Windenergie: Luft raus?

Ohne Windräder keine Energiewende. So sagen es die Befürworter. Die Gegner ­hingegen sind überzeugt, dass es auch andere Wege zum Klimaschutz gibt, und sehen in den Rotoren vor allem Lärmquellen und Vogelkiller. Können also Solarmodule Windkraftwerke ersetzen? Wie groß ist die Gefahr für den Naturschutz? Und wie breit ist die Ablehnung tatsächlich? Acht Antworten auf eine hitzige Debatte.

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(Bild: Technology Review)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Manuel Berkel

Neun Windräder noch, dann ist Schluss. Zu oft war das Freiburger Energieunternehmen Badenova auf den Kosten für geplante, aber letztlich nicht gebaute Windparks sitzen geblieben. Windkraftgegner und Naturschützer sorgen vielerorts dafür, dass sich Projekte um mehrere Jahre verzögern oder komplett scheitern. Von den bereits geplanten Windparks im Schwarzwald wird der Regionalversorger nur noch die ­Hälfte fertig bauen.

Die Freiburger bestätigen damit einen besorgniserregenden Trend. Der Ausbau der Windkraft ist im vergangenen Jahr dramatisch eingebrochen. In Zukunft könnte eine umstrittene Abstandsregel der Bundesregierung den Stillstand sogar auf ­Jahre zementieren: Windräder sollen selbst zu Mini-Siedlungen mit fünf Häusern einen Abstand von mindestens 1.000 Metern einhalten. Mit dieser rigorosen Vorschrift könne die Bundesregierung ihr nächstes Etappenziel für Ökostrom jedenfalls streichen, warnt das Umweltbundesamt: "65 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 wären in Deutschland bei Einführung eines Mindestabstands von 1.000 Metern zu Wohn­bebauung nicht erreichbar."

Doch welche Bedenken haben zum Windkraft-Desaster geführt? Blockieren wirklich zu viele Anwohner neue Windparks? Technology Review analysiert die Gründe für den Stillstand der wichtigsten Ökostrom-Technologie und zeigt, mit welchen Ideen sich die Hindernisse überwinden lassen.

Für die Windbranche bot das Jahr 2019 gute wie schlechte Zahlen: Mit einem Anteil von 21 Prozent am Strommix schwangen sich Windräder an Land und auf See zum wichtigsten Energieträger in Deutschland auf. Nach Daten des Energieverbands BDEW lag die Windenergie erstmals vor der Braunkohle. Anlass zur Sorge war jedoch die geringe Menge der neu gebauten Rotoren. Im abgelaufenen Jahr wurden nur noch Anlagen mit etwa 950 Megawatt (MW) zugebaut, wie vorläufige Zahlen der Fachagentur Windkraft an Land zeigen. Das waren 60 Prozent weniger als im ohnehin schon schwachen Vorjahr. Damit ist der Ausbau der wichtigsten Ökostrom-Technologie noch deutlicher zurückgegangen, als es Experten bereits befürchtet hatten. 2017 wurden noch Anlagen mit 5300 MW ans Netz angeschlossen, 2018 kündigte sich mit 2400 Megawatt bereits eine deutliche Abkühlung an.

Weil in den kommenden Jahren zudem viele Anlagen aus der 20-jährigen Förderung fallen, könnte die installierte Kapazität sogar sinken. Dabei sind eigentlich 4000 Megawatt Zubau nötig, also etwa 1200 bis 1300 Anlagen. Nur so könnte die Bundesregierung nach einer Analyse des Thinktanks Agora Energiewende ihr eigenes Klimaschutzziel für 2030 erreichen, nämlich eine CO2-Minderung um 55 Prozent gegenüber 1990. In der Analyse ist noch nicht einmal eingerechnet, dass die neue EU-Kommission das europäische Klimaschutzziel für 2030 weiter erhöhen will. Um das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten, müsste Deutschland seine Emis­sionen nach Agora-Berechnungen gar um 73 Prozent senken – beim bisherigen Tempo schwer vorstellbar.

(jle)