Wind auf Vorrat

Der Energieversorger EnBW plant, Windenergie in unterirdischen Druckluftspeichern zwischenzulagern, damit Windkraft auch bei Flaute oder erhöhtem Strombedarf Energie liefern kann. Die Technik dazu ist seit langem bekannt und doch völliges Neuland.

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Der Energieversorger EnBW plant, Windenergie in unterirdischen Druckluftspeichern zwischenzulagern. Damit könnte Windkraft bei Flaute oder erhöhtem Strombedarf Energie liefern.

Bislang hat Windenergie zwei große Nachteile: Sie entsteht nicht dort, wo man sie braucht, und selten dann, wann man sie braucht. Der Wind bläst an den Küsten, fernab der Industriezentren, und kümmert sich nicht um die Lastspitzen der Energieverbraucher. Das hat erstens zur Folge, dass die Stromnetze für den Nord-Süd-Transfer des Ökostroms ausgebaut werden müssen. Wenn die Windenergie-Leistung wie geplant von 14.600 Megawatt 2003 bis 2015 auf 36.000 Megawatt ausgebaut wird, müssen nach einer Studie der Deutschen Energie-Agentur (Dena) bis dahin 400 Kilometer Stromtrassen verstärkt und 850 Kilometer neu gebaut werden. Schon wegen der Genehmigungspraxis gilt es unter Experten als illusorisch, dass diese Leitungen rechtzeitig fertig werden.

Zweitens müssen, wenn der Wind gerade einmal eine Pause eingelegt hat, so genannte Schattenkraftwerke in die Bresche springen. Das sind in der Regel Gaskraftwerke, die in Minutenschnelle angefahren werden können. Doch schon jetzt müssen Mittel- und zum Teil sogar Grundlastkraftwerke die Aufgabe übernehmen, den schwankenden Stromertrag auszugleichen, obwohl sie dafür gar nicht ausgelegt seien, sagt Fritz Crotogino von der KBB Underground Technologies GmbH, die sich auf die Erschließung unterirdischer Gasspeicher spezialisiert hat. Die Folge seien ein schlechter Wirkungsgrad und hohe Wartungskosten.

Dieses Problem wird sich in Zukunft durch den größeren Anteil von Windenergie noch verschärfen. Die Dena rechnet damit, dass der Bedarf an so genannter Regelenergie – also Energie zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage – von 2003 bis 2015 von 1200 Megawatt auf 3200 Megawatt steigen wird.

Der Energieversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) möchte nun beide Probleme – die Netzbelastung und den schwankenden Stromertrag – in einer Lösung angehen. Dazu plant der Energieversorger ein Druckluftspeicher-Kraftwerk an der deutschen Nordseeküste, in der Nähe der Windanlagen. In Zeiten, in denen es ein Überangebot an Strom gibt, wird Luft mit elektrischen Kompressoren verdichtet und in unterirdische Kammern – beispielsweise in ausgespülten Salzstöcke – gepresst. Übersteigt die Nachfrage an Strom das Angebot, treibt die Druckluft eine Turbine an, die über einen Generator Strom erzeugt.

Die Idee ist nicht neu. Bereits 1978 ging im niedersächsischen Huntorf ein Druckluftspeicherkraftwerk mit 290 Megawatt Leistung in Betrieb und läuft bis heute. Eine ähnliche Anlage arbeitet seit 1991 in Alabama. Bisher kranken solche Systeme aber an ihrem schwachen Wirkungsgrad von 40 bis 50 Prozent.

Um die Kompressoren nicht zu überhitzen, muss die Luft bei der Verdichtung nämlich gekühlt werden. Zur Stromerzeugung muss sie wiederum mit fossilem Brennstoff erhitzt werden, da die Turbinen sonst durch den starken Druckabfall vereisen würde. Der Windkraft-Boom führt jetzt zu einer Renaissance dieser Technik – allerdings mit entscheidenden Neuerungen.

Das geplante EnBW-Kraftwerk soll zunächst wie das in Huntorf mit Gasbefeuerung arbeiten. In der zweiten Phase werden sich die Entwickler dann auf völliges Neuland begeben. Erstmalig soll dann ein Druckluftspeicherkraftwerk nach dem so genannten „adiabaten“ Prinzip arbeiten. Adiabat („ohne Wärmeaustausch verlaufend“) bedeutet in diesem Fall, dass die Wärme, die bei der Kompression entsteht, zwischengespeichert wird und zum Anheizen der Luft bei der Rückumwandlung genutzt wird – ohne jede Zufeuerung fossiler Brennstoffe. Diese Anlage wird, wie Klaus-Peter Appenzeller, Projektleiter bei der EnBW AG, sagt, „sehr weitgehenden Forschungscharakter“ haben.

Bis es soweit ist, wird noch viel Wind über den Deich wehen. Denn bisher ist EnBW noch auf der Suche nach einem geeigneten Standort und Partner. Auch die Dimension der Anlage steht noch nicht fest. Sie soll zwischen 150 und 600 Megawatt liegen. Als Zeitpunkt für die Inbetriebnahme hat EnBW 2011 anvisiert.

Auch technisch gibt es bis dahin noch viele Probleme zu lösen. Stefan Zunft vom Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums forscht gemeinsam mit Alstom und MAN Turbo schon seit Jahren an adiabaten Druckluftspeicherkraftwerken. Zunft rechnet damit, dass diese frühestens 2015 serienreif sein werden.

Das Problem ist nämlich: Kompressoren, die den dabei entstehenden Temperaturen von bis zu 600 Grad standhalten, müssen erst noch entwickelt werden. Das gleiche gilt für Turbinen, die für sehr unterschiedliche Luftvolumen gleichermaßen optimiert werden müssen. Zudem müssen sie sich in Minutenschnelle anfahren lassen, um möglichst rasche und flexible Lade-Entlade-Zyklen zu ermöglichen.

Doch die größte Unbekannte ist der Wärmespeicher selber. Dafür kommt eine ganze Reihe von Medien in Frage – Naturstein, Keramik, Beton, Gusseisen, Nitratsalz und Mineralöl. Laut Zunft gibt es für Wärmespeicher dieser Dimension „weltweit noch keine Vorbilder“. Unter Berücksichtigung von Preis und Leistung sieht Zunft Speicher aus Naturstein oder Keramik als aussichtsreichste Kandidaten. Der Vorteil: Ein solches System käme ohne zwischengeschaltete Wärmetauscher aus, die Luft würde einfach durch Kanäle durch den Stein gepumpt und dabei Wärme abgeben beziehungsweise aufnehmen. Ein solcher Wärmespeicher würde rund 10.000 Kubikmeter umfassen.

Fritz Crotogino glaubt, dass Druckluftspeicher die gängigen thermischen Schattenkraftwerke zwar nicht völlig ablösen, aber doch erheblich entlasten werden. Windparks mit nachgeschalteten Speichern wären dann, so Crotogino, „ähnlich konventionellen Kraftwerken“ einsetzbar. Lukrativ wird das Ganze zudem durch die Tatsache, dass sich Regelenergie sehr teuer verkaufen lässt. „Stromveredelung“ heißt in der Branche das Prinzip, billigen Strom zwischenzuspeichern und zu Spitzenzeiten weiterzuverkaufen.

Als Energiespeicher haben Druckluftspeicher nur einen einzigen Konkurrenten: Pumpspeicherkraftwerke, die bei Stromüberschuss Wasser in einen hochgelegenen Speichersee pumpen und bei Bedarf wieder über eine Turbine verstromen. Sie haben einen Wirkungsgrad von 70 bis 85 Prozent und sind unerreicht günstig im Unterhalt. Dennoch sind ihre weiteren Karriereaussichten begrenzt. Zum einen stellen sie einen großen Eingriff in die Natur dar, zum anderen benötigen sie einen gewissen landschaftlich gegebenen Höhenunterschied – den es an Küsten, wo der Wind weht, nicht gibt. Zum Ausgleich bieten Küstenregionen eine andere geologische Besonderheit: zahlreiche Salzstöcke. (nbo)