zurück zum Artikel

Volkswagen Power Day: Investitionen in noch mehr Batteriezellen

Christoph M. Schwarzer
VW ID.3

Der VW ID.3 lädt derzeit maximal mit 125 kW. Das Ladenetz soll an vielen Stellen ertüchtigt werden, sodass die Infrastruktur mehr als 150 kW liefert. Es zeigt sich: Die Ladeleistung wird zu einem wichtigen, möglicherweise auch Wettbewerbs-entscheidenden Kriterium.

(Bild: VW)

Viel Geld soll Engpässe in der Zellfertigung und der Ladeinfrastruktur beseitigen. Dazu will Volkswagen das Elektroauto endlich als Zwischenspeicher etablieren.

Von Wolfsburg soll ein Beben ausgehen: Volkswagen will die Antriebswelt verändern. Die Pläne dazu haben die Köpfe des Konzerns heute am sogenannten Power Day vorgestellt. Ein Titel, der nicht zufällig an den Battery Day von Tesla erinnert: Natürlich hat sich Volkswagen von Tesla inspirieren lassen. Jetzt aber geht es darum, die Produktion von Batteriezellen, den Aufbau der Ladeinfrastruktur und die Integration von Elektroautos ins Stromnetz auf ein neues Level zu heben. Es geht um Stückzahl, um den ganz großen Stil, der dem – neben Toyota – umsatzstärksten Autokonzern der Welt entspricht.

Revolutionäre Neuigkeiten gab es beim Volkswagen Power Day nicht. Trotzdem bleibt der Konzern glaubwürdig, weil er konkret wird. Bis 2030 möchte Volkswagen 80 Prozent aller Zellen in einheitlichem Design ("unified cell") herstellen und so die Kosten senken. Die Zellchemie unterscheidet sich dagegen deutlich.

So verspricht Frank Blome, Leiter der Batteriezellentwicklung, für das Basissegment wie erwartet unempfindliche und preisgünstige Lithium-Eisenphosphatzellen (LFP). Sie sollen im Vergleich zu heute nur die Hälfte kosten. Der ID.1 und der ID.2 [1] werden damit nicht vor 2024 auf den Markt kommen. Im Volumensegment, und das ist tatsächlich neu, werden Zellen mit einem hohen Mangananteil in der Kathode, deutlicher weniger Nickel und ohne Kobalt zum Einsatz kommen. Erst darüber folgen die aktuell üblichen Zellen mit Nickel, Mangan und Kobalt (NMC) an der Kathode.

Das ferne Ziel ist – und hier nennt Volkswagen kein konkretes Datum – die Produktion von Festkörperbatterien. Mit der Beteiligung an Quantumscape will man diese interessante Idee umsetzen. Ein Plus von 30 Prozent in der Reichweite gegenüber heutigen Spitzenfahrzeugen soll damit möglich sein. Der Deep Dive in die Zellchemie wird durch Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender von Porsche, fortgesetzt: So forscht der Sportwagenhersteller am Ersatz von Graphit durch Silizium. Auch hier gibt es aber kein Einsatzdatum.

Ähnlich wie von BYD bereits praktiziert, plant Volkswagen ein Cell-to-pack-Batteriesystem. Das soll erstmals beim Projekt Artemis [2] passieren und dann in alle Baureihen überführt werden. Bei Cell-to-pack werden die Einzelzellen nicht erst ein Modul gepackt. Viele dieser Module bilden zurzeit das System. Stattdessen werden viele Einzelzellen ohne Modulebene zu einem Batteriesystem zusammengefügt. Das spart Platz und Geld. Denkt man diesen Ansatz weiter, kommt man zu Cell-to-car. Das bedeutet, dass die Einzelzellen optimal ins Elektroauto und dessen Karosserie integriert werden, also mit möglichst wenig Verpackung und Hülle, aber viel aktivem Material.

Volkswagen präsentiert auf dem Power Day auch das Recycling. Eine Pilotanlage in Salzgitter ist in Betrieb. Ähnlich dem von Duesenfeld bei Braunschweig präsentierten Verfahren ist eine Quote von über 90 Prozent erreichbar, allerdings noch nicht wirtschaftlich. Beim Recycling ist die Europäische Union gefragt, die lediglich 50 Gewichtsprozent als Quote vorgibt. Diese Quote müsste auf deutlich über 70 Prozent erhöht werden, um die sogenannte thermische Verwertung abzulösen. Das ist angedacht, aber nicht beschlossen.

2030 sollen 60 Prozent aller neu produzierten Volkswagen batterieelektrisch fahren. Daraus resultiert ein Bedarf von 240 GWh Kapazität pro Jahr. Diesem will Volkswagen mit sechs Fabriken mit je 40 GWh gerecht werden, unter anderem im Joint Venture mit Northvolt. Eine dieser Gigafactorys wird bis 2025 in Salzgitter errichtet. Man kauft also nicht zu, sondern baut zunehmend selbst. Die Fertigungstiefe bei den Batteriezellen soll rapide ansteigen. Dennoch hat Volkswagen bei Northvolt Batteriezellen im Wert von 11,7 Milliarden Euro bestellt. Zudem soll die Partnerschaft zwischen Volkswagen und Northvolt erweitert werden, wie das schwedische Unternehmen mitteilte.

Volkswagen will im Rahmen seiner eigenen Batteriestrategie von den Schweden in Europa vor allem Speicher für teurere Autos beziehen. Die Batteriefertigung in Salzgitter [3], bisher über ein Gemeinschaftsunternehmen betrieben, kommt komplett in die Hände von Volkswagen, weil Northvolt seine Anteile an Volkswagen abgibt. An dem niedersächsischen Standort sollen vorwiegend die Batteriezellen für den Einsatz in Massenmodellen gefertigt werden. Volkswagen wird nach Worten von Northvolt-Chef Peter Carlsson in kommenden Finanzierungsrunden auch weitere Investitionen in die schwedische Firma tätigen.

In Salzgitter wurden viele Jahre Verbrennungsmotoren gebaut, inzwischen entstehen dort Zellen für Batterien.

(Bild: VW)

Bei den schweren Nutzfahrzeugen ist sich Christian Levin von Traton (MAN, Scania) unterdessen sicher, dass batterieelektrische Antriebe ebenfalls eine wichtige Rolle spielen werden. Aus seiner Sicht können solche Fahrzeuge Preisparität bei den Gesamtkosten (TCO) mit dem Dieselmotor erreichen. Wann, weiß er nicht, aber dass es passiert, sei sicher, so Levin. Auch welche Strecken und Anforderungen damit bewältigt werden können, lässt er offen.

Der nächste Schwerpunkt der Präsentation am Volkswagen Power Day ist das Laden. Es solle so einfach wie Tanken werden, heißt es. Wesentlicher Pfeiler dafür wird ein Schnell-Netzwerk mit 18.000 Ladepunkten in Europa im Jahr 2025 sein. Die Ladeleistung soll mindestens 150 kW betragen. Neben dem bekannten Joint Venture Ionity [4] sollen 18.000 Ladepunkte an den Tankstellen von BP und Aral entstehen, die meisten davon In Großbritannien und Deutschland. Volkswagen wird rund 400 Millionen Euro investieren.

Als wichtiges Ziel formuliert Volkswagen die Integration der Elektroautos ins Stromnetz. Damit ist zum einen die Rückspeisung von elektrischer Energie ins (Haus-)Netz gemeint, also Vehicle-to-grid (V2G). Besonders für Besitzer einer Fotovoltaikanlage bietet sich hier eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Perspektive. Jede selbst genutzte und nicht eingespeiste Kilowattstunde spart Geld. Die Elektroautos von Volkswagen werden also, ähnlich wie es beim Hyundai Ioniq 5 [5] bereits der Fall ist, mobile Powerbanks.

Die Revolution bleibt aus, aber das Handeln ist echt. So lässt sich der Power Day von Volkswagen zusammenfassen. Über allem steht das Vorhaben, Elektroautos so kostengünstig und attraktiv zu machen, dass sie der alten Welt der Verbrennungsmotoren [6] überlegen sind. Hierbei bedient sich Volkswagen aller in der Branche gängigen Technikansätze.

(mfz [7])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-5988261

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/hintergrund/Volkswagen-und-Elektroautos-Die-Strategie-der-naechsten-Jahre-fuer-E-Mobilitaet-4972607.html
[2] https://www.heise.de/hintergrund/VW-Projekt-Trinity-soll-Massstaebe-setzen-ab-2026-5073378.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Volkswagen-erhoeht-Kapazitaet-fuer-Batteriezellwerk-4654917.html
[4] https://www.heise.de/hintergrund/Energiekosten-fuer-Elektroautos-Wie-teuer-wird-der-Fahrstrom-noch-5004991.html
[5] https://www.heise.de/hintergrund/Hochspannend-Hyundai-stellt-Elektroauto-Ioniq-5-mit-800-Volt-Batterie-vor-5056324.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Kommentar-Adieu-Verbrenner-4625216.html
[7] mailto:mfz@heise.de