Wie die Sowjetunion den Mond verpasste

Seite 2: Viele Fehlschläge

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Chruschtschow jedoch war schon Geschichte, als im Februar 1965 das L3-Projekt offiziell angenommen wurde – mit geplantem Erstflug zum Mond im November 1967. Die Aufspaltung des Mondprogramms auf verschiedene Konstruktionsbüros, die längst zu eigenen Konzernen herangewachsen waren, verzögerte die Entwicklung jedoch.

Insgesamt waren 500 Organisationen aus 26 Ministerien beteiligt, die alle koordiniert werden mussten. Dann starb 1966 auch noch Koroljow, der Chefkonstrukteur. Bei der Entwicklung der Schwerlastrakete erwies sich bald als Nachteil, dass man keine leistungsfähigen Triebwerke zur Verfügung hatte. Die N1 war ursprünglich auf 75 Tonnen ausgelegt gewesen. Für ein Mond-Raumschiff musste sie 95 Tonnen befördern können. Während die erste Stufe der amerikanischen Saturn-V nur fünf der riesigen F-1-Triebwerke brauchte, benötigte die erste Stufe der N1 30 Triebwerke, die schwierig zu koordinieren waren.

Amerikanisches Spionagebild, das die Mondrakete N1 am 19. September 1968 auf dem Testgelände Tjuratam (heute Baikonur) zeigt.

(Bild: US Air Force commons.wikimedia.org)

Koroljows Nachfolger Wassili Mischin fehlten offenbar politischer Einfluss und Geschick, um das Projekt schnell voranzubringen. Im Februar 1967 folgte ein neuer Regierungsbeschluss, der das Programm priorisierte – und nun vor allem das Militär einband, das die Bodenarbeiten für die Startanlagen abschloss.

Doch als die Startrampe fertig war, konnte man sie nur mit einer Attrappe testen. Die erste voll ausgerüstete Rakete stand erst 1968 bereit. Am 21. Februar 1969 sollte sie zum ersten Mal abheben – ein Fehlstart. Der zweite Versuch, drei Wochen vor der amerikanischen Mondlandung, endete mit einer Explosion, die einen Teil der Startanlagen zerstörte. Auch die Starts 3 und 4 1971 und 1972 waren Fehlschläge, woraufhin 1974 die Arbeit an der N1 und das Mondlandeprogramm beendet wurden.

Die 5,20 Meter hohe Landefähre LK (Links) erreichte als einzige Komponente des sowjetischen Mondlandeprogramms die Einsatzreife. Sie wurde dreimal unbemannt im All getestet.

(Bild:  Eberhard Marx, CC BY 3.0)

Der Programmteil, der für die Mond-Umkreisungen zuständig war, wurde nicht weniger von Fehlern geplagt. Mit Proton-Raketen gestartete unbemannte Raumschiffe der L1-Serie (später "Zond") fielen immer wieder auf unterschiedlichen Stadien ihrer Reise aus. Einige Rendezvous-Versuche mit zwei Sojus-Kapseln im All gelangen.

Erst im September 1968 erreichte Zond 5 unbemannt (aber mit zwei Schildkröten an Bord) den Mond, näherte sich der erdabgewandten Seite bis auf 1.960 Kilometer, flog zurück zur Erde und landete schließlich statt wie geplant in Kasachstan im Indischen Ozean. Die beiden Tiere überlebten, wurden aber 39 Tage später seziert.

Zond 6 wiederholte im November 1968 das Kunststück, doch es traten so viele Probleme auf, dass ein bemannter Folgeflug zu risikoreich gewesen wäre (diesmal kamen die Schildkröten bei der Landung um). Wäre Zond 6 erfolgreich gewesen, hätte man versucht, die Amerikaner bei der (angekündigten) bemannten Mondumkreisung im Dezember noch zu schlagen. Und dann war es auch schon zu spät, denn im Juli 1969 landeten Armstrong und Aldrin auf unserem Trabanten.