Virtuelle Welt als Zufluchtsort vor Schmerzen

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Hoffman erforschte zuvor das menschliche Erinnerungsvermögen in Princeton und an der Universität von Washington. Zunächst dachte er an virtuelle Welten als Methode, mit der Menschen ihre Ängste überwinden könnten. 1993 wirkte er an der Entwicklung von "SpiderWorld" mit, einer Software, mit der Menschen mit Angst vor Spinnen virtuell nah an ihre achtbeinigen Angstmacher herangeführt wurden. Durch seine Bekanntschaft mit Patterson, der bereits als Psychologe mit Verbrennungsopfern arbeitete, kam Hoffman darauf, die VR-Behandlungsmethode auf das Gebiet der Schmerzbekämpfung zu übertragen. So entstand 1996 die "SnowWorld".

Mehr und mehr Krankenhäuser interessieren sich für die Technik, seit die Kosten heruntergehen und die virtuellen Welten besser werden. Das Preis für ein VR-System ist seit 1993 von 90.000 auf 30.000 Dollar gesunken. Das Gewicht des vom Patienten zu tragenden Helmes hat zugleich von etwa vier auf nur noch rund ein Kilogramm abgenommen.

Aber obwohl sich die Technik weiterentwickelt hat, gibt es immer noch Einschränkungen. So werden manche Patienten von der Bewegung durch die imaginäre Schneelandschaft von "Snowworld" seekrank, wenn sie mehr als 15 bis 20 Minuten darin verbleiben. Außerdem ist es nicht leicht, die richtigen Programmierer für derlei realistische, vereinnahmende Simulationen zu finden. "Man muss im Grunde so viel zahlen wie Disney", um solche Leute zu bekommen, sagt Patterson.

Obwohl die Forscher bereits von Risikokapitalgebern angesprochen wurden, überlassen sie ihre Spezialsoftware derzeit gerne anderen Partnern, sagt Patterson. Finanziert wird die Arbeit daran vor allem durch Mittel von den National Institutes of Health und der Paul Allen Foundation.

Einer der Partner ist das Weill Cornell Medical Center in New York, eine der größten Spezialkliniken für Verbrennungsopfer in den USA. Weill Cornell begann erst vor wenigen Wochen, bei Verbrennungsopfern mit der VR-Technik zu experimentieren. Aber für die psychologische Behandlung von Überlebenden der Anschläge vom 11. September 2001 wird sie schon seit fast drei Jahren genutzt.

Dr. JoAnn Difede, Dozentin an der Psychologie-Fakultät und Direktorin des Angst- und Trauma-Stress-Forschungsprogrammes am Weill Cornell Medical College, hat das System bei 15 Überlebenden aus dem World Trade Center eingesetzt. Bei diesen stockte der Behandlungsfortschritt, weil sie sich ihren Erinnerungen an die Anschläge nicht richtig aussetzen konnten.

Mit dem VR-System versetzt Difede ihre Patienten in ein virtuelles Manhattan kurz vor den Anschlägen und spielt dann schrittweise die Ereignisse des 11. September ein - komplett mit dem Ton von Berichten der Nachrichtensender. Die Behandlung hilft den Patienten, wieder zu ihren Erinnerungen des Tages zu finden; das sei ein wichtiger Schritt im Heilungsprozess, sagt Difede: "Die Heilung beginnt, wenn sie die Vorgänge wirklich erleben können".

Von Karen Epper Hoffman; Übersetzung: Ben Schwan. (sma)