Was Deutschland und Japan bei der Städtemodernisierung voneinander lernen können

Wir haben uns in Tokyo umgesehen, wo Technik bei Energieversorgung, öffentlichem Verkehr und Umweltschutz hilft– und wo sie über das Ziel hinausschießt.

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Inhaltsverzeichnis

Tokio ist mit fast 40 Millionen Einwohnern die größte Metropolregion der Welt. Auf einer Fläche knapp so groß wie Schleswig-Holstein leben hier halb so viele Menschen wie in ganz Deutschland. Drängen sich in Berlin bereits 4200 Einwohner auf einem Quadratkilometer, sind es in Tokio Stadt über 15.000. Der Platz ist knapp, die Wohnungen sind klein.

So viel Nähe würde hierzulande sicherlich zu sozialen Unruhen führen. Doch die Japaner gehen erstaunlich gut damit um und nehmen im öffentlichen Raum sehr viel Rücksicht aufeinander. In der U-Bahn gibt es kein Gedränge, jeder stellt sich brav an. Automaten kontrollieren die aufladbaren RFID-Karten der Fahrgäste beim Betreten und Verlassen der Stationen. Schilder weisen darauf hin, andere nicht durch laute Gespräche zu stören. Auch ständiges Starren aufs Smartphonedisplay gilt als unhöflich. Viele lesen lieber kleine Bücher – Papier ist in Japan nach wie vor ein hohes Kulturgut. Selbst auf überfüllten Plätzen und Bahnsteigen herrscht eine erstaunliche Ruhe. E-Roller gehören hier (noch) nicht zum Straßenbild. Gerade erst seit Juli erlaubt die Regierung, sie auch ohne Führerschein zu fahren.

Angst vor Taschendiebstahl muss man hier nicht haben: "Wenn Du Dein Handy in der Bahn vergisst, bringt es Dir zu 90 Prozent jemand hinterher oder die Bahnmitarbeiter finden es für einen", erklärt Niels Meinke, der fünf Jahre in Tokio lebte. Er arbeitet bei der Mitsubishi Electric Corporation (MELCo), einem der größten Elektronikkonzerne Japans. Von Klimaanlagen über Fahrstühle bis hin zur Marssonde stellt das Unternehmen fast alles her – in Deutschland wäre es am ehesten vergleichbar mit Siemens. Der Konzern lud uns ein, einige in der Entwicklung befindliche Systeme zu besichtigen, von autonomen Fahrzeugen über Roboter bis hin zu Energiesparhäusern. Vor dem Hintergrund der Taiwan-Krise und der neuen Annäherung der Bundesregierung an ihren "Wertepartner" im pazifischen Raum suchen auch die Japaner einen engeren Kontakt zu Deutschland, um sich auf wirtschaftlichem und technischem Gebiet auszutauschen.