Rotorlose Windkraftanlagen: Schick, aber nutzlos?

Das spanische Start-up Vortex Bladeless entwickelt eine neue Art von Windkraftanlage, die ohne Rotorblätter auskommt. Das Konzept klingt interessant, doch Experten sehen mehrere Schwachpunkte.

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Von
  • Phil McKenna

Das spanische Start-up Vortex Bladeless entwickelt eine neue Art von Windkraftanlage, die ohne Rotorblätter auskommt. Das Konzept klingt interessant, doch Experten sehen mehrere Schwachpunkte.

Größere, effizientere Turbinenkonstruktionen liefern immer höhere Leistung, so dass Windkraft in den letzten Jahrzehnten zu einer ernst zu nehmenden Energiequelle geworden ist. Im Jahr 2014 verzeichnete die Branche weltweit Rekordinvestitionen von 99,5 Milliarden Dollar, doch allmählich könnte das Wachstum der Turbinen an Grenzen stoßen.

Schon der Transport ist aufgrund der Größe der Komponenten zunehmend schwierig: Einzelne Rotorblätter und Turmsegmente brauchen oft Speziallastwagen und gerade, breite Straßen. Zudem sind die heutigen Windräder bereits unglaublich toplastig. Die Generatoren und Getriebe auf Plattformen in 100 Metern Höhe können mehr als 100 Tonnen wiegen. Mit zunehmender Länge und Gewicht von Propellern steigen zudem die Materialkosten für breitere und stabilere Türme sowie die Kosten für die Wartung von Komponenten, was die Effizienzvorteile von größeren Turbinen zum Teil wieder auffrisst.

Immer wieder hat die Erneuerbare-Energien-Branche versucht, diese Probleme zu lösen – bislang aber ohne Erfolg. Der neueste Vorschlag jedoch läuft auf radikal andere Windturbinen hinaus: ein Zylinder ganz ohne Rotor, der durch Wind ins Pendeln oder Vibrieren gerät.

Das Konzept stammt von dem spanischen Start-up Vortex Bladeless. Seine Turbinen machen sich die so genannte Vortizität zunutze, also die Wirbeldynamik in Wind und Fluiden. Wenn Wind auf eine der zylindrischen Turbinen trifft, entstehen vor allem an ihrer Lee-Seite Wirbel. Dadurch gerät der Zylinder ins Schwingen, und diese kinetische Energie wird durch einen Lineargenerator ähnlich wie solchen zur Nutzung von Wellenenergie in Strom umgewandelt.

David Yáñez, einer der Gründer des Unternehmens, stieß auf dieses Konzept in seiner Studienzeit, als er sich mit dem Zusammenbruch der Tacoma Narrows Bridge in Washington beschäftigte. Die Brücke stürzte 1940 aufgrund von starken, von Seitenwind ausgelösten Vibrationen ein – ein Lehrbuchbeispiel für technisches Versagen. Yáñez sah tatsächlich eine Lehre darin: "Das ist eine sehr gute Methode, um Energie von einer Flüssigkeit auf einen Festkörper zu übertragen."

Beim leichten Zylinder-Design von Vortex gibt es keine Gänge oder Lager. Laut Yáñez soll es Strom 40 Prozent billiger erzeugen können als konventionelle Windräder. Das Unternehmen hat bislang 1 Million Dollar Kapital von privaten Investoren und der Regierung eingesammelt und bemüht sich um weitere 5 Millionen Dollar. Nach Angaben von Yáñez soll im Jahr 2016 ein 4-Kilowatt-System auf den Markt kommen, um das Jahr 2018 herum dann ein viel größeres mit 1 Megawatt Leistung.

Das klingt vielversprechend, doch wie bei jeder radikalen neuen Idee im Energiebereich gibt es auch bei rotorlosen Turbinen reichlich Skeptiker.

„Bei einer konventionellen Windturbine mit Rotoren durchstreichen die Blätter einen großen Bereich“, sagt Martin Hansen, ein Windkraftexperte an der Technischen Universität von Dänemark. „Bei Vortex hat man nichts als eine Stange.“

Oszillierende Zylinder könnten nicht nur weniger Windenergie aufnehmen, sondern auch nur einen geringeren Anteil davon zu Strom machen, so Hansen weiter. Konventionelle Windräder konvertieren typischerweise 80 bis 90 Prozent der kinetischen Energie ihrer drehenden Rotoren in Strom. Die Umwandlungseffizienz des individuell gefertigten Lineargenerators von Vortex wird laut Yáñez bei 70 Prozent liegen.

Dass mit vibrierenden Turbinen nur ein kleinerer Bereich erfasst wird und dass die Umwandlungseffizienz geringer ist, räumt Yáñez ein. Niedrigere Kosten für Fertigung und Wartung würden diese Nachteile jedoch überwiegen.

Wenn das Unternehmen höhere Anlagen baut, um die höheren Windgeschwindigkeiten in größerer Höhe zu nutzen, stößt es jedoch auf weitere Probleme, die sich aus der Physik der Strömungsmechanik ergeben. Wenn Luft oder Fluide mit geringer Geschwindigkeit an Zylindern mit kleinem Durchmesser vorbeiströmen, geschieht das in einer sanften, konstanten Bewegung. Mit breiteren Zylindern und höheren Windgeschwindigkeiten aber wird die Strömung turbulent und produziert chaotische Wirbel. Dadurch variiert die Oszillationsfrequenz des Zylinders, was es schwierig macht, die Stromproduktion zu optimieren.

„Mit sehr schlanken Zylindern und sehr geringen Geschwindigkeiten bekommt man singende Telefondrähte – eine absolut saubere Frequenz oder einen Ton“, erklärt Sheila Widnall, Professorin für Aeronautik und Astronautik am MIT. „Wenn der Zylinder dagegen sehr groß ist und der Wind sehr stark, bekommt man eine Reihe unterschiedlicher Frequenzen. Man kann dann nicht mehr so viel Energie gewinnen, weil die Oszillation grundlegend turbulent ist.“

Auch die Behauptung von Vortex, seine Turbinen seien fast geräuschlos, stellt Widnall in Frage. „Die Oszillationsfrequenzen, die den Zylinder bewegen, werden Lärm verursachen“, sagt sie. „Es wird sich anhören, als würde ein Güterzug durch den Windpark fahren.“

Oszillierende Zylinder sind nur eine von vielen neuen Technologien, die darauf abzielen, mit weniger Aufwand mehr Windstrom zu erzeugen. Makani Power etwa entwickelt „Energie-Drachen“ – mit einer Bodenstation verbunden, fliegen sie in der Luft große Kreise ähnlich wie die Spitze eines konventionellen Rotorblatts und produzieren mit kleinen Turbinen an Bord Strom aus Wind. Makami wurde im Jahr 2013 von Google X übernommen, der halbgeheimen Forschungseinheit von Google. Deren Leiter Astro Teller sagte in diesem März, bald würden die ersten Tests mit einem 600-Kilowatt-Drachen beginnen.

Korrektur: In einer vorherigen Version des Textes war fälschlicherweise von einem "rotorlosen Windrad" die Rede. Das ist natürlich irreführend. Wir haben die Überschrift sowie den Text nun mit der Bezeichnung "Windkraftanlagen" korrigiert. Außerdem haben wir die Formulierung "Wind und andere Flüssigkeiten" berichtigt - hier wird eigentlich auf "Fluid", ein Ausdruck aus der Strömungslehre, Bezug genommen. Er wird für Gase und Flüssigkeiten verwendet.


(sma)