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US-Krankenkasse zahlt Robo-Haustier

Veronika Szentpetery-Kessler

Die Roboterkatze von Joy for All schnurrt, um realistischer zu wirken.

(Bild: Ageless Innovation)

Der Hersteller Ageless Innovation stellt automatisierte "Katzen" und "Hunde" fĂŒr Senioren her. Die Gesundheitswirkung gilt als nachgewiesen.

Speziell fĂŒr Senioren angepriesene Produkte lösen bei ihnen oft VerĂ€rgerung aus – vor allem, wenn das Produkt an ein Spielzeug erinnert. So ernteten auch die sich etwas hölzern bewegenden animatronischen Schoßkatzen und -hunde von Ageless Innovation, einer US-Tochter des Spielwarenherstellers Hasbro, „vor allem von Technikjournalisten bissige Kommentare“, erzĂ€hlt Andrew Jeas, MitgrĂŒnder und Leiter des operativen GeschĂ€fts. Diese Tiere werden seit 2015 unter dem Markennamen Companion Pets vertrieben. „Aber fĂŒr jeden dieser Kommentare gab es andere, wo uns Menschen sagten: Mein Vater hat Alzheimer, und ihm hilft es.“

Ähnliche Beobachtungen machten auch Betreuer in Senioren- und Pflegeheimen in den USA. Der Bundesstaat New York kaufte der New York Times zufolge 1100 Exemplare, nachdem Probanden einer Pilotstudie sich mithilfe der Robotiere weniger isoliert und einsam fĂŒhlten.

Mehr als 50 Studien haben sich schon mit den Gesundheitseffekten von Robotertieren beschĂ€ftigt. Obwohl viele positive Auswirkungen fanden, vor allem bei Demenzkranken und Einsamen – die oft auch ĂŒber Depression klagen –, sind viele dieser Untersuchungen nach wie vor klein. Auch die Companion Pets wurden 2020 in einer Pilotuntersuchung der Krankenversicherung United Healthcare nur bei 216 kognitiv gesunden ĂŒber 65-JĂ€hrigen unter die Lupe genommen, die zuvor ĂŒber Einsamkeit geklagt hatten. Gemessen an der UCLA Loneliness Scale fĂŒhlten sich viele Probanden bei Kontrollterminen nach 30 und 60 Tagen weniger einsam.

Studieninitiator Jim Murphy, der inzwischen die Gesundheitssparte von Ageless Innovation leitet, gibt zu, dass trotz statistisch signifikanter Ergebnisse grĂ¶ĂŸere Studien nötig seien. Trotzdem seien die anekdotischen Beobachtungen, die er aus Seniorenwohnheimen hört, seit Jahren konsistent: „Es verbessert die negativ empfundenen Verhaltensmuster von Demenz. Es beschĂ€ftigt die Patienten und hilft gegen Aufgebrachtheit und AggressivitĂ€t“, so Murphy. Einsame Menschen seien plötzlich wieder kontaktfreudiger. Die große Mehrheit der Probanden hatte vorher ein echtes Haustier, sodass sie vielleicht auch deshalb positiv reagierten.

Inzwischen bietet die Krankenversicherung HealthPartners als erste seit diesem Jahr im Bundesstaat Minnesota an, Mitgliedern mit einer Demenz- oder Depressionsdiagnose die Kosten fĂŒr Companion Pets als Zusatzleistung zu bezahlen. „162 Mitglieder mit Demenz oder schwerer Depression haben ĂŒber unsere Zusatzversicherung eine Roboterkatze bekommen“, sagt David Martinson von HealthPartners.

Die Idee zu den Companion Pets kam dem Mutterunternehmen Hasbro vor knapp zehn Jahren. Schon 2001 fiel ihm nach der MarkteinfĂŒhrung der ersten animatronischen Spielsachen auf, dass diese auch bei Erwachsenen immer populĂ€rer wurden. 2011 begann das Unternehmen dann mithilfe von Bewohnern von betreutem Wohnen, eine animatronische Katze und einen Hund fĂŒr Senioren zu entwickeln, die sich so realistisch wie möglich ansehen, -fĂŒhlen und -hören.

So schnurrt etwa die Katze mithilfe von Aufnahmen nicht nur, sondern ihr Körper vibriert Ă€hnlich wie das Naturvorbild. Auf Wunsch von Probanden, die nicht mehr gut hören konnten, erhielt sie einen LautstĂ€rkeregler. Hinzu kam eine Prise Zufall: Zwar lösen an verschiedenen Stellen eingearbeitete kapazitive Sensoren bei BerĂŒhrung oder Bewegung spezifische Reaktionen wie Kopfbewegung, Blinzeln, Miauen oder Pfotenlecken aus, tun das aber nicht jedes Mal. „Ihre Katze rollt sich auch nicht jedes Mal auf den RĂŒcken, wenn sie sie am Kopf streicheln“, sagt Jeas.

Es ist schwer zu sagen, wie vielen Menschen die Roboter-Haustiere tatsĂ€chlich auf Dauer helfen. Kritiker wie die Psychologin Sherry Turkle vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) bemĂ€ngeln, dass keine echte Interaktion entsteht und die Maschinen Kontakt zu echten Tieren oder Menschen nicht ersetzen können. „Sie sind natĂŒrlich kein Ersatz. Aber solange wir die Technik ergĂ€nzend nutzen und auf PrivatsphĂ€re achten, haben therapeutische Roboter viel Potential“, entgegnet Robotik-Expertin Kate Darling vom MIT. Es ist also vielleicht wie mit vielen Therapien: Jeder muss herausfinden, ob es ihm hilft.

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(bsc [2])


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