Was der Weltraum mit dem Astronautenkörper macht

Seite 3: Eine neue Ära der biomedizinischen Weltraumforschung

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Wie genau diese Signalwege funktionieren und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, bleibt noch offen, aber "wir haben eine Grundlage, auf der wir aufbauen können – wir wissen, wonach wir schauen und worauf wir achten müssen, wenn Astronauten in Zukunft auf lang andauernde Erkundungsmissionen gehen", so Bailey. Obwohl einige der Veränderungen so nicht erwartet wurden, sind sie in der Regel kein Grund zur Beunruhigung. "Mir kommt dieses Anpassungsvermögen ans Weltall erstaunlich vor", sagt Jeffrey Sutton, Direktor am Baylor College of Medicine's Center for Space Medicine, der die Studie kennt. Bei Kelly nahmen Blutzellmutationen während seines Aufenthaltes im All ab (was Mason komplett überraschte). Astronauten zeigen zudem ein vermindertes Level von Biomarkern, die mit Alterungsprozessen in Verbindung stehen – und einen erhöhten Level von Mikro-RNA, die die Antwort des Gefäßsystems auf Strahlungsschäden und Mikrogravität regulieren. Eine der seltsamsten Entdeckungen war, dass die Mikrobiome der Därme von Astronauten fähig waren, Mikroorganismen, die auf der ISS vorhanden sind, auf die Erde zu bringen. "Die Studien sind jeweils für sich und im Gesamten wirklich beeindruckend", sagt Sutton. "Wir haben eine neue Ära der biomedizinischen Weltraumforschung eingeläutet."

Letztlich macht die Datenlage jedoch sehr deutlich, welch Stress und Durcheinander selbst den gesündesten Körper im Weltall erwartet. Auf die Planung späterer Missionen dürfte das einen Einfluss haben. "Ich glaube nicht, dass wir in absehbarer Zeit auch nur annähernd so weit sein werden, Menschen ins All zu schicken, die dafür nicht ausgebildet sind", sagt Scott Kelly. Physiologisch hält er es für sicher, Menschen auf einen Roundtrip zum Mars zu senden. In der Zukunft jedoch werde man wahrscheinlich Jupiter und Saturn zum Ziel wählen, vermutet er. "Man ist dann gleich mehrere Jahre im All. Und wenn es soweit ist, wird man sich künstliche Schwerkraft als entlastendes Mittel genauer ansehen müssen. Ich würde nicht gerne auf der Oberfläche eines anderen Planeten ankommen und nicht in der Lage sein zu funktionieren. Ein Jahr oder so ist machbar. Mehrere Jahre sind es wohl nicht."

Der Mensch ist noch weit davon entfernt, diese Arten von Risiko beurteilen zu können. Mason und seine Kollegen sehen die Notwendigkeit von pharmakologischen Strategien, die den Einfluss der Schwerkraft auf die Körper von zurückkehrenden Astronauten abmildern. Sutton glaubt, dass Präzisionsmedizin eine große Rolle darin spielen könnte, Medikamente anzufertigen, die Astronauten vor den Folgen von Mikrogravität und Strahlung schützen. Die gemeinsamen biologischen Reaktionen von Astronauten und Mount-Everest-Bergsteigern lassen vermuten, dass einige der Interventionen, mit denen Extremsportler vor oxidativem Stress geschützt werden, auch bei Astronauten angewandt werden könnten. Die Forscher wollen außerdem Menschen untersuchen, die zumindest in gewisser Weise ähnliche Konditionen wie Weltraumreisende erlebt haben, beispielsweise Patienten der Strahlentherapie, Piloten und Flugbegleiter. "Je mehr wir über gesundheitliche Auswirkungen von längeren Weltraumreisen wissen, umso besser werden wir in der Lage sein, Gesundheit und Leistung von Astronauten während und nach des Weltraumreisens zu bewahren", sagt Bailey. "Solch ein Wissen hilft uns sehr auf der Erde – wir alle machen uns Sorgen ums Älterwerden und darum, dann in keiner guten gesundheitlichen Verfassung zu sein."

(bsc)