Wie schnell gelingt die Energiewende? Ehrgeizige Pläne im Osten Deutschlands

Strom aus Wind- und Sonnenkraft soll Deutschland aus der Abhängigkeit von Öl und Gas befreien. Wie weit sind die ostdeutschen Flächenländer auf diesem Weg?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 152 Kommentare lesen

(Bild: Soonthorn Wongsaita/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien wollen die fünf ostdeutschen Bundesländer aufs Tempo drücken. Das zeigen die aktuellen Pläne der Landesregierungen für die kommenden Jahre. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung haben Brandenburg und Sachsen-Anhalt unter den Ostländern die Nase vorn. So werden zwei Drittel des Stromverbrauchs in Brandenburg rechnerisch mittlerweile aus erneuerbaren Energien gedeckt, in Sachsen dagegen nur ein Viertel. Eine dpa-Umfrage bei den zuständigen Landesministerien der fünf Länder und Fachverbänden ergibt folgenden Stand und Ausblick.

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Deutschland soll von zuletzt 42 Prozent bis 2030 auf 80 Prozent steigen. Vor allem auf die Windkraft an Land kommt es beim Abschied von Kohle, Öl und schließlich auch Erdgas an. Nötig ist nach jüngster Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums eine Verdoppelung der installierten Leistung bis 2030 auf mehr als 100 Gigawatt. Der Bedarf steigt auch für das Laden von Millionen Elektroautos. Das Ziel von zwei Prozent der Landesflächen für die Windenergie will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gesetzlich verankern.

Brandenburg liegt zurzeit im Osten an der Spitze mit rund 3700 Windturbinen, die auf 7,8 Gigawatt installierte Leistung kommen. Sachsen-Anhalt hatte Ende 2021 Windkraftwerke mit insgesamt 5,3 Gigawatt Leistung zur Verfügung. In Mecklenburg-Vorpommern sind 1850 Anlagen mit zusammen 3,6 Gigawatt Leistung in Betrieb. Hinzu kommen 231 Windräder in der Ostsee mit 1,1 Gigawatt. In Thüringen sind es gut 1,7 Gigawatt, in Sachsen knapp 1,3 Gigawatt. Bundesweit liegt Niedersachsen bei der an Land erzeugten Windenergie mit 11,4 Gigawatt auf dem ersten Platz.

Neben dem Wind sind Solarmodule die zweite wichtige Quelle fĂĽr sauberen Strom. In Brandenburg sind nach Angaben des Wirtschaftsministeriums derzeit Anlagen mit einer Leistung von etwa 4,5 Gigawatt installiert. In Mecklenburg-Vorpommern ist eine Leistung von 2,9 Gigawatt vorhanden. Im Jahr 2019, das sind die jĂĽngsten Angaben dazu, lag der Anteil von Photovoltaik an der Stromproduktion dort bei 9,2 Prozent.

In Sachsen gab es voriges Jahr laut Umweltministerium einen Zuwachs um 199 Megawatt (2020: plus 248 Megawatt). Insgesamt kommt Sachsen damit zurzeit auf etwa 2,6 Gigawatt Leistung aus der Photovoltaik. In Sachsen-Anhalt lieferten Mitte 2021 mehr als 39 000 Solaranlagen mit einer Leistung von knapp 3,3 Gigawatt erneuerbaren Strom. Im ersten Halbjahr 2021 kamen netto gut 2400 Anlagen hinzu.

In Thüringen kommt zurzeit Strom aus mehr als 37.000 Solaranlagen. Im ersten Jahr der Pandemie, 2020, wurden laut Umweltministerium so viele Solaranlagen installiert wie seit Jahren nicht - rund 3500 Anlagen gingen in Betrieb. Davon wurde nur ein Teil gefördert. 2021 waren es allein bis August knapp 2400 neue Anlagen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Eine weitere Säule der Ökostromerzeugung ist Biogas. Sein Vorteil: Mit gespeichertem Gas können Bedarfsspitzen gedeckt werden. Biogas kann auch Heizenergie liefern. Zuletzt ging es jedoch mit dem Ausbau nicht voran. Für 2021 erwartete der Fachverband Biogas zuletzt bundesweit einen Zuwachs um 60 auf 9692 Anlagen und eine Stromproduktion aus Biogas von 33.200 Gigawattstunden.

In mehreren Ländern heißt es, der Weiterbetrieb vieler bestehender Anlagen sei ungewiss. Denn nach und nach fielen sie aus der für 20 Jahre gesetzlich garantierten Einspeisevergütung heraus und würden dadurch oftmals unwirtschaftlich. So will sich Sachsen auf Bundesebene für bessere Rahmenbedingungen einsetzen. Thüringen dringt auf neue Förderinstrumente.

Mecklenburg-Vorpommern: Rechnerisch soll der gesamte Energiebedarf des Landes für Strom, Wärme und Mobilität bis 2035 aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Das hat sich die seit November amtierende Regierung als Ziel gesetzt. Der Windkraft komme dabei eine Schlüsselrolle zu.

Brandenburg: Die Stromproduktion soll ab 2030 zu 100 Prozent, die Wärmeerzeugung bis 2040 zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien bestehen. Das Wirtschaftsministerium hat den Entwurf einer Energiestrategie 2040 vorgelegt. Danach soll die installierte Leistung von Windkraftanlagen bis 2040 auf 15 Gigawatt verdoppelt werden.

Sachsen-Anhalt: Die CDU/SPD/FDP-Koalition hat bis zum Ende der Legislaturperiode 2026 ein Minderungsziel für CO2 festgelegt. Es entspricht einer Größenordnung von 750 modernen 4,2-Megawatt-Windkraftanlagen oder etwa 9000 Hektar Photovoltaikfläche. Das Land setzt bei Windparkprojekten auch auf verschiedene Kapitalbeteiligungsmodelle, zum Beispiel Genossenschaften, die auch kleine Investitionssummen von Bürgern ermöglichen. Derzeit sind 1,08 Prozent der Landesfläche per Raumordnung für Windräder gesichert. Auf weiteren 0,7 Prozent stehen alte Anlagen, dort ist der Ersatz durch stärkere Turbinen rechtlich oft schwierig. Energieminister Armin Willingmann (SPD) will mehr Gebiete für Windräder gewinnen.

Sachsen: Das bisherige Braunkohleland Sachsen hat sich neue Ziele im Energiesektor gesetzt. Voriges Jahr wurde ein Energie- und Klimaprogramm verabschiedet, wonach 2030 rund 65 Prozent des erwarteten Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien kommen sollen. Bislang lag der Anteil der Erneuerbaren bei ungefähr 25 Prozent, der mit Abstand meiste Strom wird aus Braunkohle erzeugt. Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) sagt: "Wir brauchen einen signifikanten Ausbau der erneuerbaren Energien."

Thüringen: Das Land will über sein im Januar vorgestelltes Landesentwicklungsprogramm den Windkraftausbau beschleunigen. Künftig sollen nach Angaben von Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (Linke) nicht nur die regionalen Planungsgemeinschaften, sondern auch die Kommunen Standorte für Windräder ausweisen können. Über das Landesprogramm "Solarinvest" fördert das Umweltministerium den Bau von Solaranlagen. Für 2021 fließen nach Angaben von Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) Zuschüsse von rund 11,7 Millionen Euro aus der Landeskasse. Das Programm soll 2022 in ähnlicher Höhe fortgesetzt werden. Ziel sind 100.000 Solaranlagen bis 2025.

(tiw)