe zu groß, wie Sullivan meint. "Start-ups unterschätzen die Arbeit, die es macht, mit einem Giganten wie Google konkurrieren zu können." Schlauer sei es deshalb, die Angebote bestehender Suchmaschinen zu ergänzen und sich Nischen zu suchen. Beispielsweise könnte man sich auf bestimmte Inhalte konzentrieren, die Google und Co. nur schlecht abdecken. (bsc)