Wie die weibliche Ökonomie nicht nur die Frauen voranbringt

Wer wirtschaftlichen Wohlstand möchte, muss die Gleichstellung von Frauen fördern, schreibt Linda Scott in ihrem Buch "Das weibliche Kapital".

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Zwei Frauen an einem Laptop

Zwei Frauen bei der Arbeit an einem Laptop.

(Bild: WOCinTech Chat / CC BY-SA 2.0)

Lesezeit: 3 Min.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Linda Scott hat die XX-Ökonomie erfunden, die die Rolle von Frauen in der Wirtschaft untersucht. Ihr neues Buch „Das weibliche Kapital“ ist die Essenz ihres Forscherinnenlebens. Das Werk ist eine ungeheure Verdichtung wissenschaftlicher Erkenntnis – alles (zumindest vermittelt es diesen Eindruck), was die emeritierte Professorin für Entrepreneurship und Innovation der Universität Oxford erzählt, ist wissenschaftlich belegt.

»Die westlichen Länder wurden zu wirtschaftlichen Supermächten, als verheiratete Frauen zunehmend berufstätig wurden.«

(Bild: Rick Bern)

Über 14 Kapitel rollt Scott den Zusammenhang zwischen Gleichberechtigung und Wohlstand auf. Sie räumt gnadenlos mit der Mär der Unabänderlichkeit der männlichen Vorherrschaft auf – und zeigt Auswege. Dabei entwickelt das Buch einen erstaunlichen Sog und liest sich – nicht zuletzt wegen der zwingenden Logik hinter ihren Ausführungen – ebenso erstaunlich leicht.

Wären da nicht die Beispiele aus ihrer Feldforschung. Scott erzählt sehr direkt mit einer Mischung aus Nüchternheit und Empathie etwa von der kenianischen Sitte der „Aneignung des Eigentums“ durch männliche Verwandte, die sich gewaltsam Ländereien und Häuser von Witwen einverleiben.

Oder von Mitgiftverhandlungen in Indien – zahlt die Familie der Braut nicht genug, wird diese mit Kerosin übergossen und angezündet. Jede Stunde stirbt so eine Inderin. Diese Abschnitte sind verstörend, so dass es schwer fällt, das Buch wieder in die Hand zu nehmen.

Bei allem, was sie analysiert, bezieht Scott sich stringent auf unser Wirtschaftssystem. XX-Ökonomie (XX steht für das 23. Chromosomenpaar, das unser genetisches Geschlecht festlegt) sei eine Schattenwirtschaft – fehlende Daten und eine, wie Scott sagt, „engstirnige Vorstellung davon, wie unsere Tauschsysteme funktionieren“, lassen die Rolle der Frauen aus den mathematischen Wirtschaftsmodellen herausfallen.

LINDA SCOTT: DAS WEIBLICHE KAPITAL, Carl Hanser Verlag, 416 Seiten, 26,00 Euro (E-Book 19,99 Euro)

(Bild: Carl Hanser Verlag)

Kritik an diesem Wirtschaftssystem und andere Faktoren, die Frauen zu mehr Gleichberechtigung verhelfen könnten, lässt sie außen vor. Das kann man kritisieren. Oder man lässt sich auf die Wissenschaftlerin ein, die diesen einen Strang konsequent verfolgt, dem Titel des Werkes treu bleibt und auch so über 400 Seiten braucht, um diesen einen Aspekt – den Zusammenhang zwischen Gleichstellung und steigendem Bruttoinlandsprodukt – konsequent zu belegen.

Das Buch ist kein feministisches Manifest – es ist die Aufarbeitung eines globalen Problems, das glasklar analysiert, weshalb das Patriarchat ein Fehler ist und weshalb ihre sexistischen, mobbenden männlichen Ökonomen-Kollegen einen blöden fachlichen Fauxpas begehen, wenn sie Frauen nicht mitrechnen.

Sogar witzig wird es, wenn Sie vorschlägt, das Patriarchat mit Weihnachtseinkäufen in die Knie zu zwingen: In den USA machen die Verbraucherausgaben 70 Prozent des BIP aus und mehr als ein Drittel davon entfallen auf das Weihnachtsgeschäft. Eine Senkung der Weihnachtsausgaben um 20 Prozent – und das jedes Jahr aufs Neue – brächte die westlichen Volkswirtschaften aus der Balance. Ziehen dann noch die Frauen Chinas am Neujahrsfest und die Indiens an Ramadan und im Herbst an Diwali mit, wäre diese Ausgabenminderung zu den großen Festen der Erde ein mächtiges Instrument, das die Männer den Frauen selbst an die Hand gegeben haben. Fast schon perfide.

(bsc)