TR blickt auf 2020: Von bösen Innenräumen, fähiger KI und neuer Kernkraft

Technology Review mit der Online-Jahresrückschau – diesmal von Juli bis Dezember 2020. Welche Beiträge waren bei den Lesern am beliebtesten?

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(Bild: Photo by kazuend on Unsplash)

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Inhaltsverzeichnis

Websites haben bekanntlich den Vorteil, dass ihre Redakteure überprüfen können, welche Beiträge bei den Nutzern besonders populär sind – tagesaktuell, monatlich oder gar minütlich. Technology Review hat wie jedes Jahr zwischen Weihnachten und Sylvester in das TR-Online-Archiv geschaut und die zwölf populärsten Beiträge des Jahres 2020 von Januar bis Dezember für Sie ausfindig gemacht.

In der Rangliste der Popularität ganz oben befinden sich diesmal sieben Artikel aus dem Bereich Leben, drei aus dem Ressort Infotech und jeweils einer aus den Kategorien Energie und Produkte.

Corona hat die Mischung geprägt – doch das ist bei weitem nicht das einzige wichtige Thema dieses ungewöhnlichen Jahres. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern viel Spaß bei der Lektüre unseres Rückblickes auf TR Online 2020. Dieser hat wie üblich zwei Teile: Am gestrigen Montag haben wir uns mit den Monaten Januar bis Juni beschäftigt, am heutigen Dienstag geht es mit den Monaten Juli bis Dezember weiter.

Viele Forscher haben es früh vermutet: Der Mikrobiologe Chad Roy von der Tulane University in den USA zeigt als einer der ersten, wie das neue Virus SARS-CoV-2 in der Luft überlebt – nach seiner Studie bis zu 16 Stunden. Weitere weltweite Untersuchungen machen immer deutlicher, dass sich der Erreger hauptsächlich über die Luft überträgt, indem es nicht gleich zu Boden fällt, sondern in Aerosolen schweben bleibt. Demnach spielen Innenräume und sogenannte Super-Spreader, also Menschen, die viel größere Virenmengen auszuscheiden scheinen als andere, eine wesentliche Rolle in der Corona-Eindämmungsstrategie.

Aerosole sind winzig, nur wenige Mikrometer große Tröpfchen. Über die genaue Größendefinition sind Forscher sich uneinig. Auch, bei welchem Gewicht sie von der Luft getragen werden und wann sie zu Boden fallen, wird unterschiedlich definiert. Klar ist, dass Masken helfen, die Pandemie zu verlangsamen, indem sie die Aerosolfreisetzung behindern. "Wir müssen Bars und Restaurants subventionieren, damit sie geschlossen bleiben können", sagt Donald Milton, Aerobiologie-Experte an der University of Maryland. Belüftung, Luftreinigung und UV-Licht werden bei der Virusbekämpfung zum Einsatz kommen müssen. Der TR-Beitrag über die Rolle von Aerosolen in der Corona-Pandemie hatte im Juli 2020 die meisten Aufrufe.

Kein Sprachmodell einer KI ist so leistungsstark wie GPT-3 des unter anderem von Elon Musk und Microsoft finanzierten Forschungsunternehmens OpenAI. Seit Mitte Juli können das Tester der Betaversion bestätigen. Das System lernt aus Abermillionen von Satzschnipseln, die es im Netz findet und kann kohärente Texte verfassen. Wie genau die Maschine dabei vorgeht, bleibt bis zu einem gewissen Grad auch den Programmierern verborgen.

Beeindruckend ist jedoch die Qualität der entstehenden Texte. Das Sprachmodell erzeugt eine ganze Bandbreite von Kommunikationsformen, sprachliche wie symbolische. Ob Pressemitteilungen, technische Handbücher oder Kurzgeschichten, GPT-3 "schreibt" auch Gitarre-Akkorde oder Computercode. Die Leistungen begeistern nicht nur. "Dass GPT-3 sozusagen Code schreiben kann, erzeugt einen leichten Schauer", sagt etwa der berühmte Coder John Carmack, Pionier der 3D-Computergrafik. "GPT-3 ist beeindruckend, hat aber immer noch ernsthafte Schwächen und macht manchmal sehr dumme Fehler. Wir müssen noch eine Menge herausfinden", entgegnet Sam Altman, einer der Gründer von OpenAI. Der TR-Artikel zu GPT-3 war meistgelesener Artikel im August 2020.

Wie tödlich ist COVID-19? Es ist eine der beherrschenden Fragen des Jahres. In den westlichen Ländern erreicht die Sterberate unter den Erkrankten Ende April und Mitte Mai einen zwischenzeitlichen Höhepunkt. Im September lässt sich festhalten: Die Sterberaten liegen vor allem in Europa und in den USA in einem niedrigen einstelligen Bereich. Damit sie nicht wieder ansteigt, müssen Risikogruppen besonders geschützt werden.

In Deutschland erklärt das RKI die Entwicklung mit dem zunehmend jüngeren Alter der Infizierten und den vermehrten Tests, die auch an Menschen ohne Symptome durchgeführt wurden, sodass Corona-Fälle identifiziert werden, die andernfalls nicht aufgefallen wären. Für die Sterberate – im internationalen Sprachgebrauch auch CFR für "case fertility rate" – teilt man die Zahl der bestätigten COVID-19-Todesfälle durch die Zahl der bestätigten Infektionen. Mittlerweile konnten viele Länder die Behandlung der Viruserkrankung den neuesten Erkenntnissen anpassen. Als wirksame Mittel haben sich unter anderem Kortikosteroide bei beatmeten Patienten erwiesen, Sauerstoffbeatmung per Maske und Blutverdünner. Das zeigen Studien aus Deutschland und Großbritannien. Der TR-Beitrag zur sinkenden Corona-Sterberate hat im September 2020 die meisten User interessiert.