Vor 50 Jahren: Das Patent fĂĽr LCD wird angemeldet

Unscheinbare Strichanzeigen standen am Anfang der LCD-Technik. Jahrzehnte später hat sie die Nutzung von Computern und Fernsehern revolutioniert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen

(Bild: TP Vision)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Karl-Gerhard Haas
Inhaltsverzeichnis

Am 4. Dezember 1970 meldeten der Schweizer Martin Schadt und der Deutsche Wolfgang Helfrich – beide Physiker beim Schweizer Pharmaunternehmen Hoffman-LaRoche – ein Patent auf Flüssigkristalle (Liquid Crystals, LC) an. Genau: auf die "nematische Drehzelle" (Twisted Nematic, TN). Mit der TN-Technik legten sie den Grundstein für LCDs in Smartphones, Computern und Fernsehern, wie wir sie heute kennen.

Die erste Beobachtung der Flüssigkristall-Fähigkeiten dokumentierte der Botaniker Friedrich Reinitzer bereits 1888. Er bemerkte aber nur die wechselnden physischen Zustände von Cholesterylbenzoat bei unterschiedlichen Temperaturen. Dass Flüssigkristalle Licht sperren oder passieren lassen, sie also in irgendeiner Form als sogenanntes Lichtventil für Anzeigen oder Bildschirme nützlich sein könnten, ließen sich 1936 Barnett und Nyman Levin, damals Mitarbeiter des britischen Unternehmens Marconi Wireless Telegraph Co., patentieren. Erst Jahrzehnte später, in den 1960ern, ging es – einmal mehr im Vereinigten Königreich – weiter: Cyril Hilsum, Halbleiter-Physiker, Leiter der Display-Abteilung beim Königlichen Radarinstitut RRE und Vorsitzender des Komitees zur Elektronenröhrenentwicklung forschte zusammen mit George Gray von der Universität Hull an Flüssigkristallen.

Auslöser ihrer Bemühungen war der Wunsch des damaligen britischen Forschungsministers John Stonehouse, Flachbildschirme zu entwickeln. Der Leiter des RRE, George MacFarlane, erzählte dem Minister bei dessen Antrittsbesuch, dass die britische Industrie für Patente auf Farbbildröhren mehr zahle, als die Entwicklung des Überschallflugzeugs Concorde koste. Zur damaligen Zeit hielt die Radio Corporation of America (RCA) alle wichtigen Farbröhrenpatente – und überraschte die Welt 1968 mit dem ersten funktionsfähigen Liquid Crystal Display.

Martin Schadt, der Erfinder der LCD-Technik, wurde 2013 mit dem Europäischen Erfinderpreis ausgezeichnet.

(Bild: Armin Kübelbeck, CC BY-SA 3.0)

Die von RCA gewählte Art der Ansteuerung, der dynamische Streumodus (Dynamic Scattering Mode), den der in Fachkreisen als LCD-Vater titulierte George H. Heilmeier ein Jahr zuvor entwickelt hatte, erwies sich aber als Irrweg. Erst mit dem TN-Prinzip von Schadt und Helfrich nahm die Technik die Richtung auf, die zu LC-Bildschirmen in der heutigen Qualität führten. Das Patent wurde den Forschern in 21 Ländern erteilt, die damalige Bundesrepublik verweigerte es. Und den Oberen bei RCA war das Flüssigkristallmaterial im Vergleich zu Halbleitern als Werkstoff zu schmuddelig: Sie blockierten die Entwicklung marktfähiger Produkte mit Heilmeiers Erfindung.

Die ersten kommerziellen Anwendungen der Flüssigkristallanzeigen waren die Displays von Taschenrechnern und Quarzuhren. Beide Produkte waren zuvor nur mit Leuchtdioden erhältlich, die viel Strom brauchten. Bei Quarz-Armbanduhren führte das dazu, dass sie die Uhrzeit nur auf Knopfdruck preisgaben. Mit den genügsamen LCDs hingegen war eine permanente Anzeige kein Problem.

Allerdings reagierten die ersten LCDs träge, schwarze Striche auf grauen Grund hätten nicht einmal für fotorealistische Schwarzweißbilder, geschweige denn Farbe gereicht. Ein weiteres Problem: Die einzelnen Bildpunkte (Pixel) werden bei den ersten "passiven" Displaytypen gemeinsam angesteuert. Gewollte Bildinhalte sprechen auf andere Teile des Schirms über. Gerade die typischen Fenster grafischer Computeroberflächen zogen Geisterstriche durchs gesamte Display.

Gegen die trübe Darstellung hilft es, wenn man die Flüssigkristalle als Lichtventile einsetzt. Sie blockieren das Licht einer Hintergrundbeleuchtung oder lassen es passieren. Gegen das Übersprechen helfen jedem Pixel zugeteilte Transistoren. Wer den Stand der Integrierten-Schaltkreisfertigung Anfang der 1970er kennt, kann erahnen, vor welchen Herausforderungen die Hersteller standen. Jahrelang war ein Großteil der Fertigung Ausschuss. Bis etwa zur Jahrtausendwende waren defekte Pixel von Computerbildschirmen ein häufiges Ärgernis.

Schematischer Aufbau einer nematischen Drehzelle: Eine vertikal polarisierende Filterschicht (1) lässt Umgebungslicht in nur einer Richtung durch. Das Glassubstrat mit Indiumzinnoxid-Elektroden (2) ist Teil des eigentlichen Bildwandlers - zusammen mit den Flüssigkristallen (3) und der hinteren Glasscheibe (4) mit einer weiteren Elektrodenschicht. Der hintere Polfilter (5) arbeitet in horizontaler Richtung. Als Lichtquelle (6) dient ein reflektierende Folie (bei Displays für den Außeneinsatz) oder eine Lichtquelle - an modernen Bildschirmen Leuchtdioden. In vielen Fällen bringt der Hersteller sie nicht hinter dem Bildschirm an, sondern seitlich davon. Quelle: Wikimedia Commons

(Bild: ed g2s, (CC BY-SA 3.0))

Dennoch eroberten die Flachdisplays ihren Platz am oder im Computer. Für Notebooks gab und gibt es keine Alternative – erst in jüngster Zeit erschienen wenige Topmodelle mit OLED-Displays (organische Leuchtdioden). In Büros wurden LC-Monitore trotz anfangs hoher Preise schnell beliebt. Sie brauchen weniger Platz als die klobigen Röhrenmonitore und geben weniger Wärme ab – die Klimaanlage hat also weniger zu tun. Ende der 1980er bis Ende der 1990er spezialisierte sich der japanische Hersteller Sharp auf LCDs für Videoprojektoren, Heimkinos wurden in der westlichen Welt Mode.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Erst nach der Jahrtausendwende wagte man sich an LCDs für TV-Geräte – die Fertigung wurde stabiler, es war möglich, Bildschirme in wohnzimmerkompatiblen Diagonalen zu fertigen. Allerdings: Heute eher winzig anmutende Bildschirmgrößen wie 82 Zentimeter (32 Zoll) oder 1,02 Meter (40 Zoll) waren richtig teuer – 2003 wollte Samsung für den LW 40 A 13 W die Kleinigkeit von 10.000 Euro. Von akzeptabler Qualität war nicht nur dieser Kandidat noch weit entfernt: Dunkle Bildpartien wirkten auf LCD-TVs zu jener Zeit milchig-matschig, Bewegungen schlierig, die Blickwinkelabhängigkeit war extrem stark. Je nachdem, von welcher Ecke aus man den Bildschirm betrachtete, kippte das sichtbare Bild mit einer Art Solarisationseffekt komplett um. Seit etwa 2010 aber sind auch Flüssigkristallschirme gut genug, um als Fernseher zu bestehen. Einziger echter Schwachpunkt bleibt die Schwarzdarstellung.

LC-Entwickler Schadt erhielt 2013 für seine Entdeckung den Europäischen Erfinderpreis. Andere arbeiten weltweit daran, die letzten LCD-Schwächen auszumerzen. Ob langfristig Mikro-LEDs oder andere Technologien das Rennen machen, ist offen.

(dahe)