Weiter Warten auf die Pille für den Mann

Seit Jahrzehnten wird an chemischen Verhütungsmethoden für Männer geforscht. Es gibt einige vielversprechende Ansätze dafür, doch der Durchbruch blieb bislang aus – auch weil es an Geld fehlt.

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Von
  • Emily Mullin
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Frauen haben seit Jahrzehnten viele Optionen für die Verhütung. Heute stehen ihnen unter anderem die Pille, Hormonpflaster, Schwämme, Diaphragmen, Vaginalringe oder Injektionen zur Auswahl. Für Männer dagegen gibt es immer noch nur zwei Methoden: Kondome oder eine Vasektomie.

Der Grund dafür ist nicht etwa, dass Männer nicht bereit wären, andere Möglichkeiten zu nutzen. Doch Forschung und Entwicklung in diesem Bereich sind von vielen unvollendeten Projekten und Fehlschlägen geprägt. Laut Forschern, die an Verhütung für Männer arbeiten, gibt es zwei Hauptgründe für den schleppenden Fortschritt. Erstens sei es schlicht biologisch komplizierter, die Produktion von Millionen Spermien von Tag zu verhindern statt nur die Freigabe einer Eizelle pro Monat. Und zweitens gebe es kaum Finanzierungen für klinische Studien mit solchen Medikamenten.

Zuletzt hat eine im Oktober veröffentlichte Analyse, unterstützt von der Weltgesundheitsorganisation, gezeigt, dass eine Hormoninjektion bei Männern Schwangerschaften bei ihren Partnerinnen effektiv verhindern konnte. Die Studie wurde jedoch 2011 gestoppt. Ausschlaggebend dafür war die Empfehlung eines externen Gremiums, nachdem es bei einem Teilnehmer zu einem Selbstmord und bei anderen zu schweren Nebenwirkungen wie Depressionen gekommen war.

Douglas Colvard, Ko-Autor der WHO-Studie und stellvertretender Programmleiter am Forschungsinstitut Conrad, bezeichnet die Ergebnisse als entmutigend. Die Hormontherapie – eine Kombination aus Progestogen und Testosteron – werde nicht weiter klinisch getestet, weil weder Conrad noch die WHO Geld hätten, um es mit einer anderen Formel zu versuchen., sagt Colvard.

Hormontherapien für Männer zielen darauf ab, die Bildung von Spermien zu unterdrücken. An diesem Konzept für männliche Verhütung wird seit vier Jahrzehnten geforscht. Tatsächlich zeigte sich bei einer Studie mit 1045 Männern aus China, dass ein injizierbares Verhütungsmittel auf Hormon-Basis die Spermaproduktion effektiv und reversibel stoppe. Doch das Unternehmen hinter dem Mittel, Zhejiang Ju Pharmaceutical, nahm keine weiteren Tests vor und trieb die behördliche Zulassung nicht voran.

"Zum Teil ist das geringe Engagement von Pharmaunternehmen darauf zurückzuführen, dass es in der Vergangenheit Enttäuschungen bei Produkten gab, die auf Hormone konzentriert waren", erklärt Aaron Hamlin, Geschäftsführer der Male Contraception Initiative, eines Verbands in Washington D.C. So hatten das deutsche Pharmaunternehmen Schering und Organon aus den Niederlanden 2002 eine Partnerschaft geschlossen, um eine Hormonpille für Männer zu entwickeln, diese Bemühungen aber ein paar Jahre später aufgegeben.

Gunda Georg, Professorin und Leiter der Abteilung für medizinische Chemie an der University of Minnesota, ist angesichts der vielen aufgegebenen Projekte und potenziellen Nebenwirkungen nach eigener Aussage "nicht sehr optimistisch", dass Hormon-Verhütungsmittel für den Mann auf den Markt kommen werden. Ihr Labor arbeitet stattdessen an einer nicht-hormonellen Alternative: einem Wirkstoff-Kandidaten namens Gamendazole, der die Entwicklung von Spermien beeinträchtigt. Dadurch werden unreife Spemienfragmente wieder im Hoden absorbiert, so dass kein kompletter Samen entsteht. Bei Ratten erwies sich der Wirkstoff als sehr effektiv und reversibel. Jetzt plant Georg weitere Versuche mit Affen, um mögliche Studien mit Menschen vorzubereiten.

Eine weitere nicht-hormonelle Methode namens Vasalgel könnte schon 2017 an männlichen Probanden getestet werden. Das von der Parsemus Foundation entwickelte Polymergel wird in den Samenleiter injiziert, durch den Spermien zum Penis gelangen. Es hat Ähnlichkeit mit einem Konzept, das in Indien verfolgt wird: RISUG (für reversible inhibition of sperm under guidance) befindet sich schon in klinischen Studien der Phase III, allerdings haben die Forscher Schwierigkeiten, genügend Teilnehmer dafür zu finden.

Laut Elaine Lisser, Leiterin und Gründerin der Parsemus Foundation, stoppt Vasalgel die Spermienproduktion bei Hasen, Affen und Hunden. Bei größeren Tieren sei es allerdings schwierig gewesen, diese Wirkung zu reproduzieren, also seien noch weitere Studien erforderlich.

Auch Verhütungspillen ohne Hormone werden erforscht, am Londoner Kings College zum Beispiel Penoxybenzamin, das derzeit nur gegen Bluthochdruck eingesetzt wird. Das schnell wirkende Medikament soll dazu führen, dass beim männlichen Orgasmus der Samenerguss ausbleibt, wurde bislang aber nur an Tieren getestet.

In Indonesien wiederum erforschen Wissenschaftler in klinischen Studien mit hunderten Männern Tabletten, die aus einem Strauch namens Gendarussa gewonnen werden. Der Pflanzenstoff scheint ein Enzym im Spermienkopf zu stören, so dass er nicht mehr in die Eizelle eindringen kann. Das Konzept wird bereits in Studien der Phase III getestet, doch für eine Zulassung in Industrienationen müssten dort eigene Studien vorgenommen werden.

Ein weiterer Kandidat kommt von James Bradner von der Harvard Medical School: Er hat einen Wirkstoff namens JQ1 entdeckt, der Spermienproduktion und -beweglichkeit hemmt. Bei Mäusen ließ sich die Spermienproduktion dadurch deutlich einschränken, und wenn der Wirkstoff nicht mehr injiziert wurde, nahm sie wieder zu. Bradner und sein Team hoffen, dass er sich zu einer Tablette weiterentwickeln lässt.

All diese Kandidaten brauchen jedoch Geld für Studien an Menschen, wenn sie Fortschritte machen sollen. Wie Lissner erklärt, sind 100.000 Dollar von den National Institutes of Health allerdings leichter zu bekommen als Millionen Dollar für klinische Spätphasen-Studien. Insgesamt gaben die NIH im vergangenen Jahr 424 Millionen Dollar für Forschung zu Verhütung und Reproduktion aus, den Großteil jedoch für Mittel für Frauen.

(sma)