Windkraftjobs: Der Offshore-Service-Techniker – der Weg ist der Umweg

Mit klassischen Ausbildungsberufen wie Elektriker oder Mechatroniker ist auch die Arbeit Offshore möglich. Für diesen Job muss man aber auch tough sein.

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(Bild: heise online/Johannes Börnsen)

Lesezeit: 21 Min.
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

In Deutschland und Europa geht angesichts fortwährender Diskussionen um Energie-Engpässe infolge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine die Sorge vor einem Blackout um. Die Energiewende in Deutschland gilt, je nach Betrachtungsweise, als verzögert oder auch gescheitert. Vielerorts werden Schreckensszenarien skizziert.

Wir haben beschlossen, nach vorne zu blicken und uns genauer anzusehen, was als einer der großen Faktoren für das Gelingen der Energiewende gilt: die Offshore-Windkraft. Um einen genaueren Einblick zu erhalten, was tatsächlich Offshore passiert, installiert und gepflegt wird, haben wir die WindMW GmbH besucht, die sowohl auf Helgoland, als auch in Bremerhaven und Zossen tätig ist.

Diese Artikelserie umfasst mehrere Teile, die wir von Dienstag bis Freitag dieser Woche veröffentlichen.

Bisher erschienen:


Den Ausbildungsberuf "Offshore-Service-Techniker" gibt es bisher nicht. In der Regel haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WindMW Service GmbH deshalb Vorerfahrungen in anderen Berufen gesammelt oder klassische Ausbildungen in anderen Bereichen gemacht und sind dann zur Windkraft gekommen.

Tomasz "Tomek" Sroka ist zum Beispiel eigentlich gelernter Mechatroniker und hat nach einer Ausbildung im KFZ-Bereich eine ganze Weile für Onshore-Windkraftanlagen gearbeitet. Momentan durchläuft er noch eine dreimonatige von der IHK anerkannte Weiterbildung zur Fachkraft Elektrotechnik für Windenergieanlagen, die von WindMW bezahlt und unterstützt wird. Andere Mitarbeiter haben früher noch auf Onshore-Plattformen für die Förderung von fossilen Energieträgern gearbeitet und sind nun im Umspannwerk oder den Turbinen tätig.

Service-Techniker Tomek nahm uns in den ersten Stunden in der Station von WindMW sprichwörtlich an die Hand und zeigte uns die Büros, Gemeinschaftsräume, Umkleiden und auch das Lager von WindMW. Währenddessen berichtete er uns einiges über seinen Arbeitgeber.

Permit to entry – not denied

Auf Helgoland arbeiten rund 50 Personen für die WindMW Service GmbH. Es sind viele Industrie-Elektrikerinnen und -Elektriker bei WindMW angestellt, aber auch Lageristen und Logistiker werden gebraucht, denn auf See kann nicht einfach drauflos gewerkelt werden. Für alles wird aus Sicherheitsgründen ein "Permit to entry" ausgestellt und auch die Lagerhaltung und zielgenaue Bestückung, der auch in ihrem Raum begrenzten Service-Schiffe, spielt eine wichtige Rolle.

Das eigene Lager auf Helgoland umfasst die wichtigsten und gängigsten Ersatzteile, Schmierfette und Öle, aber alles was auf Helgoland gebraucht wird, muss auch immer durch den Zoll. Dementsprechend versuchen die Lageristen und anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr genau abzuschätzen, was vor Ort bald wieder gebraucht werden könnte.

Ersatzteile im Lager.

(Bild: heise online/Kristina Beer)

Die übergeordnete Leitungsebene kümmert sich um die sicheren Abläufe im Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Sicherheit der technischen Anlagen. In der Zentrale und bei den administrativ arbeitenden Angestellten ist genau vermerkt, welcher Service-Techniker welche Fähigkeiten hat – für welche Arbeiten er quasi freigeschaltet ist.

Für die Organisation wird, wie es vor Ort vereinfachend heißt, eine Art "SAP" für Offshore-Firmen genutzt. Aus der Zentrale heraus kann über die Software genau gesehen werden, wo gerade welcher Techniker im Einsatz ist. Und auch die Leitwarte in Bremerhaven bekommt im 24/7-Dienst diese Daten freigeschaltet, um zu wissen, was auf dem Meer los ist – etwa zur Koordinierung von Notfalleinsätzen.

Schiffe melden sich bei der Leitwarte immer dann an, wenn sie in der 500-Meter-Zone um den Windpark sind. Schiffe mit einer Länge über 24 Meter dürfen in den Park nicht einfahren (ausgenommen Behördenschiffe). Die eigene IT-Abteilung kümmert sich um die Fernüberwachung (Scada) und auch den Tetra-Funk.

Gearbeitet wird auf See dann in der Regel in Dreier-Teams, da dies auch eine externe Sicherheitsempfehlung ist. Die Kollegen müssen sich auf einander verlassen können, stehen sich in den Schichten zur Seite und sollen im Notfall keine Probleme haben, erste Hilfe leisten zu können. Gibt es nämlich schwerere Verletzungen, müssen die Betroffenen mit einem Hubschrauber aufs Festland ausgeflogen werden. Der Hubschrauber muss innerhalb von 30 Minuten an der Anlage sein und soll auch innerhalb von 30 Minuten zurück zum Festland kommen.

Aufgrund der speziellen Lage, haben alle Technikerinnen und Techniker eine erweiterte Erste-Hilfe-Ausbildung. Die Rettung aus engen Räumen wird ebenfalls speziell im Vorfeld trainiert. Und auch Tele-Medizin steht für Notfälle zur Verfügung.

Bevor sie früh morgens in die Parks fahren, wurden schon am Vortag von Lageristen anhand der zuvor erstellten To-Do-Listen Werkzeuge und Ersatzteile verpackt. Und auch die Technikerinnen und Techniker packen ihre Verpflegung und die eigene Ausrüstung in eine persönliche Tasche, die von den Lageristen aufgenommen wird. Diese Dinge werden dann auf eines der Schiffe der Firma verladen und später an den Turbinen über die Hebekräne auf den Transition Pieces zum eigentlichen Einsatzort gebracht.

Aus Sicherheitsgründen stehen die Technikerinnen und Techniker nicht einfach auf dem Schiff, schnappen sich zwei oder drei Werkzeuge und klettern dann am Windrad hoch. Das wäre zu gefährlich, denn schon der Übertritt zur Windkraftanlage birgt einige Gefahren.

Mit Offshore-Service-Technikern auf See (17 Bilder)

Eine Dreiviertelstunde braucht die "Seewind I" für die 25 Kilometer bis zum Windpark Meerwind Süd | Ost nordöstlich von Helgoland. Johannes Börnsen ist mitgefahren und berichtet von seinen Erlebnissen.
(Bild: heise-online/ Johannes Börnsen)

So versucht der jeweilige Kapitän der Schiffe vorsichtig an das untere Stahlrohr des Windrads anzudocken. Mit weichen Gummilappen stößt das Schiff dann auch schon gegen eine mit abstehenden Streben gesicherte Leiter am Transition Piece.

Die Technikerinnen und Techniker warten auf Deck auf ein Zeichen der Crew, um dann von Deck auf die Leiter zu kommen – während das Schiff sich mal mehr oder weniger auf- und abbewegt. Kommt plötzlich eine große Welle, die das Schiff stärker anhebt, müssen sich die Kletternden nah an die Leiter heranziehen, bevor sie weiter aufsteigen können. Zugleich sichern sie sich schon – wie in einem Kletterpark – an Halteseilen, die an der Turbine befestigt sind.

Die eigene Sicherung an Haltekonstruktionen setzt sich auf der Anlage immer wieder fort. Wie Johannes live beobachten durfte, ist aber eben schon der Übertritt auf ein Transition Piece ein kleines Abenteuer.

Da auch diese Sicherheits-Systeme nicht unendlich belastbar sind, ist für die Beschäftigten an den Windkraftanlagen ein Höchstgewicht von 120 Kilogramm vorgeschrieben. Zudem wird die Fitness der Angestellten regelmäßig geprüft. Denn neben der körperlichen Anstrengung, die die Arbeit und etwa die Aufstiege an den Turbinen überhaupt schon mit sich bringt, kommen auch klimatische Herausforderungen auf die Technikerinnen und Techniker zu.

In den Windkraftanlagen staut sich manchmal Wärme, halten sich die Beschäftigten tagsüber auf den TPs auf, können sie einer hohen Sonneneinstrahlung oder auch großer Kälte ausgesetzt sein.

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Wie der Site Manager erklärt, habe es schon Fälle gegeben, in denen Beschäftigte den gesundheitlichen Anforderungen nicht entsprochen hätten. Diese mussten dann zunächst wieder an ihrer Fitness arbeiten. Erst dann durften sie wieder zurück in den Dienst.

Auf die Frage hin, ob sich – wie auch in anderen Handwerksbetrieben – hieraus ein früheres Rentenalter ergibt, da die Gesundheit nicht immer bis 65 beziehungsweise 67 Jahre mitspielt, wird genickt. Der Einzelfall entscheidet, aber fehlt die erforderliche Fitness, müssen sich auch die Technikerinnen und Techniker spät in ihrer Karriere vielleicht noch einmal umorientieren.

Im Fall von WindMW bedeutet das etwa, dass ein älterer Mitarbeiter nun in der Zentrale in Bremerhaven eine neue Anstellung gefunden hat. Ob das für jeden Menschen, der die Arbeit auf See erlebt hat, noch eine Option ist, ist fraglich. Für erfahrene Elektrikerinnen und Elektriker sollte die Arbeit an Land mit zunehmend mehr Dezentralisierung der Energieerzeugung und auch einer zunehmenden Elektrifizierung von Prozessen allerdings nicht ausgehen.

Einige Gewerke werden von Subunternehmern ausgeführt. Etwa die Taucharbeiten, um den Zustand der Turbinen Unterwasser zu prüfen. Auf Helgoland treffen wir auch eine Mannschaft, die nur dafür zuständig ist, Roststellen an den Anlagen zu sichten und zu reparieren. Diese Arbeiter sind dann oft nur für einige Monate "on site", da sie im Winter mit ihrer Arbeit nicht fortfahren können. Dann ist die See zu rau, sind die Stürme zu heftig. Diese Beschäftigten kommen von Firmen an Land und arbeiten in Halbsjahres-Rhythmen on- und offshore.

Die Arbeit muss sich auf See ohnehin an den Gezeiten und auch den Wetterlagen orientieren. Das führt dazu, dass im Sommer oft viel mehr gemacht werden kann als im Winter. Auch heise online wurde geraten, noch im Sommer vorbeizuschauen.

Im Sommer ist viel los auf der Insel. Tagestouristen bestimmen die Mitte des Tages.

(Bild: heise online/Kristina Beer)

Eines der vielen Forschungsprojekte, das die Windkraftanlagen umgibt, beschäftigt sich unter anderem mit diesem Problem. Manche Einsätze sind so gefährlich und kostspielig, dass man über Sensorik und mithilfe von kommerziell genutzten Drohnen Ausfahrten für Menschen einschränken oder zumindest treffsicherer machen möchte. Dr. Holger Huhn hat uns im Interview aber auch erklärt, dass die Versuche mit den Drohnen eher weniger gute Ergebnisse gebracht haben.

Die Anlagen verfügen zwar schon über einiges an Sensorik – können auch softwareseitig selbstständig auf Windstärken und Windrichtungen reagieren – ist aber etwas kaputt, das bisher noch nicht in die technische Überwachung eingebunden ist, müssen Menschen Fehler und Schäden erkennen und melden.

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Während auch die Vermutung nahe liegt, dass Menschen für die Offshore-Windkraft häufiger auf Montage sein müssen, wird das für Onshore zumeist weniger gedacht. Das ist allerdings ein Trugschluss. Sowohl Service-Techniker Tomek als auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma waren zuvor Onshore tätig; Tomek in Deutschland, Volker und andere aus dem Team aber etwa auch im Ausland, unter anderem Kanada, Australien, Japan, um dort über mehrere Wochen hinweg Onshore-Windkraftanlagen zu installieren.

Laut Tomek war gerade die Arbeit Onshore weniger gut planbar als sein momentaner Beruf. Bei WindMW gibt es für die meisten Angestellten glasklare zwei-Wochen-Schichtpläne. Die Menschen arbeiten zwei Wochen durchgehend und haben danach zwei komplette Wochen frei. Für die Service-Techniker bedeutet dies, dass jeweils 15 Stück von ihnen pro zwei Wochen-Schicht auf Helgoland sind. Durch die klare Einteilung stehen die Arbeitspläne bereits bis in den Sommer 2023 fest.

Zwar arbeiten die Lageristen momentan noch in ein-Wochen-Schichten, aber auch das wird bald auf zwei-Wochen-Schichten umgestellt, um einerseits die Abstimmung von Teams zu verbessern, aber andererseits auch attraktiver für Angestellte zu werden, die die manchmal zeitaufwendige An- und Abreise nach Helgoland nicht wöchentlich durchleben wollen. Eine Ausnahme bildet im Stellen-Gefüge von WindMW noch die Bürokraft Antje. Sie hat einen eher klassischen 9-to-5- Job von montags bis freitags, lebt auf der Insel. Sie ist somit eine fast durchgängig ansprechbare Kollegin vor Ort.

Um die Arbeitsorganisation im Schichtsystem zu erleichtern, treffen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "on Site" zu einem "Crew-Change-Termin". Dort erfahren sie dann, was in den vergangenen Tagen gemacht wurde und demnächst zu machen ist.

Der Crew-Change steht an. Die Service-Techniker, die gerade zu ihrer zweiwöchigen Schicht eingetroffen sind, erhalten ein Briefing.

(Bild: heise online/Kristina Beer)

Die Verlässlichkeit, die ihm der Job momentan bietet, gefällt Tomek, erzählt er. Onshore habe er teilweise ganz andere Erfahrungen gemacht. Oft war er eher spontan drei oder vier Wochen am Stück weg, obwohl weniger geplant war. Manchmal gab es einen kurzfristigen Anruf: "Du, da ist etwas noch nicht fertig – kannst du bitte...?", und so wurde seine Freizeit immer unplanbarer.

Wie er erzählt, hat sich das auf sein Privatleben sehr negativ ausgewirkt. Freundinnen und Freunde konnten keinen Überblick mehr über seine freien Tage behalten. Einladungen nahmen ab, blieben irgendwann aus. Ohnehin schmolz sein "frei" hin und wieder einfach unter einigen Überstunden hinweg. Auch aus diesem Grund zeigt er sich äußerst zufrieden mit seinem jetzigen Job.

Die Wohnsituation ist für die Angestellten von WindMW auf Helgoland komfortabel. Ihnen steht ein ganzes Hotel zur Verfügung. Das Hotel Atoll im Zentrum von Unterland, das auch mal einen Design-Wettbewerb gewann und innen an eine Lagune erinnert, wurde in den Anfangsjahren für die Beschäftigten gepachtet. Im Jahr 2019 kaufte WindMW das Vier-Sterne-Hotel auf. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter änderte sich dadurch kaum etwas, aber nicht allen Helgoländern gefiel die Übernahme. Allerdings ist so auch über den eher kargen Winter hinweg immer jemand auf der Insel, der auch konsumieren kann.

Durch die Übernahme können Beschäftigte auch Teile ihres Hab und Guts für die Zeit, in der sie nicht auf der Insel sind, verstauen. Das manchmal betrübliche "aus dem Koffer leben" in unpersönlichen Hotelräumen kann so etwas gemildert werden.

WindMW – Die Service-Techniker auf Helgoland (13 Bilder)

Für Zeit auf See packen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer persönliche Taschen, die dann bei den Lageristen abgegeben werden, um aufs Schiff zu kommen. Diese Taschen werden dann auch an den Transition Pieces der Windkraftanlagen hochgezogen.
(Bild: heise online/Johannes Börnsen)

Außerdem bietet das ehemalige Hotel Atoll den Angestellten, abseits des extravaganten Designs der Lobby, einige Extras. Es gibt ein eigenes kleines Schwimmbad, eine Sauna, auch einen Trainings-Raum in dem sogar das sonst eigentlich auf Helgoland nur mit Sondergenehmigung erlaubte Fahrradfahren möglich ist.

Um etwas schneller als fußgängig auf Helgoland vorwärtszukommen, muss man entweder eines der kleinen Helgoland-Tuktuks (wir mussten sie so nennen, es lag einfach so nahe) mit erlaubten 10 km/h fahren dürfen, oder auf einen Tretroller zurückgreifen, der wie ein Kindertretroller nach der Gabe von Wachstumshormonen aussieht. Es ist ein ulkiges Design, aber wird manchmal gerne genutzt. Zur Ausleihe stehen diese Roller für WindMW-Mitarbeiter an der Station bereit. Allerdings auch wieder nur in begrenztem Umfang, da auch hierfür eine Genehmigung vorliegen muss.

Fahrrad fahren darf man auf Helgoland nur mit Genehmigung. Dieses Lastenrad verkümmert in einer Hausecke.

(Bild: heise online/Kristina Beer)

Da zum Beispiel Tomek mittlerweile auch eine Frau und zwei kleine Kinder auf dem Festland hat, schätzt er noch einen anderen Umstand sehr, der nichts mit festen Arbeitszeiten oder der Unterbringung zu tun hat – es ist die mittlerweile gute Erreichbarkeit trotz der Arbeit in der Ferne. Während "auf Montage sein" früher noch wochenlange Funkstille bedeuten konnte, sind den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tägliche Videoanrufe oder Anrufe möglich. Es ist eine Erleichterung die man einigen Menschen vor Ort sehr anmerkt.

Selbst auf hoher See können Technikerinnen und Techniker mit ihren Familien Kontakt halten. Während also auf einem Transition Piece das vorher selbst zusammengestellte Mittagessen aus der Tasche geholt wird, ist auch ein Video-Schnack mit der Heimat drin. Ins WLAN der Anlagen dürfen sie dabei aus Sicherheitsgründen nicht, um die Anlagen nicht Hackern leichter zugänglich zu machen.

Von der Störung des Satelliten-Netzwerks KA-SAT zu Beginn des Ukraine-Krieges waren die Windkraftanlagen von WindMW auch nicht betroffen – der Fernzugriff auf etwa 5800 Windkraftanlagen in Mitteleuropa war nach einem Cyberangriff Ende Februar nicht mehr möglich, die Anlagen konnten aber weiterhin Strom produzieren und sich durch die eigene Software regulieren. Der Ausfall des Netzwerks wurde im Nachgang Russland zugeordnet.

Damit der Strom von den Windkraftanlagen auf See auch an Land kommt, muss er über verschiedene Umspannwerke und Unterseekabel geschickt werden. Allein im Park sind ungefähr 107 Kilometer Kabel verlegt.

Auch WindMW betreibt eine Umspannstation, die den Strom der 80 Windkraftanlagen annimmt. Die Anlage heißt offiziell "Offshore Sub Station" (OSS), aber wie auch die Turbinen hat die OSS einen weiteren Namen erhalten. Will man zur OSS, fährt man zum "dicken Malte".

Patrick Stippel ist einer der Techniker, der für die OSS zuständig ist. Wie auch die Techniker für die Turbinen fährt er für Einsätze mit einem Team zur OSS raus und kümmert sich dann um Arbeiten, die zuvor auf einer Checkliste festgelegt und freigegeben wurden.

Und wie auch andere Technikerinnen und Techniker vor Ort, ist auch Patrick nicht gleich in der Windkraftbranche gelandet, als er in den Beruf startete. Sein Wechsel steht aber beispielhaft für einige andere bei WindMW. Patrick hat nämlich eigentlich in der Öl- und Gas-Industrie und dort im Onshore-Bereich als Service-Techniker gearbeitet – 13 Jahre lang.

Er war auf einem Tiefbohrturm tätig. Sein vorheriger Arbeitgeber bot Teuf-Leistungen in ganz Europa an. Für Öl, Gas und auch Geothermie. Gelernt hat Patrick Energie-Anlangen-Elektroniker und hat auch seinen Meister gemacht.

Die Offshore Sub Station (OSS) ist Patricks Arbeitsplatz.

(Bild: heise online/Johannes Börnsen)

Auch während seiner Arbeit für fossile Brennstoffe war er schon in zwei-Wochen-Schichten tätig und kümmerte sich "ein bisschen um alles", insbesondere aber die Elektrik vor Ort. Er zählt im Interview aber einige Gründe auf, weshalb er irgendwann nicht mehr für die Öl- und Gas-Industrie arbeiten wollte.

Seine Haltung wandelte sich mit den Jahren, führt er aus. Für ihn begann alles, als er sich genauer mit der Elektromobilität beschäftigte. Elon Musk hatte 2016 das Model 3 vorgestellt und Patrick wollte mehr darüber wissen – auch über die ökologischen Ziele dieser Transformation. Er hörte sich Podcasts zu dem Thema an, erfuhr vom deutschen Hersteller Sono-Motors, der das Elektroauto Sion plant.

Die Technik überzeugte ihn bei einer Roadshow in Oldenburg – er ist dadurch einer von jenen frühen Sion-Begeisterten geworden, die eine Anzahlung von 500 Euro machte. Dass das Auto nun wesentlich später als geplant auf den Markt kommen wird, juckt in erst einmal nicht. Ihm geht es um die Idee. Zudem gibt es nun auch schon eine kleine Renault Zoe im Haushalt und auch ein Balkonkraftwerk.

Die letzten großen Einflüsse, die ihn immer mehr an seiner Arbeit hatten zweifeln lassen, waren die Geburten seiner Kinder und das Auftreten von Fridays for Future. Er möchte seinen Kindern später sagen können, dass er wenigstens versucht hat, den menschengemachten Klimawandel zu bremsen, erklärt er.

Während Patrick an seiner Arbeit zunehmend zweifelte, hatten schon einige ehemalige Kollegen den Wechsel zur Windkraft gemacht und Patrick hörte sich um. Sein geschätzter Kollege Jonas hatte einen Job bei WindMW gefunden und seinem Urteil vertraute er sehr. So bewarb sich Patrick im Jahr 2019 zunächst als Offshore-Service Techniker, wurde aber bald Service-Techniker speziell für die OSS. Aus seiner früheren Branche sind mittlerweile vier gute Bekannte ebenfalls zur WindMW gewechselt.

Schaut man auf den recht typischen Gender-Gap im deutschen MINT- Bereich, ist er auch bei WindMW zu sehen. Den rund 30 Technikern, stand zu unserem Besuchszeitpunkt eine Technikerin gegenüber. Allerdings hat sie eine der höchsten Ausbildungsstufen der gesamten Mannschaft und ist damit für die meisten Tätigkeiten freigeschaltet. Eine weitere Frau arbeitet bei den Beschichtern (Korosionsschützer).

Ein unschöner Teil der Arbeit einiger Technikerinnen und Techniker kann auch die Reaktion der Bevölkerung auf ihre Arbeit sein. Mitarbeiter Tomek hat während seiner Zeit in der Onshore-Branche schon Manipulationsversuche an Baumaschinen, Beschimpfungen und Plakataktionen gegen Windkraftanlagen erlebt. Das ist nun allerdings schon eine Weile her. Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sind diese Stimmen erheblich leiser geworden. Auch Angehörige und Bekannte wollen nun doch häufig genauer erfahren, was Offshore gemacht wird.

Die WindMW Service GmbH auf Helgoland (20 Bilder)

Ausblick auf den für die Offshore-Windkraft ausgebauten Südhafen von Helgoland. Von hier aus können die WindMW-Mitarbeiter auch sehen, wenn ihre Kolleginnen und Kollegen von den Service-Schiffen abends wieder anlanden.
(Bild: heise-online/Kristina Beer)

Zudem stoßen Interessierte und Kritiker bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von WindMW teils auf offene Ohren. Sie sehen, welche Regulierung die Windkraft ausbremst, welche Firmen in den vergangenen Jahren pleite gegangen sind und wie sie selbst für das gefühlte Missmanagement bezahlen müssen. Denn auch sie bezahlen gerade die hohen Strompreise zuhause mit, und müssen zugleich mitansehen, wie die günstiger und sauberer Strom produzierenden Windkraftanlagen immer wieder abgeregelt werden, weil unter anderem der Netzausbau nicht vorankommt. Das frustriert die Menschen bei WindMW sichtlich.

Selbst wenn die Windkraftanlage momentan abgeregelt wird, wird zwar auch der ausgefallene Windstrom bezahlt, aber dies geschieht auch nur teilweise. Für Firmen, Verbraucherinnen und Verbraucher und das Klima kann diese Praxis auf Dauer nicht gut sein.

Auch sind die Mitarbeiter nicht dafür, dass an jedem Ort – On- oder Offshore – ein Windrad aufgestellt wird. Sie verstehen Kritik an der Optik, dem Geräuschpegel und auch lästigen Baumaßnahmen rund um Windparks. Trotzdem arbeiten sie oftmals aus Überzeugung für die Windkraft. Das zeigt sich auch, wenn man mit ihnen über ökologische Probleme von Energiegewinnung spricht. Sie möchten ein Teil der Lösung in der Klimakrise und auch für die Energiesicherheit sein, aber nicht um jeden Preis.


Diese Videos gehören zur Serie:

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(kbe)