"Verkalkende Druckbehälter mit Explosionsgefahr" und Softwareprogramme

Noch immer schimpfen viele PC-Nutzer in den Betrieben über die Softwareprogramme, mit denen sie zu arbeiten haben. Dabei können diese oft gar nichts dafür. Schuld am Software-Frust der Angestellten sind meistens die eigenen Vorgesetzten.

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Von
  • Damian Sicking

Liebe SOS-Software-Geschäftsführer Joaquim Moreira dos Santos und Marc Gloning,

SOS-Geschäftsführer Marc Gloning

(Bild: SOS Software)

SOS-Geschäftsführer Joaquim Moreira dos Santos

(Bild: SOS Software)

haben Sie das mitbekommen? Philips ruft weltweit Millionen Senseo-Kaffeemaschinen zurück, allein in Deutschland mehr als eine Million. Ich hab die Meldung zuerst auf Spiegel-online gelesen. Beim ersten Satz des Artikels – "Verkalkende Druckbehälter mit Explosionsgefahr" – dachte ich zuerst, es wäre ein Beitrag über alternde Manager oder Bundeswehroffiziere, bis ich begriff, dass es um etwas anderes ging. Wobei ein Beitrag über die spezielle Situation älterer Führungskräfte gerade im mittleren Management mit Sicherheit auch sehr viele Leser finden würde.

Apropos alt: Ganz schön alt sehen viele Angestellte in den Unternehmen aus, wenn es um den Umgang mit ihrem PC geht. Sie sind schlichtweg überfordert. Wegen der Software. Das hat zumindest das britische Marktforschungsunternehmen Tickbox bei einer Befragung von 1.015 Arbeitnehmern in Deutschland herausgefunden. Nach dieser Studie finden vier von zehn Angestellten, dass ihe Bürosoftware schwierig zu bedienen sei. 38 Prozent der Befragten beschwerten sich darüber, dass die Software, mit der sie arbeiten müssen, mehr Funktionen habe als sie brauchen. 30 Prozent beklagten, dass die Programme nicht miteinander kompatibel seien, und weitere 30 Prozent monierten, dass die Software schlecht entwickelt sei.

Die Folgen sind nicht nur Frustration und Ärger bei den Angestellten, sondern auch eine schlechtere Produktivität. Zumindest sagten 22 Prozent der Studienteilnehmer, dass sie jede Woche bis zu fünf Stunden verlieren, weil sie mit den Softwareprogrammen nicht zurechtkommen. Bei weiteren 33 Prozent beträgt der Zeitverlust nach Angaben der Angestellten bis zu einer Stunde.

Also wieder einmal Prügel für die Softwarehersteller und ihre anwenderunfreundlichen Programme? Langsam! Seien wir ehrlich: Einer der wesentlichen Gründe für die unbefriedigende Beherrschung der Software liegt darin, dass die Leute einfach nicht ausreichend darauf geschult werden. Häufig ist es in den Unternehmen doch so, dass jemand vom User-Support den Kollegen mal schnell zeigt, wie es geht, und dann steht man mit dem Programm alleine da. Eine systematische und gründliche Einweisung und Einarbeitung der Mitarbeiter in das (neue) Programm? Viel zu häufig Fehlanzeige. Insofern ist die Zahl von 21 Prozent der Umfrageteilnehmer, die mangelnde Schulung für ihre Schwierigkeiten verantwortlich machen, viel zu gering. Letzten Endes lassen sich die anderen, oben angegebenen Gründe wie Funktionsüberfrachtung der Software auf diesen Punkt reduzieren.

Es ist erstaunlich, dass viele Unternehmen zwar viel Geld für die Anschaffung einer Software ausgeben, es aber anschließend den Mitarbeitern selbst überlassen, diese zu beherrschen (oder eben auch nicht). Das ist so, wie wenn man jemandem, der nie eine Schule von innen gesehen hat, einen Bleistift gibt, es ihm aber überläßt, sich das Schreiben beizubringen. Kein Wunder, dass nichts Gescheites dabei rauskommt. Und dann jammern die Vorgesetzten anschließend über die Dummheit ihrer Leute und die mangelhafte Produktivität. Am Ende sind alle unzufrieden, Vorgesetzte und Mitarbeiter, und Schuld daran ist immer die Software bzw. der Softwarehersteller.

Ich habe allerdings auch den Verdacht, dass die Systemhäuser in dieser Sache nicht immer einen tollen Job machen. Machen sie ihren Kunden wirklich klar, dass es sehr sinnvoll ist, nicht nur eine für ihre Zwecke gute Software zu kaufen, sondern dass es genauso wichtig ist dafür zu sorgen, dass die Angestellten routiniert und kompetent damit umgehen können, um die gewünschten Produktivitäts- oder Effizienzvorteile zu erzielen? Bieten sie ihren Kunden an, diese Schulung der Mitarbeiter zu übernehmen – zu einem angemessenen Preis natürlich? Ich fürchte, dass viele Systemhäuser in dieser Sache zu passiv sind und Geld auf der Straße liegen lassen. Würde mich interessieren, was Sie als Geschäftführer eines "Value Added Distributor mit Software von A bis Z" mit "über 22 Jahren Erfahrung im Softwaremarkt" dazu sagen.

Beste GrĂĽĂźe

Damian Sicking

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