Trittbrettfahrer im Team: "Die Gutmütigen sind die Dummen"​

Viele haben Faulenzer im Team, deren Arbeit sie mitmachen müssen. Wie man mit Trittbrettfahrern umgeht, erklärt der Wirtschaftspsychologe Florian Becker.

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(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg

Wenn Trittbrettfahrer in ein einem Team geduldet werden, leisten auch die anderen irgendwann bewusst weniger. Eine Zeit lang können die Fleißigen die Faulheit ihrer Kollegen ausgleichen. Irgendwann ist das Team aber nicht mehr handlungsfähig, warnt der Wirtschaftspsychologe Prof. Dr. Florian Becker. Er empfiehlt, gegen absichtliche Faulenzer vorzugehen, um zu verhindern, dass sich Faulheit wie eine Krankheit ausbreitet.

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Sie kommen als Letzte zur Arbeit und gehen als Erste. Sie tun beschäftigt und arbeiten nur wenig. Faule ärgern die fleißigen Kollegen. Zu Recht?

Prof. Dr. Florian Becker

(Bild: privat)

Nur weil jemand spät kommt und früh geht, heißt das noch lange nicht, dass er oder sie faul ist. Mitunter sind solche Leute einfach nur effizient. Es ist eine weit verbreitete Meinung in Deutschland, dass, wer als erster kommt und als letzter geht, als fleißig gilt. Vielleicht ist der hohe Zeiteinsatz aber mangelnder Produktivität geschuldet. Wir sollten deshalb nicht pauschalieren, sondern genau hinschauen. Wer allerdings versucht, mit minimalem Input maximalen Output auf Kosten anderer aus einer Gruppe zu ziehen, der zieht zu Recht Ärger auf sich. Ich halte es sogar für notwendig, dass sich Teams vor Trittbrettfahren schützen. Wenn sie es nämlich nicht tun, sehen andere, dass auch sie selbst mit wenig Aufwand durch den Tag kommen können. Aus einem schwarzen Schaf wird dann leicht eine kleine Herde Gleichgesinnter. Die Gutmütigen sind dann die Dummen und reagieren durch Leistungsreduktion.

Ist Trittbrettfahren dasselbe wie Faulenzen?

Es kommt auf die Kompetenzen und Fähigkeiten eines Menschen an. Eventuell kann jemand nicht viel leisten, etwa weil er oder sie inkompetent oder erkrankt ist, vielleicht eine schwere Zeit daheim hat. Wenn aber jemand bewusst wenig leistet und das auf Kosten anderer geschieht, dann müssen diese das asoziale Verhalten ausbaden. Trittbrettfahren beschreibt absichtlich faules Verhalten zum Nachteil anderer Gruppenmitglieder. Trittbrettfahren ist somit eine Form des sozialen Faulenzens in Teams.

Wie verbreitet ist soziales Trittbrettfahren in den Firmen?

Wenn Menschen mit diesem Thema konfrontiert werden, hat fast jeder sofort ein Gesicht vor Augen, er denkt an eine konkrete Person in seiner Arbeit, die sich so verhält. Soziales Trittbrettfahren ist weitverbreitet und es ist menschlich. Wir Menschen sind wie andere Säugetiere grundsätzlich eher faul. Das wird offensichtlich, wenn wir uns für etwas motivieren sollen. Wir sind nicht geschaffen für eine modere Leistungsgesellschaft. Ein Beispiel dafür sind Studenten: Für viele ist es sehr schwer, regelmäßig zu lernen. Erst wenn sie wirklich müssen, fangen sie an – nämlich vor Klausuren. Das kommt daher, weil unsere Vorfahren sparsam mit ihren körperlichen Ressourcen umgehen mussten, um nicht zu verhungern. Es gab oft sehr wenig zu essen. Heute gibt es zwar Essen im Überfluss, die Faulheit steckt aber immer noch in uns und ist daher weitverbreitet.

Was sind das für Typen, die trittbrettfahrend durch den Tag kommen: Sind das die Cleveren oder Altkluge, die sich mit der Evolution herausreden?

Beides nicht. Soziale Trittbrettfahrer sind perfide Typen, die bewusst ihre Strategie durchziehen. Weil sie wenig tun, müssen andere ihre Arbeit machen. Studien belegen: Es sind eher Männer als Frauen, die sich auf Kosten ihrer Kollegen durch den Alltag mogeln. Frauen dagegen lassen andere weniger hängen. Untersuchungen zeigen außerdem, dass soziales Trittbrettfahren eine kulturelle Komponente hat. Kulturen, in denen das eigene Ego im Mittelpunkt steht, neigen eher dazu, etwa US-Amerikaner. In China, wo das Ich wenig und das Wir fast alles zählt, wäre solches Verhalten ein soziales Todesurteil. Wir Deutschen haben eine Kultur, die zum Missbrauch einlädt, indem sie Fehlverhalten gerne entschuldigt.

Woran erkennt man den sozialen Trittbrettfahrer, also denjenigen, der bewusst und ohne es zu müssen faul ist?

Es sind Arbeitsvermeider. Und das hat viele Ausprägungen. Sie legen beispielsweise häufige Pausen ein, führen langatmige und überflüssige Gespräche, sie ignorieren Anfragen, sind oft krank, stellen sich unfähig und haben es dann letztendlich oft geschafft, dass andere ihre Arbeit machen. Trittbrettfahrer haben ein Gespür für Opfer, die sich ausnützen lassen. Jeder Trittbrettfahrer braucht seine Lastesel.

Wie verhält es sich im IT-Zeitalter mit sozialem Trittbrettfahren?

Mitarbeiter, die digital zusammenarbeiten, sehen sich selten. Darunter leidet der Teamgeist. Deshalb gibt es in virtuellen Teams häufiger Konflikte, die länger andauern und schwerer zu lösen sind. Studien haben zudem gezeigt, dass die Bereitschaft für soziales Trittbrettfahren in solchen Teams erhöht ist. Wer sich selten sieht, nutzt andere stärker aus, weil die soziale Bindung schwach ist. In diesen Fällen sind Menschen eher bereit, ihren persönlichen Vorteil zu maximieren. Aber es gibt auch Vorteile moderner Arbeitswelten: Software macht viel transparenter, wer was arbeitet, Zuständigkeiten und Ziele lassen sich klar definieren. Diese Transparenz ist der größte Feind von Trittbrettfahrern. In einem gut aufgesetzten agilen Scrum-Team ist es schwer, sich zu verstecken.

Wie soll sich jemand verhalten, der einen faulen Kollegen im Team hat?

Zunächst die Beobachtung setzen lassen und reflektieren, ob die scheinbare Faulheit andere Gründe als soziales Trittbrettfahren haben kann, vielleicht persönliche, temporäre Probleme. Wenn nicht, dann die Vermutung mit anderen aus der Gruppe teilen und fragen, ob sie ähnliche Wahrnehmungen haben. Wenn andere Teammitglieder die eigene Erfahrung bestätigen, sollte eine deutliche Ansage an den Trittbrettfahrer erfolgen über die Erlebnisse mit ihm, etwa Mehrarbeit. In dem Gespräch soll unmissverständlich gesagt werden, dass solches Verhalten nicht akzeptiert wird. Zunächst allein, wenn das nicht hilft, als Gruppe und erst wenn das nicht fruchtet, folgt die Eskalation: die ganze Gruppe mit dem Vorgesetzten. Die Führungskraft wird reagieren, wenn sie kein instabiles Team will. Wenn mehrere Mitglieder sagen, dass einer im Team stört, muss er die Gruppe verlassen.

(vbr)