Wie Twitter die Websuche beschleunigt

Einige Marktbeobachter glauben, dass der 140-Zeichen-Kommunikationsdienst die Zukunft von Google und Co. darstellen könnte.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Kate Greene

Als Twitter 2006 mit nicht viel mehr als der Frage "Was tust Du gerade?" an den Start ging, kritisierten viele Außenstehende den 140-Zeichen-Kommunikationsdienst als Ansammlung wenig interessanter Gedanken und trivialer Meinungsäußerungen. Drei Jahre später bewegt sich die Nutzerschaft im mehrstelligen Millionenbereich, zahlreiche Prominente twittern den ganzen Tag über und die Inhalte von Twitter-Postings, auch "Tweets" genannt, bewegen die Massen.

Twitter-Nutzer berichten über aktuelle Ereignisse, stellen Links zu Reportagen, Blog-Einträgen und Bildern ins Netz, sind meinungsstark. Die eingebaute Suchmaschine des Dienstes offenbart, was Menschen gerade über die neuesten Gadgets oder Filme denken. Besucher können so inspirierten Konversationen belauschen und durchaus die ein oder andere aufschlussreiche Information mitnehmen.

Google-Boss Eric Schmidt scheint das trotzdem wenig zu interessieren – jedenfalls gibt er sich öffentlich so. Bei einem Auftritt in der US-Talkshow "Charlie Rose" antwortete er auf die Frage, ob sein Unternehmen Twitter kaufen wolle, mit einem zurückhaltenden "Wir kaufen derzeit eher nichts" und tat das Angebot als eine Art eingeschränkte E-Mail-Funktion ab.

Trotzdem wächst Twitter weiter, nimmt an Größe und Substanz zu – und es scheint klar, dass sich darüber ein bislang einzigartiger Strom an Stimmungslagen im Netzvolk abgreifen lässt. Danny Sullivan, Redakteur des Fachblogs "Search Engine Land", sieht Ähnlichkeiten zum nicht enden wollenden Real-Time-Feed an neuen Videoinhalten, den man bei YouTube findet – 2006 von Google übernommen. Twitter könne dabei helfen, die Echtzeitsuche zu verbessern, meint er. Das sei ein Bereich, in dem Google selbst noch nicht besonders gut sei. Sogar beim Durchforsten von News-Angeboten könne der Internet-Riese Geschwindigkeit und Relevanz so genannter "sozialer Medien", die auf massenhaften Empfehlungen von Usern aufsetzen, wie etwa Digg und Twitter bislang nicht überholen.

Die Fähigkeit des Kommunikationsdienstes, auch die letzten Neuigkeiten darzustellen, wird bei der "Trends"-Funktion deutlich, die darlegt, welche Themen aktuell bei den Twitter-Nutzern am heißesten diskutiert werden. Als dieser Artikel geschrieben wurde, ging es unter anderem um Themen wie den "National Napping Day", eine Initiative für mehr Mittagsschläfchen, die gerade erfolgte Zeitumstellung in den USA und den neuen Film "Watchmen". Eine schnelle Suche ergab, dass fünf Personen in der letzten halben Stunde Tweets über einen Obama-Sketch abgesetzt hatten, der am vergangenen Wochenende bei "Saturday Night Live" lief. Der jüngste Tweet enthielt gleich einen Link auf das Video und war nur drei Minuten alt.

Bruce Croft, Professor für Computerwissenschaften an der University of Massachusetts, Amherst, meint, dass Twitters Suchfunktion auch dabei helfen könnte, wichtige Ereignisse zu ermitteln. "Wenn man eine große Anzahl von Unterhaltungen durchsuchen oder überwachen könnte, wäre es möglich, alarmiert zu werden, wenn etwas wirklich Bedeutendes passiert." Der Dienst sei außerdem eine weitere Möglichkeit, massives Datamining zu betreiben, um herauszufinden, was die Menschheit gerade tue.

Seit gut einem Jahr nimmt die Zahl der Marketingleute, die bei Twitter mitmachen, stark zu. Das liegt auch an deren Interesse an aktuellen Online-Trends. Sullivan räumt ein, dass der Dienst derzeit noch kein Google-Ersatz ist, von den Nutzern also auch nicht als hauptsächliches Suchwerkzeug verwendet wird. Trotzdem sei er für Unternehmen, die ein Gefühl dafür bekommen wollten, wie ihre Marke und ihre Produkte ankämen, ein enorm wertvolles Werkzeug geworden. "Wenn man ein Brandmanager ist, muss man dann Twitter durchsuchen? Ich würde sagen, dass das längst sehr wichtig wird." Dritte wie Google können Twitter-Inhalte hingegen nur schwer erfassen, weil sie offiziell nicht für Suchmaschinen herausgerückt werden. "Wenn ich bei Google wäre, würde mir das definitiv Sorgen bereiten", meint Sullivan.

Bei Twitter selbst denkt man ganz klar über Wege nach, die Inhalte seiner Nutzer besser aufzubereiten. Wenn man den Dienst nach Schlüsselbegriffen durchsucht, schaue die eingebaute Suchmaschine zunächst nach den neuesten Tweets, erläutert Firmenmitbegründer Biz Stone. Das Ergebnis wird dann anhand der Einstellzeit sortiert – sogar nur Sekunden alte Botschaften sind enthalten. Die dafür verwendete Technik stammt vom Start-up Summize, das Twitter im vergangenen Juli übernommen hatte – zuvor kämpfte die Firma mit einer unzureichenden eigenen Suchfunktion. Bis vor kurzem versteckte Twitter das Angebot noch – man musste "search.twitter.com" in den Browser tippen oder einen Link, der ganz unten auf der Homepage stand, anklicken. Twitter teste nun eine "besser integrierte Suchmaschine", sagt Stone.

So einfach es klingen mag, 140-Zeichen-Botschaften zu durchsuchen – die Anzahl von Nachrichten, die bei Twitter sekündlich in Echtzeit eingeht, ist so groß, dass das eine echte technische Herausforderung darstellt. "Unser größtes Problem aktuell ist nicht besonders spannend: Es geht darum, operativ und ingenieurtechnisch besser zu skalieren." Mit anderen Worten: Die Twitter-Programmierer müssen sicherstellen, dass das System unter der Last nicht zusammenbricht. Inzwischen hat der Kommunikationsdienst hier einiges an Boden gut gemacht: Noch vor gut einem Jahr war die Ausfallrate teilweise fast peinlich.

Als Summize noch selbstständig war, bekam die Firma Zugriff auf ein größeres Volumen an Tweets als die meisten anderen Third-Party-Entwickler für Twitter. In den Anfangstagen war es kein Problem, dies technisch zu realisieren, doch mit dem enormen Wachstum musste die Programmierschnittstelle (API) dafür erst angepasst werden. "Das brauchte unsere besondere Aufmerksamkeit", sagt Stone. Ingenieure bei Twitter arbeiten deshalb an einer neuen, besser skalierbaren Lösung. "Wir müssen uns genau überlegen, wie, wann und mit wem wir diese Technik testen, wenn es soweit ist."

Fragt man Stone nach einer Zusammenarbeit zwischen Twitter und Google, gibt er sich optimistischer als Eric Schmidt: "Wir sind große Fans und würden uns freuen, in Zukunft ein Partner zu sein." (bsc)