Wie man durch die COVID-Nachrichten navigiert, ohne durchzudrehen​

Die Pandemie ändert sich schnell. Welche Möglichkeiten gibt es in der Berichterstattung, neue Informationen transparenter und besser aufzubereiten?

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(Bild: Photo Kozyr/Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Mia Sato
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Spätestens Anfang August waren die Träume vom heißen Partysommer verblasst, als die Delta-Variante des Coronavirus einen Anstieg der US-COVID-19-Fälle auslöste. Und gerade als wiederum viele dachten, es könne nicht schlimmer werden, meldeten die Medien eine neue Variante namens "Delta plus". Dieser Name erwies sich als irreführend, denn die Variante wurde nicht besonders bedrohlich, und es werden sich immer neue Virusvarianten entwickeln. Aber egal: Die Nachrichten darüber verbreiteten sich trotzdem, ebenso wie die Memes und panischen Social-Media-Posts.

Übereifrige Geschichten, die auf die Mutanten fokussieren, sind nur eine kleine Untergruppe der COVID-19-Berichterstattung. Sie stellen allerdings ein größeres Problem dar, mit dem ich bei all meinen Artikeln über die Pandemie gerungen habe: Gute COVID-19-Berichterstattung ist schwer. Gleichzeitig sah ich wie alle anderen als Nachrichtenleserin auch die andere Seite, auf der eine verworrene oder irreführende Berichterstattung Chaos und Verwirrung verursachen kann, wenn sich die besten Informationen regelmäßig verschieben.

"Doppelmutante", "Doomsday-Variante" und sogar "der Teufel" – dies sind nur einige der Begriffe, die für aufkommende COVID-19-Varianten umherschwirrten. Hinzu kam noch das Kofferwort "scariant", zusammengesetzt aus "scary" (beängstigend) und "variant" (Variante). Virus-Experten sagen jedoch, dass eine vorzeitige Medienaufmerksamkeit auf jede neue Variante von den wichtigsten Botschaften wie der Impfstoffwirksamkeit ablenken kann.

Gigi Kwik Gronvall, eine leitende Wissenschaftlerin am Johns Hopkins Center for Health Security, versucht beim Nachrichtenlesen über beängstigend klingende Varianten wie "Delta plus" die Implikation zurückzuweisen, dass es sich um eine gänzlich neue Spezies handelt. "Die Varianten sind keine Magie", sagt sie. "Die gleichen Dinge, die wir getan haben, um die erste Legacy-Version zu entschärfen, sind die Dinge, die wir gegen Alpha, Beta, Gamma und Delta unternehmen."

Es stimmt, dass die erhöhte Übertragbarkeit von Delta vielerorts zur erneuten Einführung von Maskenpflicht und Abstandhalten geführt hat. Aber bei einer Überschrift wie "Wie Sie feststellen können, ob Sie die Delta-Variante haben" muss man wissen, dass das letztlich keine hilfreiche Sicht auf die Geschehnisse ist. Zumindest in den USA wird die genetische Sequenzierung hauptsächlich für eine umfassende Überwachung verwendet und nicht bei Einzelfällen. Das bedeutet, dass die meisten Menschen, die sich mit COVID-19 infizieren, nie erfahren, welche Variante sie abbekommen haben, sagt Kwik Gronvall. Von den Ärzten werden so oder so alle gleichbehandelt.

Die Forscherin beklagt, dass Nachrichtenagenturen beim Berichten über neue Varianten manchmal "rufen, dass das Theater brennt", aber versäumen, "die Leute zu informieren, wo die Ausgänge eines Theaters sind und wie man dorthin kommt". Warum ist das so? Ein Grund dafür ist, dass "Scariant"- Geschichten Klicks hochtreiben und viele Verkaufsstellen auf digitale Anzeigen angewiesen sind, die Geld auf der Grundlage des Traffics generieren.

"Ich sage den Leuten immer, wenn diese Pandemie vor zehn Jahren passiert wäre, würden wir dieses Gespräch nicht führen", sagt Kwik Gronvall. "Diese Varianten würden irgendwann zehn Jahre später in einem Fachartikel erscheinen und niemand würde darauf achten. Wir würden uns weiterhin darauf konzentrieren, dass 'die Impfstoffe wirken – gehen wir uns impfen lassen.'"