Von der Bank zur Finanzplattform

Die Finanzbranche wird getrieben von agilen Fintech-Anbietern. Die klassischen Banken tun sich schwer, der Herausforderung des modernen Plattform-Bankings gerecht zu werden.

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Von der Bank zur Plattform

(Bild: "P3570137" / Franklin Heijnen / cc-by-sa-2.0)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Die Postbank hatte im vergangenen Jahr gut 17.000 Mitarbeiter und betreute mit ihnen etwa fünf Millionen Girokonten-Kunden. N26, eine im Februar 2013 gegründete Startup-Bank, kommt mit einer dreistelligen Mitarbeiterzahl bereits auf eine Million Kunden.

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Diese Zahlenverhältnisse zeigen: Es hat sich etwas geändert in der Bankenbranche, und die traditionellen Institute kommen beim Vergleich mit neuen Online-Anbietern nicht gut weg. Wie eine neue Studie der Unternehmensberatung Sopra Steria Consulting zeigt, sehen das auch die zuständigen Manager so: Nicht weniger 78 Prozent von ihnen gaben bei der Befragung an, erheblichen Korrekturbedarf beim eigenen Geschäftsmodell zu sehen.

Das Problem dabei liegt nicht einmal nur darin, dass Neustarter im Internet mit deutlich weniger Personal und somit Kosten auskommen: Wie die Berater von Sopra Steria schreiben, „rücken digitale Banking-Plattformen in den Fokus“. Das bedeutet: Anders als in der Vergangenheit beziehen Kunden Produkte und Dienstleistungen nicht mehr nur von ihrer eigenen Bank, sondern nutzen sie als Vermittler – oder eben Plattform – für verschiedenste Finanzdienstleister. Das Girokonto kann vom einen Anbieter kommen, das Depot von einem anderen, der Kredit von einem dritten – und die Plattform bildet das verbindende Element für eine übersichtliche Verwaltung.

Der Trend zu solchen Modellen ist im Digital-Zeitalter auch in anderen Branchen unübersehbar. Viele Menschen buchen zum Beispiel Flüge nicht bei den einzelnen Airlines, sondern über Portale wie Expedia oder Opodo, Hotels werden über Vermittler wie HRS oder hotel.de vermarktet – die erhebliche Provisionen von den Anbietern der Zimmer verlangen und so deren Gewinne schmälern.

Ein ähnliches Schicksal könnte nun auch Banken drohen. Gut die Hälfte der von Sopra Steria befragten Führungskräfte gab an, künftig auch Produkte von Drittanbietern vermarkten zu wollen, wie es zum Beispiel die Deutsche Bank bei Tagesgeld schon macht. Ein ungefähr gleich großer Anteil erklärte, zusätzlich bankfremde Dienstleistungen in das Angebot aufnehmen zu wollen.

Allerdings ist keineswegs gewährleistet, dass die Banken selbst zu den Plattformen werden können, die in Zukunft den zentralen Anlaufpunkt für Kunden bilden dürften: Mehr als die Hälfte der befragten Bankentscheider befürchtet, dass andere Plattformen große Marktanteile zu Lasten der etablierten Institute gewinnen werden.

Als die größte Bedrohung werden dabei Internet- und Mobil-Zahlungssysteme gesehen, gefolgt von neu gegründeten schlanken Online-Banken. Und natürlich besteht auch die Gefahr, dass bisherige reine Technologie-Unternehmen wie Google und Apple ihren Vorstoß ins Finanzgeschäft erweitern. Beide bieten bereits eigene Zahlungssysteme an, und Beobachter trauen ihnen durchaus zu, ihre Kontakte zu den bestehenden Abermillionen von Kunden auch für weiter gehende Finanzdienstleistungen zu nutzen. Ein weiterer Kandidat, dessen Einstieg ins Finanzgeschäft erwartet wird, ist der Handelsgigant Amazon. Und auch Facebook mit seinen monatlich gut zwei Milliarden Nutzern ist eine potenzielle neue Finanzmacht.

Insgesamt sagten in der Umfrage 87 Prozent der Bank-Entscheider, ihr Institut arbeite an einer eigenen Plattform für Kunden, und zwei Drittel geben an, sich eine technische Vorreiterrolle sichern zu wollen. Aber einfach wird das angesichts all der agilen Konkurrenz nicht. Rächen könnte sich dabei, dass die Digitalisierung mittlerweile zwar mehrheitlich als Chefsache behandelt wird, es aber dennoch nach Angaben der Befragten häufig weiterhin an einer einheitlichen Strategie dafür unter Beteiligung aller Abteilungen fehlt. Nur 22 Prozent der Banken binden laut Sopra Steria sämtliche Mitarbeiter in den Digitalisierungsprozess ein.

Der Weg vom Finanzinstitut zum Technologieunternehmen – denn nichts anderes werden Banken nach Ansicht von Beobachtern in Zukunft sein müssen – ist also noch weit. Immerhin bescheinigen Berater den deutschen Banken, bei der Automatisierung ihrer Geschäftsprozesse gute Fortschritte gemacht zu haben. Das senkt die Kosten, verringert aber kaum den technischen Rückstand zu reinen Fintech-Unternehmen, die sich mit solchen Umbau-Arbeiten gar nicht aufhalten müssen. Manche Institute werden sich deshalb wohl damit zufrieden geben müssen, in Zukunft nur noch als Produkt-Lieferant für die Finanz-Plattformen anderer Anbieter eine Rolle zu spielen – wenn überhaupt.

(sma)