Trotz Verbesserung: 20 Prozent der Nutzerzeit gehen für Computer-Probleme drauf

Fast jeder von uns verwendet tagtäglich einen Rechner. Doch der Frust über die Technik scheint nicht abzunehmen. Usability-Forscher Morten Hertzum weiß warum.

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(Bild: file404/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.

Morten Hertzum ist Informationswissenschaftler an der Universität Roskilde. Er hat zusammen mit seinem Kollegen Kasper Hornbaek an der Universität Kopenhagen kürzlich eine umfassende Studie zum Thema Computerfrustrationen publiziert. Demnach gehen immer noch 20 Prozent der Nutzerzeit für vermeidbare technische Probleme drauf. Im Interview mit MIT Technology Review spricht Hertzum über die Frage, was Entwickler tun können, um Nutzer glücklich(er) zu machen – und ob künftige Mixed-Reality-Visionen Verbesserungen bereithalten.

Warum ist die Benutzung von Computern immer noch so frustrierend? Ihre Studie scheint zu zeigen, dass sich in den letzten zwanzig Jahren nicht viel zum Guten verändert hat.

Wir sehen durchaus Verbesserungen – aber auch, dass Frustrationen immer noch weit verbreitet sind. Das liegt zum Teil daran, dass Computer für noch mehr und noch komplexere Dinge genutzt werden. So sind zum Beispiel die Online-Aktivitäten seit den ersten Studien, die 2004 bis 2006 durchgeführt wurden, sprunghaft angestiegen.

Es gibt mittlerweile neuartige Schnittstellen wie Touchscreens auf Smartphones und Tablets. Sie sollten die Dinge doch eigentlich einfacher machen, weil Nutzer ein direktes Feedback bekommen?

Usability-Forscher Morten Hertzum.

(Bild: Universität Roskilde)

Neue Schnittstellen und dergleichen haben in größerem Maße neue Nutzungssituationen ermöglicht und natürlich neue Nutzergruppen erschlossen, als dass sie Frustrationen beseitigt hätten.

Zum Beispiel haben Touchpads die Mäuse auf Laptops ersetzt, aber Touchpads sind für viele Nutzer langsamer und führen dann zu mehr Fehlklicks als Mäuse.

Manchmal hat man den Eindruck, dass vor allem die Entwickler ihre Benutzer nicht ernst nehmen. Ist das eines der Probleme?

Entwickler dienen mehreren Herren – und die Benutzer sind nur einer davon. Firmen wollen beispielsweise Produkte vor der Konkurrenz auf den Markt bringen – das ist eines der Beispiele für wichtige Überlegungen, bevor eine Software erscheint.

Glauben Sie, dass das sogenannte Dogfooding, bei denen Entwickler gezwungen sind, ihre eigene Software zu nutzen, Developer dazu bringen könnte, sich stärker auf die Nutzer zu konzentrieren?

Dogfooding kann zwar dazu beitragen, das Bewusstsein für und die Wertschätzung gegenüber den Usern zu erhöhen. Allerdings unterscheiden sich Entwickler von den meisten normalen Nutzern – etwa im Bezug auf ihr technologisches Wissen, die Bereitschaft, sich um technische Probleme zu kümmern (im Gegensatz zu der Erwartung, dass die Technologie einfach funktioniert), die Aktualität ihrer Soft- und Hardware und so weiter. Das Dogfooding wird also wahrscheinlich nur einen Teil der Probleme aufdecken, die bei den Nutzern Frustration hervorrufen. Eine gängige Empfehlung im Rahmen des nutzerorientierten Designs lautet daher, dass Bewertungen zu einer Funktion nicht von den Entwicklern selbst vorgenommen werden sollten.

Auch der Wechsel von einer Plattform zur nächsten kann problematisch sein, z. B. von einem iPhone zu einem Android-Gerät oder von einem PC zu einem Mac. Was könnten die Entwickler hier besser machen?

In Bezug auf Nutzer, die zwischen den Plattformen wechseln, müssten viele Dinge besser gemacht werden, denn solche Wechsel sind mittlerweile ganz normal. Es sollte viel häufiger plattformübergreifende Standards geben. Gleiches gilt für die Übertragung von Daten von einer Plattform auf eine andere. Da gibt es noch immer viel zu viele Komplikationen.

Welche Personen haben Sie für Ihre letzte Studie befragt? Waren es hauptsächlich Fachleute oder normale Benutzer?

Es waren Menschen, die ihren Computer für die Arbeit, für die Freizeit und für Bildungszwecke nutzen. Ungefähr ein Drittel in jeder dieser Kategorien.

Sind wir frustrierter mit unserem PC bei der Arbeit oder in der Freizeit?

Wir haben keinen Hinweis darauf gefunden, dass Menschen bei der Arbeit mehr Frustrationen erleben als Menschen, die ihren Computer für Freizeitaktivitäten nutzen. Einige der Tätigkeiten, die zu den höchsten Frustrationsraten führten, werden jedoch von Berufstätigen durchgeführt.

Wir stehen kurz vor der Einführung von Mixed-Reality-Systemen, die eine deutlich natürlichere Bedienung versprechen. Könnte das hilfreich sein? Oder ist damit zu rechnen, dass wir nur anders gefrustet werden?

Mixed-Reality-Systeme werden höchstwahrscheinlich neue Arten von Frustrationen erzeugen, aber auch die Häufigkeit anderer reduzieren. Ein Beispiel sind zu langsame Systeme, die nicht reagieren, oder zu wenig Internet-Bandbreite. Das sind Probleme, die es bei Mixed-Reality-Systemen weiter geben wird. Oder sie werden sogar noch schlimmer.

An Nutzeroberflächen wird seit langem geforscht. Dennoch nimmt der User-Frust nicht ab. Forschen wir falsch?

Die Forschung im Bereich Usability und deren Bewertung hat in den letzten 10 bis 20 Jahren durchaus erheblich dazu beigetragen, die Frustrationen bei den Nutzern zu verringern. Das Problem war, dass man sich dabei eher auf positive Erfahrungen konzentriert, die die Menschen mit Technologie machen. Was einen bei der Verwendung eines Rechners glücklich macht (etwa wenn Aufgaben so gelöst werden, wie man sich das vorstellt), ist aber oft etwas ganz anderes als das, was einen frustriert (etwa ein langsam reagierendes System).

Computerfrust wird ihrer Studie zufolge vor allem bei eher einfachen Aufgaben ausgelöst, nicht bei komplexen. Warum gestaltet sich deren Design so schwierig?

Das sind dann Dinge, die einfach funktionieren müssen – und das in einer Vielzahl von Anwendungssituationen, Hardwarekombinationen, Softwareversionen und so weiter. Da werden dann auch einfache Aufgaben komplex.

Sind Softwareunternehmen ausreichend lernfähig?

Trotz der Verbesserungen der letzten Jahrzehnte liegt noch ein weiter Weg vor uns. Ein Teil des Problems besteht darin, dass die etablierten Methoden für nutzerorientiertes Design nicht ausreichend zum Einsatz kommen werden. Ein anderer Teil des Problems besteht darin, dass IT ein "moving target" ist, das Ziel bewegt sich also ständig weiter. Smartphones zum Beispiel werden immer komplexer und werden für immer mehr Zwecke eingesetzt. Diese ständige Weiterentwicklung schafft zwar neue positive Erfahrungen und neue Möglichkeiten, sorgt aber auch dafür, dass die Dinge – zumindest vorübergehend – "kaputtgehen" und damit Frustration verursachen.

(bsc)