Uruguay will verheerende Schraubenwurmfliegen gentechnisch ausrotten​

Die Viehwirtschaft Uruguays leidet unter einem kleinen Feind. Doch die Populationen der Schmeißfliegen-Art sollen per Gene Drive eingedämmt werden.

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(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Abdullahi Tsanni
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An einem warmen, sonnigen Tag in Montevideo, der Hauptstadt von Uruguay, ist die Luft smogfrei und frisch. In einer hoch gesicherten Anlage des Nationalen Instituts für Agrarforschung (INIA) befinden sich Zehntausende von genmanipulierten Fliegen, deren leuchtend blaue Flügel gegen die Wände ihrer kleinen, weißen Netzkäfige flattern. Sie stellen eine neue Waffe dar, die bald gegen einen Feind eingesetzt werden könnte, der Rinder tötet und die Viehwirtschaft jedes Jahr Millionen von Dollar kostet: die Neuwelt-Schraubenwurmfliege, ein in Teilen Südamerikas und der Karibik verbreiteter Parasit. Die weiblichen Fliegen legen ihre Eier oft in Wunden der Rinder. Aus ihnen schlüpfen wurmartige Larven, die sich in das Fleisch der Wirtstiere schrauben und auf ihrem Weg nicht nur die Haut beschädigen, sondern auch Fleisch fressen. Unbehandelt verenden befallene Tiere schließlich unter entsetzlichen Qualen.

Um die Schraubenwurmfliege zu bekämpfen, haben der INIA-Tierarzt Alex Menchaca und seine Kollegen mithilfe der Genschere CRISPR ein Genkonstrukt entwickelt, das nach und nach alle weiblichen Fliegen steril macht. Das Konstrukt manipuliert den Fortpflanzungsprozess der Fliegen so, dass es sich bevorzugt und schneller ausbreiten kann als gewöhnliche Gene. Deshalb heißt es auch "Gene Drive" (auf Deutsch: Genantrieb). "Mit Gene Drives können wir diese Schädlinge auf präzise und effektive Weise kontrollieren", sagt Menchaca.

Gene Drives kommen auch in der Natur vor, aber die Technologie zur gezielten Herstellung ist neu und noch ziemlich umstritten. CRISPR ermöglicht es Wissenschaftlern, bestimmte Gene in der DNA eines beliebigen Organismus zu schneiden und durch neue Sequenzen zu ersetzen. Damit kann die DNA eines Tieres in einer Weise verändert werden, die sich auf das Überleben der Art auswirkt, und zwar häufig dadurch, dass die Weibchen unfruchtbar gemacht werden.

Einige Organisationen haben versucht, Gene Drives zu entwickeln, um Moskitos auszurotten. "Target Malaria", das von der in Seattle ansässigen Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt wird, ist das derzeit am weitesten fortgeschrittene Gene-Drives-Projekt der Welt. Aber auch hier ist man noch nicht über Käfigversuche hinausgekommen. Das Genehmigungsverfahren für die Freisetzung im Freiland gestaltet sich schleppend.

2020 erhielten die INIA-Forscher von der uruguayischen Regierung die Erlaubnis, ihre Gene-Drive-Techniken im Rahmen des nationalen Programms zur Bekämpfung von Schraubenwurmfliegen zu testen. Derzeit experimentieren sie im Labor mit verschiedenen Komponenten der Gene Drives in geneditierten Schraubenwurmfliegen.

Geplant ist es, eine Population männlicher Schraubenwurmfliegen mit veränderten Versionen von Genen zu erzeugen, die für die Fruchtbarkeit der weiblichen Fliegen wichtig sind. Wenn die manipulierten Männchen in die freie Wildbahn entlassen werden, sollten sie sich mit Weibchen paaren und das Gen weitergeben. Im Laufe der Generationen werden immer mehr weibliche Schraubwurmfliegen Kopien des Genantriebs erben und steril werden, was zu einem Zusammenbruch der Population führt.

Die INIA-Forschenden stehen derzeit kurz vor der nächsten Stufe von Käfigversuchen im Labor. Dafür hat ihnen die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) Fördergelder in Höhe von 450.000 Dollar gewährt.

"Das Interessante daran ist, dass man die Entwicklung der Weibchen unterbrechen kann, wenn man ihnen ein Gen einpflanzt", sagt der Insektenkundler Maxwell Scott von der North Carolina State University, der mit dem uruguayischen Team zusammenarbeitet. "Das ist potenziell ein sehr effizientes System."

Mehr ĂĽber die Genschere CRISPR

Im Juli letzten Jahres rief Panama aufgrund von Schraubenwurmfliegen-Ausbrüchen im ganzen Land den tiergesundheitlichen Notstand aus. Und im Februar dieses Jahres wurden in Costa Rica mehr als 200 Fälle von Schraubenwurmfliegen-Befall bei Tieren gemeldet, was die Regierung veranlasste, ebenfalls den Notstand auszurufen. In Uruguay kostet die Schraubenwurmfliege die Viehwirtschaft jährlich zwischen 40 und 154 Millionen Dollar. Der Agrarexport aber ist der Dreh- und Angelpunkt der uruguayischen Wirtschaft. Über 80 Prozent der Waren, die das Land exportiert, sind Agrarprodukte. Dazu gehört auch Rindfleisch, das 20 Prozent davon ausmacht, im Wert von 2,5 Milliarden Dollar pro Jahr.

Umso wichtiger ist die Suche des Landes nach neuen Instrumenten zur Bekämpfung der Schädlinge, sagt Carmine Paolo De Salvo, Experte für ländliche Entwicklung bei der IDB. "Die Regierung [Uruguays] steht unter ständigem Druck, etwas dagegen zu unternehmen", sagt er.

Wissenschaftler versuchen schon seit Jahrzehnten, die Schraubenwurmfliegen zu bekämpfen. In den 50er-Jahren entwickelten Forscher des US-Landwirtschaftsministeriums die sogenannte sterile Insektentechnik (SIT). Dabei werden die männlichen Schraubenwurmfliegen mithilfe von Strahlung sterilisiert. Anschließend werden die DNA-geschädigten Männchen mithilfe von Flugzeugen über dem Befallsgebiet abgeworfen. Wenn sie sich mit wilden weiblichen Fliegen paaren, schlüpfen die Eier nicht, was das Wachstum der Population verlangsamt und die Ausbreitung des Parasiten verhindert.

Dieser Ansatz hat sich in vielen Ländern, auch in Teilen Mittelamerikas, bewährt, sodass Millionen von Tieren und Wildtieren aus dem schmerzhaften Griff der Schädlinge befreit werden konnten. In den USA funktionierte ein flächendeckendes Ausrottungsprogramm mit SIT so gut, dass das US-Landwirtschaftsministerium 1966 die Insekten innerhalb der Landesgrenzen für ausgerottet erklärte. Die Vorteile für die Viehwirtschaft waren immens: Die Erzeuger sparten bis zu 900 Millionen Dollar, und die Gesundheit von Wild- und Nutztieren verbesserte sich.

Doch selbst mit sterilen Männchen bleibt die Ausrottung der Schraubenwurmfliegen eine hartnäckige Herausforderung. Um zu verhindern, dass die Parasiten zurückkehren, betreiben die USA zusammen mit mittel- und südamerikanischen Ländern an der Grenze zwischen Panama und Kolumbien eine ständige Sperrzone mit sterilen Fliegen, was jedes Jahr eine kontinuierliche Lieferung von Milliarden von Fliegen erfordert. Dieser Aufwand ist zu kostspielig und reicht einfach nicht aus, um die Schraubenwurmfliegen in Südamerika auszurotten. Die Schädlinge sind zu fest etabliert und zu schwer zu überwachen, so die Forscher. Also wurde nach alternativen Methoden gesucht.