Ultraflache Linse

US-Wissenschaftler haben ein neuartiges optisches System entwickelt, das nahezu ideale Eigenschaften haben soll.

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US-Wissenschaftler haben ein neuartiges optisches System entwickelt, das nahezu ideale Eigenschaften haben soll.

Optische Geräte sind trotz aller Fortschritte noch vergleichsweise voluminös. Ein Ingenieursteam an der Harvard University hat nun eine neuartige verzerrungsfreie Linse entwickelt, die mit 60 Nanometern 1500-mal dünner ist als ein menschliches Haar. Obwohl sie nahezu flach ist, erreicht ihre Fähigkeit, Licht zu brechen, die Grenze der physikalischen Machbarkeit.

So berichten es wenigstens die Wissenschaftler um Federico Capasso von der School of Engineering and Applied Sciences, dessen Labor die Technik zusammen mit Forschern der Universita Politecnica delle Marche in Ancona und der Texas A&M University in College Station entwickelt hat.

Federico Capasso und Team.

(Bild: Harvard SEAS)

"Wir haben einen Herstellungsprozess entwickelt, der ein ganz neues Linsenkonzept erlaubt", erläutert der Materialwissenschaftler Capasso. Dazu beschichteten die Forscher einen dünnen, durchsichtigen Siliziumwafer mit einer nanometerdicken Goldschicht. Teile der Goldschicht trugen sie anschließend ab, sodass V-förmige Nanostrukturen entstanden, die das Licht brechen. Anders als bei herkömmlichen Linsen wird das Licht schon an der Oberfläche einem Phasenwechsel unterzogen. Leuchtet man mit einem Laser darauf, fangen die Nanostrukturen dieses Licht kurz ein und geben es dann wieder frei. Die auftretenden Verzögerungen sind genau auf die Oberfläche der Linse abgestimmt.

Die Linse soll in allen wichtigen Lichtwellenlängen vom Nahinfrarot- bis zum Terahertz-Bereich arbeiten. Die Harvard-Wissenschaftler glauben, dass ihre flache Linse eines Tages in nahezu allen der bislang noch vergleichsweise sperrigen optischen Systeme verbaut werden könnte – vom Verteiler für Glasfasernetze bis hin zur Handy-Kamera.

"Nahezu ideale optische Eigenschaften": Das Design der flachen Linse.

(Bild: Harvard SEAS)

Linsen der aktuellen Generation in Brillen, Mikroskopen und anderen optischen Geräten gingen letztlich auf die im Mittelalter erfundenen Brillengläser zurück. Es sei Zeit für einen neuen Ansatz, sagt Capasso. Die Harvard-Wissenschaftler glauben, dass ihre Komponente eines Tages in nahezu allen der bislang noch vergleichsweise sperrigen optischen Geräte verbaut werden könnte – auch in Mikroskopen. "Die Entwicklung ist sehr aufregend", sagt Capasso, dessen Studie im Journal Nano Letters erschienen ist. Nano Letters selbst glaubt in einem Editorial an "Smartphones so flach wie Kreditkarten", wobei dazu natürlich auch noch die passende Bildschirmtechnik, extra schmale Batterien und besonders kompakte Chips hinzukommen müssten. Ein Anfang, glauben die Forscher, sei aber gemacht.

Ein besonderer Vorteil der flachen Linse von Capasso und Co. sind ihre optischen Eigenschaften. Abbildungsfehler wie der sogenannte Fischaugen-Effekt, der bei konventionellen Weitwinkel-Objektiven entsteht, soll es ebenso wenig geben wie astigmatische Effekte oder Koma. Das ist der neuartigen Materialform zu verdanken, die die Forscher auch eine "Metaoberfläche" nennen.

Verzerrungsfrei: Schematische Darstellung der neuen Linse.

(Bild: Harvard SEAS)

Die zu verarbeitenden Wellenlängen lassen sich durch Veränderungen von Größe, Winkel und Abstandsanordnung der Nanostrukturen bestimmen. Eine abschließende Bildkorrektur durch zusätzliche Linsen, wie sie üblicherweise benötigt werden, soll nicht mehr notwendig sein – das System ist so dünn und genau, dass es auch ohne geht. Das spart Geld und vor allem potenziell viel Platz.

Noch ist unklar, wann das neue optische System zu einem echten Produkt wird. Aktuell beschäftigen die Forscher sich noch damit, es so anzupassen, dass es schnell auf verschiedene Wellenbereiche getrimmt werden kann – eine Art Schnellschalter. Bis zur kommerziellen Verwertung dürften also noch Jahre vergehen. Unterstützung für das Forschungsprojekt kommt von der amerikanischen National Science Foundation, der Robert A. Welch-Stiftung, dem siebten Rahmenprogramm der Europäischen Union und dem Zentrum für Nanosysteme der Harvard University. (bsc)